21.08.2022 11. Etappe Ciruena nach Granon

Die Nacht war ruhig, was ja kein Kunststück war, waren wir doch nur zu zweit auf einem Zimmer. Der Hospitalero hatte das gemeinsame Frühstück schon vorbereitet. Ein neues Gesicht war heute früh am Tische. Ein Pilger der gestern Abend sehr spät gekommen sein muss. Es stellte sich heraus, das es ein Deutscher war. Ein durchtrainierter Mann so um die dreißig Jahre alt. Natürlich sprach ich ihn darauf an, warum er gestern so spät kam. Er sagte, das er jeden Tag so lange unterwegs wäre. Sein Tagespensum beträgt immer zwischen 45 und 50 km. Deshalb muss er ja früh starten und kommt immer spät an. Ich meinte zu ihm, das das eigentlich nicht viel mit Pilgern zu tun hat, aber er war eigentlich nicht als Pilger unterwegs, sondern vielmehr aus sportlichen Gründen. Er erzählte, dass seine erste Etappe von St. Jean pied de Port über die Pyrinäen bis Zubiri in einem Stück war, das sind 46 km. Welch ein Wahnsinn. Ich meinte nur zu ihm, ob es nicht besser wäre solche Strecken irgendwo anders zu laufen, z.B. auf Mallorca, als auf dem Camino. Dort würde er wenigstens den Pilgern nicht den Schlafplatz wegnehmen und die Wege verstopfen. Das gefiel ihm gar nicht, was ich da so sagte. Meine Worte taten mir auch gleich leid und entschuldigte mich dafür. Als Pilger muss man eben solches auch aushalten, wie so manche anderen negativen Auswüchse die der Boom des Camino so mit sich bringt. Dazu später sicherlich mehr. Der erste Ort der kam war Santo Domingo de Calzada. Gleich am Ortseingang kam das Zisterzienserkloster in dem Edgar und ich zusammen mit Conny übernachtet hatten. Da kamen schöne Erinnerungen zurück. Aus der nebenan liegenden Kirche hörte ich Gesang und ging hinein. Die Nonnen hielten gerade ihre Morgenandacht mit Gesang. Einfach herrlich. Ich nahm mir die Zeit um ihnen in aller Ruhe zuzuhören. Zu dieser Zeit waren kaum noch Pilger zu sehen. Die meisten machten ja hier in Santo Domingo halt, einen der Hauptorte und waren meist schon wieder unterwegs. In der Stadtmitte steht eine berühmte Kathedrale. Dort fand der Legende nach das berühmte Hühnerwunder statt. In der Kathedrale del Salvador in Santo Domingo de la Calzada erinnert ein Hühnerkäfig mit einem lebenden Hühnerpaar, das alle zwei Wochen ausgetauscht wird, an das Hühnerwunder des heiligen Domingo. Auf dem Weg nach Santiago nächtigt ein deutsches Ehepaar mit seinem Sohn in der Herberge zu Santo Domingo. Die Wirtstochter fand den Sohn der Familie sehr attraktiv, der fromm und keusch
ihr Angebot aber zurückwies. Die Zuneigung der Wirtstochter wandelte sich in bösen Zorn, sie sann auf Rache und versteckte einen Silberbecher in seinem Gepäck. Der Wirt bemerkte am Folgetag den Verlust und schickte die Stadtbüttel aus, die auch schnell fanden, was sie suchten. Der junge Mann wurde nach kurzem Prozess aufgehängt und die Eltern zogen traurigen Herzens weiter nach Santiago. Auf dem Rückweg kamen sie wieder an der Richtstatt vorbei, wo sie ihr Sohn ansprach, dass er gar nicht tot sei, weil ihn Santiago gehalten habe. Die Eltern liefen daraufhin zum Richter, der vor einem Teller gebratener Hühner saß, und berichteten das Vorgefallene. Der Richter antwortete, dass ihr Sohn so tot sei wie die beiden Hühner vor ihm, worauf diese sich erhoben und davonflatterten. Nun wurde der Sohn ab- und die Wirtstochter aufgehängt, die Familie zog weiter nach Hause. Natürlich ging ich in die Kathedrale um den Hahn krähen zu hören. Was mittlerweile etwas unschön ist, das man in diesen Gotteshäusern Eintritt zahlen muss, selbst wenn er nach Vorlage des Pilgerpasses günstiger ist. Auch heute war meine Etappe mit 14 km recht kurz. Das heutige Ziel sollte Granon sein, ein besonderer spiritueller Ort am Camino wie es sie nur noch sehr wenige gibt. Ich hatte darüber sehr viel gelesen und 2017 haben wir dies ausgelassen. Aber diesmal wollte ich unbedingt dort übernachten. Schon am Ortseingang war ein Foodtruck aufgestellt und man konnte in einem Garten eine Rast machen. Sinitia aus den Niederlanden kam auch gerade dazu und so hatten wir ein schönes Gespräch. Ein kleiner wusseliger Italiener ging von Tisch zu Tisch und machte Werbung für die Übernachtung in Granon. Er sollte viel später noch für ein negatives Erlebnis sorgen. Dazu später mehr. Es war ja noch später Vormittag und eigentlich zu früh um den Tag zu beenden, aber Granon wollte ich erleben und diesen besonderen Geist spüren. Irgendwie hatte ich dieses Granon anders in Erinnerung und verwechselte es an diesem Tag mit einer anderen Herberge am Weg die ähnlich war. So kam es, das ich bereits komplett durch Granon durch war und dachte die Herberge liegt außerhalb der Ortschaft. Zum Glück war am Ende von Granon eine Art Aussichtsplattform wo man schöne Fotos machen konnte. Werner, der ja gerne jedes Motiv fotografierte machte dort einige Fotos. Wir baten eine anwesende einheimische Frau darum, ein Foto von uns zu machen. Wir fragten si noch nach der Herberge in Granon und sie sagte, das wir schon viel zu weit seine. Diese wäre in der Ortschaft gleich hinter der kleinen Kirche. Sie bot uns an uns dorthin zu bringen, denn sie vermutetet das diese noch nicht offen sei. Sie würde den Hospitalero kenne und uns hinbringen. Dort angekommen war die Herberge zwar offen, aber keiner da. Die Frau suchte nach ihm und kam mit ihm zurück. Wir waren an diesem Tag die ersten Pilger dort. Ohne Sie wäre ich vermutlich wieder an Granon vorbei und hätte diese Herberge verpasst, was schade gewesen wäre. Die Schlafplätze waren direkt unter dem Dach der nebenan liegenden Kirche auf Matratzen. Der Hospitaleros hießen Angel und Josefina, diese wiesen uns unsere Plätze zu. In der Herberge in Granon steht die berühmte Spendenbox, auf der steht: Pilger gib was Du kannst – Oder nimm heraus was Du brauchst. Mir fiel nur auf, als ich am nächsten Morgen meine Spende in die Box warf, war nichts drin. Ich ging erst nach einer Weile und schaute nochmal in die Box, diese war plötzlich leer. Entweder leeren sie die Box gleich nach der Spende oder es hat doch ein Pilger etwas herausgenommen. Jenn aus London kam auch gerade hinzu. Auch Antonio, ein Spanier und Andre aus Rumänien, den ich das letzte mal in Pamplona getroffen hatte, kamen in die Herberge. Wir freuten uns einander wieder zu sehen und es war schön sich mit ihr zu unterhalten. Plötzlich stand der kleine wusselige Italiener vor uns und fing an uns zu umarmen. Sein Name war Andrea. Erst später erfuhren wir, das er den Camino ohne Geld machte und hier in Granon machte er einen Zwischenstopp um dort mit zu helfen. Wahrscheinlich durfte er dafür übernachten und bekam zu Essen. Im Nachhinein irgendwie ein komischer Typ von dem noch später zu berichten ist. In der Herberge gibt es 2 Duschen und 2 Toiletten die man mit vielen Pilgern christlich teilen muss. Alles ist sehr spartanisch ausgestattet. Wer Luxus sucht ist hier falsch. Wer aber christliche Gemeinschaft und Einfachheit sucht ist hier richtig. Nach der üblichen Routine verbrachten wir gemeinsam mit anderen Pilgern etwas Zeit in der nebenan liegenden Bar. Dabei konnte man die Pilger beobachten die hier vorbeikamen. Manch bekannte Gesichter begrüßte man und verabschiedete sich wieder mit einem, Buen Camino. Auch das Gebet kam an diesem Tag nicht zu kurz hatte ich doch genügend Zeit. In der kühlen Kirche von Granon fand man eine Oase der Ruhe auf dem Camino und konnte seinen Gedanken folgen. Am Abend stand ein gemeinsames Essen auf dem Programm. Zwei Spanier hatten sich dankenswerterweise bereit erklärt für die Pilger zu kochen. Aber im Garten mussten die Tische aufgebaut und gedeckt werden wozu alle Pilger mit an packen mussten. Das machte Spaß und man kommt mit vielen Pilgern ins Gespräch. Es gab wie immer ein sehr nahrhaftes Essen das allen sichtlich schmeckte. Nach dem Essen musste natürlich alles wieder gespült und aufgeräumt werden. Viele Hände, ein schnelles Ende. Alle halfen mit und es war ein schönes Gemeinschaftsgefühl das hier entstanden ist. Im Anschluss ging es über einen Geheimgang von der Herberge direkt auf die Empore der Kirche. Diese war nach Einbruch der Dunkelheit mit Kerzenlicht ausgeleuchtet. Es wurde zusammen gebetet und gesungen und man beschloss zusammen den heutigen Tag. Obwohl man sich nicht näher kannte entstand ein Gemeinschaftsgefühl wie man es nur auf dem Camino finden kann. Hier fühlte man die Seele des Camino. Mit einem guten Gefühl ging man auf seine Bodenmatratze in der Hoffnung das man am Morgen ohne Rückenschmerzen aufstehen kann.

20.08.2022 10. Etappe Najera nach Ciruena

Die Nacht war ruhig, und ich konnte wieder recht gut schlafen. Schon komisch, zu Hause wachte ich immer wieder mal in der Nacht auf und es beschäftigte mich dann irgendetwas das mit der Arbeit zu tun hatte. Ich habe heute auch etwas länger geschlafen. Was es doch ausmacht wenn man keinerlei Sachen im Hinterkopf hat. Lelia, Xenia, Scott und Terri waren bereits gegangen. Amir und Werner waren noch da und packten ihre Sachen. Frühstück gab es ja hier nicht. Für heute hatte ich mir eine kurze Etappe von 15 km vorgenommen, waren doch die letzten beiden Tage schon recht heftig bei der Hitze. Ich hatte ja Zeit und auch keinen Rückreisetermin an dem ich mich orientieren musste. Diesen Luxus hatten nicht sehr viele Pilger. Dank meiner Chefin Rita, die mich darin bestärkte, konnte ich den Rückflug erst buchen, wenn ich die Ankunft in Santiago absehen konnte. Heute hatte ich auch Zeit für ein ausgiebig langes Frühstück in einer der Bars. Meist genoss ich einen Cafe con Letche, dazu ein Gebäckstück, Tortillas oder eine Eierspeise. In den Bars konnte man dann das kommen und gehen der Pilger beobachten. Das schöne daran war, das immer wieder mal bekannte Gesichter kamen und man sich austauschen konnte. Heute war wieder ein wolkenloser Himmel und es wurde von Stunde zu Stunde heißer je näher es auf Mittag zu ging. Die endlosen und geraden Wege so wie sie heute waren liebte ich besonders. Wie sagte damals meine Pilgerfreundin Conny aus München frei nach dem Lied von Udo Lindenberg „Hinterm Horizont gehts weiter“. Am frühen Nachmittag kam ich an der Herberge Virgen de Guadeloupe in Ciruena an. Eine kleine etwas abgelegene Herberge in der alles etwas orginell aussah. Im Dachboden der Herberge gab es sogar eine kleine Kapelle. Nach der üblichen Routine von Duschen und Wäschewaschen war relaxen angesagt. Irgendetwas anderes konnte man eh nicht machen, lag die Herberge doch ziemlich abgelegen irgendwo im nirgendwo. Das war ja das schöne, wenn man etwas antizyklisch ging, das man den Pilgermassen die unterwegs waren, entgehen konnte. Es hieß ja, im Heiligen Jahr, das ja eigentlich 2021 sein sollte und aufgrund Corona verlängert wurde, wären so annähernd 400000 Pilger unterwegs nach Santiago. Von Herbergsproblemen von denen viele Pilger berichteten war hier nichts zu spüren. Dies betraf ohnehin meist nur die Privaten Herbergen die man reservieren konnte und nicht die kirchlichen oder gemeindlichen Herbergen. Diese konnte man nicht reservieren. So wurde unnötigerweise manchmal Panik unter den Pilgern verbreitet obwohl die Herbergssituation ziemlich entspannt war. Es war wohltuend ruhig hier und man konnte den Nachmittag auf einen Stuhl im Schatten auf der Straße verbringen. Zunächst waren Werner und ich die einzigen Pilger. Nach und nach kamen Sintia aus den Niederlanden und Lawson aus Kanada dazu. Aus dem Nichts tauchte dann Dominik aus Würzburg auf. Ich freute mich ihn wieder zu sehen und es war noch eine schöne Unterhaltung. Gemeinsam wurde hier zu Abend gegessen, Der Betreuer der Herberge war ein schon etwas älterer und sehr freundlicher Mann, der sich, so sah es aus, mit dem betreiben der Herberge etwas zur Rente hinzu verdiente. Er war sehr auf die Pilger bedacht. Mit einem gemeinsamen Gebet begann das Abendessen. Es war zwar ein relativ einfaches Essen, aber sehr nahrhaft und genau das richtige für Pilger. Noch lange unterhielten wir uns über den Camino, Gott und die Welt. Recht früh ging es heute zu Bett.

19.08.2022 9. Etappe Logrono nach Najera

Nach einer relativ ruhig verlaufenden Nacht stand heute eine lange Etappe von 29 km auf meinem Programm, was hauptsächlich daran lag, das es nicht sehr viele Zwischenorte auf dem Weg nach Najera gab wo man hätte übernachten können. Aber mittlerweile war ich nach etwas mehr als einer Woche eingelaufen und traute mich diese Strecken auch bei höheren Temperaturen zu, zumal ich ja wusste, das keine größeren Anstiege dabei waren. Aber jetzt war erstmal Frühstück in der Herberge angesagt. Es ist doch immer wieder schön mit den Pilgern zu frühstücken und dabei sich auszutauschen. Ich bleibe dabei gerne etwas länger sitzen und genieße den Moment. Aber irgendwann ist es dann Zeit zu gehen. Der Weg hinaus aus der Stadt war wieder etwas monoton. Werner hatte sich auch heute mir angeschlossen und wir hatten wieder einander einiges zu erzählen. Nach einiger Zeit trafen wir Giacomo und seine Freundin, die sich sehr freuten uns wieder zusehen. Ich begrüßte Giacomo in dem ich meine Mütze vor ihm zog, als hochachtung vor seinem Namen. Giacomo war ja der Name Jakobus im italienischen. Der Weg zog sich heute gefühlt etwas zäh dahin. Kurz vor Najera kommt man an einer Fabrik vorbei auf deren Mauer ein langes Gedicht geschrieben ist. Es soll ein Pfarrer gewesen sein, der dieses Gedicht verfasst hat. 2017 war es noch in verschiedenen Sprachen, unter anderem auch auf Deutsch vorhanden. Leider war es nur noch auf spanisch zu lesen. Anscheinend wurde es vor kurzen erneuert, denn es sah noch recht frisch aus. Aber irgendwie ist dieser Text für mich etwas besonderes geworden und hat sich eingeprägt. Er drückte eigentlich genau aus, warum ich auf dem Camino war. Es heisst unter anderen darin: Staub, Schlamm, Sonne und Regen – das ist der Weg nach Santiago. Wer ruft Dich Pilger …, dies erklären kann nur er, er dort oben. Diese Textausschnitte benutze ich seither bei meinen Vorträgen über den Jakobsweg als Einstieg. Über Navarette und Ventosa erreichte ich am frühen Nachmittag Najera. In dieser Ortschaft hatten Edgar und ich 2017 gleich zu Beginn unseres Weges enorme Probleme mit einer Übernachtung. Auch diesmal sollte es etwas schwieriger werden. Die gemeindliche Herberge war gleich gefunden, jedoch standen sehr viele Pilger vor dem Eingang und wollten dort bleiben. Es war eine Art Baracke und hatte 90 Plätze. Ich hatte mich bereits in die lange Schlange eingereiht, da meldete sich Lelia. Sie war wie immer sehr viel schneller und hatte in der Herberge Puerta de Najera einen Platz gefunden. Dort waren noch einige Betten frei und ich entschloss mich auch dort hin zu gehen. Als ich die Herberge sah, erinnerte ich mich wieder. Hier hatten wir auch damals nach einen Bett gefragt und der Hospitalero gab uns eine Adresse wo wir unterkommen konnten. Diesmal war ja Platz. Die Herberge war gut ausgestattet und hatte sogar eine Küche. Wir beschlossen heute selbst zu kochen und nicht Essen zu gehen. Ich fand das immer eine gute Idee. Lelia ging in den Supermarkt und kaufte für das Abendessen ein. Im Aufenthaltsraum machte ich es mir nach der üblichen Routine von Duschen und Wäschewaschen gemütlich. Heute hatte meine Schwiegermutter Charlotte ihren 90.ten Geburtstag und ich musste natürlich zum gratulieren anrufen. Die Verwandschaft saß alle zusammen bei uns in der Grümpel. Nach meiner Frau hatte ich auch meinen kleinen Enkel Anton am Telefon, was mich sehr freute, war ich doch voraussichtlich noch mehr als 5 Wochen unterwegs. Zwischenzeitlich kam Amir der Kanadier an den Tisch. Er hatte es unter großen Schmerzen hierher geschafft und wollte mal einen Tag pausieren um wieder zu Kräften zu kommen. Und auch Terri und Scott kamen dazu. Die beiden waren ja auch schon in Orisson und man kam hier mal näher ins Gespräch. Scott war Richter in den USA und war gerade in Pension gegangen. Die beiden waren sehr nette Gesprächspartner und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Das Gespräch kommt natürlich immer auf die Familien zu Hause und die Berufe und Hobbys die wir haben. Die beiden hatten auch schon erwachsene Kinder, wie ich auch. Für mich sind die Gespräche immer sehr anstrengend, da meine englisch Kenntnisse leider sehr beschränkt sind. Ein Smalltalk funktioniert irgendwie immer, aber tiefgründige Gespräche sind leider nicht möglich. Ich beneidete Lelia, die englisch und französisch perfekt sprach. Sie war mittlerweile wieder zurück mit den Einkäufen. Sie hatte nicht nur was zu Essen mitgebracht, sondern auch Bier und Radler, obwohl sie keinen Alkohol trank. So fürsorglich können nur besondere Pilger sein. Amir hatte eine Flasche Wein geholt und so ließen wir uns alle das Essen und Trinken schmecken. Es war eine wundervolle Gemeinschaft hier und ich bereute es nicht hier zu sein. Amir gründete zur Feier des Tages eine Whatts App Gruppe mit dem Namen Najera Group. Leider begegnete ich Amir nur noch ein zweimal am Weg. Er war wirklich ein netter Pilger. Die Herberge füllte sich noch im Laufe des Nachmittags und war am Abend voll. Nebenan im Schlafsaal traf ich noch auf Xenia. Sie hatte ich ja auch schon vor ein paar Tagen kennengelernt als sie mit Uschi unterwegs war. Sie erzählte mir, das selbst für sie Uschi zu schnell war. Xenia wollte in einigen Tagen ihren Freund treffen, um dann gemeinsam den Weg nach Santiago zu gehen. Schließlich ließen wir den Abend ausklingen und ich ging recht früh schlafen.


18.08.2022 8. Etappe Los Arcos nach Logrono

Ich entschloss mich auch heute wieder recht früh am morgen aufzustehen und los zu pilgern. Es war noch etwas dunkel auf dem Weg aus dem Ort hinaus. Die letzten Heimkehrer der Fiesta kamen einen noch entgegen. Heute war es etwas kühler geworden und dadurch recht angenehm zu laufen. Auf recht ereignislosen Wegen ging es über Torres del Rio nach Vianna einer größeren Ortschaft mit einer Kathedrale. Hier herrschte ein geschäftiges Treiben in den Gassen. Es gab gleich einige Bars und Cafes an denen man eine Rast machen konnte. In einer dieser Bars sah ich Lelia und Jenn sitzen und da noch Platz war, setzten wir uns dazu. Eine kleine Zwischenmahlzeit und ein Cafe con Letche ging immer. Es war gerade recht kalt geworden und der Wind wehte recht zugig durch die Gassen, so das man es nur mit Fleece und Windjacke aushalten konnte. Natürlich tauschte man sich aus, wie weit man denn heute gehen wollte. Die beiden hatten genau wie wir Logrono als Ziel. Jenn und Lelia waren recht schnell unterwegs. Sie wollten ebenso in die kirchliche Herberge in Logrono. Ich bat Lelia, mir kurz zu schreiben, wenn sie da ist. Nach der Pause führte der Weg in die gleich nebenan befindliche Kathedrale. Ein imposantes Bauwerk, für das man eine längere Zeit für die Besichtigung gebraucht hätte. Aber nach dem abholen des Stempels musste der Weg weiter gehen um den Rest der 28 km langen heutigen Strecke zurück zu legen. 28 km war schon eine Ansage für mich, hatte ich doch meist zum Ende der Strecke mit einer gewissen Ermüdung meines rechten Beines aufgrund der Polyneuropathie zu kämpfen. Die Gefahr des Stolperns, besonders auf den Pflastersteinen in den Städten war besonders groß. Ich hatte einige male unheimliches Glück, das ich mich noch rechtzeitig fangen konnte. Jetzt hatte man die Region Navarra hinter sich gelassen und kam in die Region Rioja, was ja eine bekannte Weinregion ist. Unterwegs lernte ich Amir kennen, ein Kanadier. Er hatte ziemlich Probleme mit Blasen an den Füßen und tat mir leid. Man sah ihm an, das jeder Schritt schmerzte, trotzdem kämpfte er sich durch und kam auch in die Herberge. Am Ortsrand von Logrono kam man an einer Institution des Jakobsweges vorbei. Lange Jahre saß unter einem Feigenbaum Maria, eine ältere Frau und begrüßte die Pilger. Sie versorgte sie mit Getränken und hatte auch einen besonderen Stempel. Als wir 2016 hier vorbeikamen war sie noch da, aber leider verstarb sie im vergangen Jahr. Aber ihre beiden Enkelinnen Patricia und Christina setzen die Tradition fort. Ein Erinnerungsfoto mit den beiden musste natürlich sein. Auch hier in Logrono war es wieder wie in allen Städten. Der Weg zieht sich endlos bis in die Stadt hinein. Kurz vor betreten der Stadt gab es eine Touristinfo wo wir uns einen Stadtplan abholten. Von hier aus war es nicht mehr weit zur kirchlichen Herberge. In diese wollte ich aus Nostalgiegründen unbedingt wieder hinein, war ich dort doch schon mit Edgar 2017 zu Beginn unserer letzten Etappen auf dem Weg nach Santiago. Ich hatte diese Herberge nur in bester Erinnerung. Vor dem Eingang warteten schon viele Pilger auf Einlass. Man musste sich in die Reihe stellen und gedultig warten, bis man drankam. Lelia kam gerade aus der Tür und berichtete, das es nur noch Matratzen auf dem Boden gäbe zum Übernachten. Die Betten waren alle schon belegt. Aber so ist das, wenn man etwas später aufgrund der langen Strecke ankommt, muss man nehmen was übrig beleibt. Ist aber nicht wirklich ein Problem unter den Pilgern. Damit haben nur Luxuspilger ein Problem. Iregndwie hatte ich die Herberge viel kleiner in Erinnerung. Die Hospitaleros gaben sich die größte Mühe um alle zufrieden zu stellen, was ihnen auch trotz des Andranges gelang. Als erstes stand wie immer Duschen und Wäsche waschen an, die übliche Routine. Der Schlafsaal mit ca. 40 Matratzen befand sich im Obergeschoß. Zum Duschen und Wäschewaschen musste man ins Erdgeschoß. Der Waschplatz befand sich im Innenhof der Herberge und dort kam ich mit einem jungen Deutschen ins Gespräch. Dominik, so der Name des jungen Mannes. Er kam aus Würzburg und studierte in Hamburg Flugzeugbau. Ein sehr sympathischer Pilger, der noch einige male meinen Weg kreuzen sollte. Im Anschluss begaben Werner und ich uns in die Stadt um den Durst zu löschen und einen kleinen Snack zu uns zu nehmen. Wir wollten auch die Kathedrale besichtigen, jedoch war diese noch geschlossen und sollte erst später öffnen. So mussten wir warten und nutzten die Zeit um in einem Cafe die vorbeilaufenden Pilger zu beobachten. An unseren Tisch setzten sich 2 Spanier, die geschäftlich in Logrono waren und fragten uns nach unseren Besuchsgrund von Logrono. Als sie hörten, das wir Pilger sind und in St. Jean pied de Port gestartet sind, waren sie voller Hochachtung, das wir uns dem aussetzten. Endlich hatte die Kathedrale geöffnet und wir konnten diese besichtigen. Ein Imposantes und geschichtsträchtiges Bauwerk. Zurück in der Herberge war es schon Zeit für das Abendessen. Die Hospitaleros hatten gekocht und die beiden Pfarrer der nebenan liegenden Kirche halfen mit, das Essen zu verteilen. Begonnen wurde mit einem Tischgebet, das die beiden mit uns zusammen gebetet haben. Man saß an großen Tischen zusammen, aß und unterhielt sich miteinander. Mein Platz war inmitten von einigen jungen Italienern. Man muss schon sagen, das besonders viele junge Italiener den Camino im christlichen Sinne pilgern. Einfach eine besondere Atmosphäre und man spürte hier den Spirit des Camino. Zum Abschluß des Abends luden die Pfarrer zu einem Abendgebet in die Kirche ein. Man ging durch einige verschlungene Gänge direkt hinüber in die nebenan liegende Kirche. Zusammen wurde dort mit den beiden Pfarrern gebetet und gesungen, und anschließend bekam jeder den Stempel der beim Abendgebet dabei war. Wer nicht beim Abendgebet war bekam auch keinen Stempel in dieser Herberge. Für mich eine absolut nachvollziehbare Regel. Einige regten sich darüber natürlich auf. Aber wenn man in kirchlichen Herbergen übernachtet, sollte man sich auch an die Regeln halten und nicht nur die Annehmlichkeiten einer Spendenherberge in Anspruch nehmen. Hier zeigte sich wieder mal deutlich wer im Sinne des Camino ein Pilger ist. Mit einem guten Gefühl ging man auf seine Matratze am Boden und hoffte, das man am nächsten Tag wieder vom Boden hochkommt. Man ist mit 60 Jahren ja nicht mehr der jüngste.

17.08.2022 7. Etappe Ayegui nach Los Arcos

Die Nacht im Schlafsaal war ruhig, waren wir doch sehr wenige Pilger. Frühstück gab es heute nicht, und so musste man unterwegs nach einer geeigneten Bar suchen. Auf dem Camino Frances ist dies aber kein Problem. Es gibt in fast jeden Ort eine oder mehrere Bars und Restaurants. Diese haben meist auch schon am frühen Morgen geöffnet, wissen sie doch, das viele Pilger in den heißen Sommermonaten bereits früh unterwegs sind. Eine Tortilla und dazu ein Cafe con Letche, was wollte man mehr. Ich war nun schon mehr als 1 Woche unterwegs und hatte mich schon etwas eingelaufen obwohl diesmal alles um einiges anstrengender als beim Camino 2017. Strecken über 25 km wollte ich aufgrund meines Handicaps sowieso nicht gehen, zumal ich ja keinerlei Termindruck hatte. In den letzten Jahren hatte ich zunehmend Probleme beim gehen. Die Ärzte diagnostizierten eine Polyneuropathie, eine Nervenerkrankung, bei der ich den Fuß nicht mehr abrollen kann. Beim Gehen platscht es dann. Ich kann nicht mehr auf Verse und Zehenspitzen stehen. Ein schleichender Prozess, den ich irgendwie nicht wahrgenommen habe oder auch nicht wahrhaben wollte. Deshalb zögerte ich auch bei der Entscheidung nochmal auf den Camino zu gehen. Aber meine Frau Heike und meine Chefin Rita haben mich immer bestärkt diesen Weg nochmal zu wagen. Ich hatte zwar keine Schmerzen beim Gehen , aber mein Gangbild war etwas komisch anzusehen. Viele Pilger sprachen mich unterwegs darauf an und einige bewunderten meinen Mut mit diesen Handicap so eine lange Strecke zu wagen. Ein Stück des Weges ging ich heute mit Rion die von Beruf Psychologin war. Sie hatte eine richtig positive Ausstrahlung und war meist am Lächeln. Sie kam aus Belgien und war auch dort gestartet. Ich sprach ihr meine Bewunderung aus, das sie den Weg von Zuhause aus pilgerte. Sie sprach mir im Gegenzug ihren Respekt aus, was mich schon etwas Stolz machte, hatte ich doch am ersten Tag absolut gezweifelt. Aber das war keinThema mehr bei mir. Ich war mir jetzt sicher den Weg nach Santiago zu schaffen. Heute ging es recht flach dahin und war auch kaum anstrengend. Gegen Mittag erreichte ich Los Arcos. Hier hatte ich damals mit Edgar in der Herberge Casa Austria übernachtet. Auch diesmal wollte ich dort übernachten und mal schauen, ob sich etwas verändert hat. Einigen Pilgern erzählte ich natürlich immer wieder mal von Herbergen die ich bereits kannte. Manchmal traf man sich dann dort wieder und viele bestätigten mir, das sie aufgrund meiner Erzählungen dorthin gekommen sind. Beim Ankommen war die Herberge noch geschlossen. Vor dem Eingang saßen 2 Pilger darunter Robert der Texaner, der mit seinen Cowboystiefeln den Camino pilgerte. Leider war es für mich schwer mit ihm ins Gespräch zu kommen, er hatte doch einen Dialekt den ich mit meinen beschränkten Englischkenntnissen nur schwer folgen konnte. Nach und nach füllte sich die Herberge. Diese hatte sich nach der ersten Erkundung kaum verändert und es war noch alles wie es damals war. Heute allerdings war einiges los in Los Arcos. Zu dieser Zeit im August finden in den Dörfern der Navarra die Fiestas mit der traditionellen Stierhatz statt, wie man sie aus Pamplona kennt. Man feiert San Fermin und treibt dabei die Stiere durch die abgesprerrten Gassen der Dörfer. Die Jugendlichen und auch manch Ältere beweisen dabei ihren Mut in dem sie vor den Stieren herlaufen und dann wenn er näher kommt schnell über die Barrieren klettert. Danach wird bis in den frühen Morgen ausgiebig gefeiert. Was aufgefallen ist, diese Fiestas fanden auch an den Wochentagen statt. So etwas wäre in Deutschland undenkbar, zumal die Tierschützer bei uns prodestieren würden. Aber hier in Spanien legt man noch Wert auf Tradition und Brauchtum, auch wenn es vielen Touristen und Pilgern nicht gefällt. Ich finde aber, man muss die Traditionen des Landes respektieren, wenn man hier zu Gast ist, und ihnen nicht unsere Einstellung überstülpen wollen, was all zu gerne besonders deutsche Pilger gerne tun. Mit einem mal war der ganze Ort abgesperrt und man kam auch nicht zurück zur Herberge. So konnte man das Treiben im Ort verfolgen, etwas dazu Essen und Trinken. Gegen 20.00 Uhr wurden die Sperren aufgehoben und man konnte wieder zurück in die Casa Austria. Leider fand aufgrund der Fiesta an diesem Tag keine Pilgermesse in der Kirche von Los Arcos statt. Der Altar dieser Dorfkirche strahlt nur so von Gold. Es sollte eine unruhige Nacht werden, denn die Feierlichkeiten gingen jetzt erst richtig los. Nachdem ich eingeschlafen war, weckte mich nach Mitternacht ein Blaskapelle die direkt am Fenster der Herberge vorbei zog. Auch das gehört zum Camino. Irgendwie konnte ich danach nicht mehr richtig einschlafen und döste nur so vor mich hin.

16.08.2022 6. Etappe Puente de la Reina nach Ayegui


Auch heute konnte ich trotz der vielen Pilger wieder gut schlafen. Bereits früh am Morgen begann es an allen Ecken an zu rascheln. Es sollte wie in den vergangen Tagen wieder recht heiß werden und so machten sich viele bereits in der Dunkelheit auf den Weg. Am Morgen war es doch recht angenehm und erträglich zu laufen. Ab der Mittagszeit musste man schon die Sonne lieben um zu dieser Tageszeit noch zu pilgern. Mir machte die Hitze eigentlich nichts aus, aber da man in den Herbergen sowieso nicht mehr einschlafen konnte machte ich mich auch auf den Weg. Im großen Aufenthaltsraum herrschte reges Treiben. Man hatte den Eindruck viele waren noch in der Findungsphase, hatten doch die meisten keine Pilgererfahrung. Man war mit sich beschäftigt. Viele hatten schon die ersten Blessuren und mussten diese am Beginn des Tages verarzten. Als erfahrener Pilger sah ich den Leuten dabei zu und fragte, ob sie etwas bräuchten. Die meisten waren gut ausgerüstet und hatten für die Blessuren, meist Blasen, etwas dabei. Neben mir packte gerade eine Frau ihren Rucksack. Sie hatte ein rotes T – Shirt mit der Aufschrift „Loreal Deutschland“ an. Da ich aufgrund der Aufschrift vermutete, das sie Deutsche war, sprach ich sie an. Sie freute sich, das ich sie ansprach. Uschi, eine sehr sympathische Frau, kam aus Baden Württemberg und war keine Friseuse, was man durch die Aufschrift eventuell annehmen konnte. Sie hatte ihren Weg in Pamplona begonnen und war recht zügig unterwegs. Nach einiger Zeit kreuzten sich unsere Wege wieder. Sie war mittlerweile mit Xenia, einer Studentin aus Stuttgart unterwegs. Diese hatte das gleiche Tempo wie Uschi. Wir unterhielten uns recht angenehm eine Weile, aber leider konnte ich ihrem Tempo nicht folgen. Sie war recht durchtrainiert und absolut fit für ihr Alter. Schade, aber wir verstanden uns auf Anhieb und ich hätte gerne noch etwas mit ihr geplaudert. Eigentlich hatte ich erwartet sie nicht mehr zu treffen, aber dazu später mehr. Mittlerweile hatte sich die Schar der Pilger etwas gelichtet und es war nicht mehr ganz so viel wie am Anfang des Weges. Ab und zu traf man wieder auf ein paar bekannte Pilger aus Orisson und freute sich beim Wiedersehen. Beim wiedersehen nannten wir uns Mitglieder der „Orisson Family“. Mit jeder Begegnung wurden wir immer mehr eine verschworene Gemeinschaft, was sich bis Santiago fortsetzen sollte. Aber auch dazu später mehr. So etwas kannte ich von den Caminos vorher nicht. Man war ja nicht mit so vielen wie in Orisson gemeinsam gestartet, sondern immer zu zweit. Werner war wieder mit mir ein Stück des Weges unterwegs und wir hatten einander viel zu erzählen. Jeder hatte so seine Geschichten zu erzählen und da wir das gleiche Lauftempo hatten, war es kein Problem miteinander zu gehen. Irgendwie gab es auch einige Paralellen zwischen uns. Werner war vom Typ her eher ein Mensch wie Edgar mein Freund. Er hatte auch bei der Armee lange gedient, was man ihm auch anmerkte, genau wie man es auch meinem Freund Edgar anmerkte. Er kam auch aus einer Landwirtschaft und hatte früh seinen Vater verloren, genau wie ich. Er hatte auch annähernd mein Alter und auch 2 Töchter. Seine jüngste war ebenso wie meine Tochter Theresa Ergotherapeutin. Konnte das alles Zufall sein. Jedenfalls verstanden wir uns recht gut und Werner hatte in mir einen erfahrenen Pilger gefunden, der ihm Insiderwissen vermitteln konnte. So hatte er anderen Pilgern einiges voraus, was das betraf. Werner war ja das erste mal als Pilger unterwegs. Nach einiger Zeit kam die Ortschaft Lorca. Dort gab es noch immer die Wein Bodega in der wir 2016 den Geburtstag einer Pilgerin aus Ungarn feierten. Manche Orte und Erlebnisse kommen dann wieder beim gehen und sehen in den Sinn. Ich hatte für Zuhause eine kleine Whatts App Gruppe „Camino 2022“ gegründet, auf der ich jeden Tag Bilder schickte, damit ein kleiner Kreis, der in der Gruppe war an meinem Camino teilhaben konnte. Werner war ein leidenschaftlicher Fotograf im Gegensatz zu mir. Da ich ja die meisten Orte und den Weg schon kannte machte ich zugegebener Maßen sehr wenige Bilder. Zum Glück hatte ich Werner, der alles in Bildern, vor allem Landschaften, festhielt und mir am Ende des Tages die Bilder schickte. Ich für meinen Teil machte lieber Bilder von Pilgern mit denen ich in Kontakt war. Für die Zeit des Camino hatte ich meine Handynummer deaktiviert und mir eine andere Nummer zugelegt, so das sich die medialen Kontakte in Grenzen hielten. Auch hatte ich nicht vor den Blog live zu schreiben, sondern erst zu Hause mein Tagebuch zu schreiben. Eigentlich wäre das Tagesziel gemäß dem Outdoor Pilgerführer heute Estella gewesen, aber ich wollte irgendwann antizyklisch unterwegs sein. Nicht die großen Orte anlaufen, sonder einfach dazwischen in den kleinen Orten. Lelia hatte gerade geschrieben, sie wäre in Ayegui. Dies lag einige Km nach Estella. Ich freute mich von ihr zu hören und fragte ob den dort noch Platz in der Herberge sei. Da Ayegui kein Hauptort war gab es noch reichlich Platz und so entschloss ich mich auch dort hin zu gehen. Werner wollte eigentlich in Estella bleiben. Ich hatte den Eindruck, das er es etwas langsamer angehen lassen wollte. Ich meinte zu ihm, das er doch in Estella bleiben könnte. Wir würden uns schon wieder sehen. Der Camino verliert niemanden. Ich für meinen Teil freute mich auf Lelia, meinen Caminoengel. Estella war ein sehr schöner Ort. Wir legten dort noch eine Pause in einem der gemütlichen Cafes ein. Herrlich in den kühlen Gassen zu sitzen, eine eiskalte Cola zum aufputschen und die vorbeiziehenden Pilger beobachten. Hier kam ich mit der Bedienung des Cafes ins Gespräch, eine Schwedin, die es hierher verschlagen hatte, Mein Englisch wurde von Tag zu Tag besser und ich konnte wenigstens einen einfachen Smalltalk halten. Werner entschloss sich kurzerhand doch noch die paar Km nach Ayegui mit zu gehen. An der Herberge in Ayegui stand ein Schild 100 km. Wahnsinn, die ersten 100 km von insgesamt 800 km waren geschafft. Wie schnell doch die Zeit verging. Die Herberge war in der Sporthalle der Gemeinde integriert. Hier gab es sogar ein kleines Restaurant und eine Bar. Lelia begrüßte uns schon ganz freudig. Es war sehr wenig los in der Herberge. Nach der üblichen Routine, Duschen und Wäschewaschen musste erstmal der Durst gelöscht werden. Radler in eisgekühlten Gläsern war mittlerweile mein Lieblingsgetränk geworden. Lelia trank keinen Alkohol und Werner zog Bier vor. Belgier sind eben Biertrinker. Im Schlafsaal, der sehr großzügig war hatte Werner sein Bett neben 2 Spaniern. Diese sahen seinen Rucksack und fragten auf welcher Expedition er sich befindet. Werner hatte einen riesigen Rucksack mit insgesamt 19 kg Gewicht. Die beiden Spanier, Carlos aus Madrid und Francesco aus Barcelona waren lustige Typen und machten sich einen Spaß daraus alles zu erraten was Werner so alles im Rucksack haben könnte. Ein lustiger Nachmittag. Lelia und ich machten uns auf zu einem Decathlon Geschäft, das es ganz in der Nähe gab. Die Gummipuffer meiner Walkingstöcke hatten schon den Geist nach 100 km aufgegeben und ich wollte neue kaufen. Ebenso hatte ich mein Messer zu Hause vergessen und konnte hier eines kaufen. Lelia machte ebenso einige Besorgungen. Für den Abend hatten wir uns im Restaurant angemeldet für das Abendessen. Es waren ja nur wenige Pilger da. Das Essen war hervorragend und auch die Unterhaltung mit den beiden Spaniern Francesco, der ein Restaurant in Barcelona hatte und Carlos der Fliesenleger war. Carlos konnte etwas deutsch, da er als Fliesenleger einige Jahre in Deutschland gearbeitet hatte. Das Thema war weiterhin der Rucksack von Werner, was alle erheiterte. Irgendwann kam dann das Gespräch auf den Grund warum man den Weg geht. Carlos und Francesco waren beide im christlichen Glauben auf dem Weg. Sie machten jedes Jahr den Weg in Etappen. Am morgigen Tag sollte für dieses Jahr ihre letzte Etappe sein. Sie hatten heute hier ihr Abschiedsessen. Francesco sagte, sein Traum wäre, Sand vom Strand in Barcelona, seiner Heimat, an den Strand von Finisterre zu bringen und dort zu vermischen. Irgendwann zu fortgeschrittener Zeit wurde es dann philosophisch und Carlos sagte einen Satz, den ich mir merken wollte. Este es el la Camino – So ist der Camino, und er meinte damit, das man den Weg und auch das Leben so nehmen muss wie es gerade ist. Eine Einstellung die uns die Südeuropäer voraus haben. Jedenfalls wieder einer der schönen Abende auf dem Camino – Seele des Camino. Im Nachhinein fiel dann doch ein kleiner Schatten auf diesen Abend. Werner hatte an diesem Tag Geburtstag und uns nichts davon gesagt. Heraus kam es einige Wochen später kurz vor Ende des Camino, als die Mutter von Lelia ihm beim buchen des Rückfluges half und er sein Geburtsdatum angeben musste. Eigentlich kein schönes Verhalten unter Pilgern die miteinander den Camino pilgern. Keiner hätte von ihm erwartet das er etwas ausgeben müsste. Aber so ist es manchmal auf dem Caminio das man sich in manchen Menschen täuschen kann und etwas an Ehrlichkeit auf der Strecke bleibt. Ich muss zugeben, das mich dies im Nachhinein schon etwas entäuscht hat, zumal ich doch einige Zeit mit Werner gepilgert bin.

15.08.2022 5. Etappe Pamplona nach Puente de la Reina

Die Nacht war auch hier ruhig und ich konnte wieder gut schlafen. Ich träumte sogar in den letzten Tagen sehr intensiv. Leider wusste ich nicht mehr was ich geträumt hatte am nächsten Morgen. Heute morgen war der Frühstückstisch schon für uns gedeckt. Bei guter Unterhaltung lies ich mir das Frühstück schmecken um mich anschließend von den Hospitaleros zu verabschieden. Ich lies ihnen ein Spruchkärtchen ziehen. Diese Spruchkärtchen hatte ich dabei für besondere Menschen denen ich auf den Weg begegnen sollte. Die beiden freuten sich darüber und verabschiedeten mich herzlich. Zu meiner Überraschung stand Werner der Belgier schon draußen und wartete auf mich und auch Werner aus dem Hunsrück wollte sich mit mir auf den Weg machen. Er war aber noch nicht fertig. Er bat uns auf ihn zu warten, was wir dann auch machten. Schließlich kam er zurück und sagte, das er trotzdem heute wieder mit Laura gehen würde. Ich sagte zu ihm, das wir uns wiedersehen, der Camino verliert ja schließlich niemanden. Eigentlich wollte ich ja alleine den Weg gehen und hatte nicht erwartet, das jemand mit mir ein Stück des Weg gehen wollte. Eigentlich ja auch kein Problem wenn man mit jemanden ein Stück geht, mit dem man nicht zusammen losgegangen ist. Es ist alles unverbindlich und man kann sich ja wieder trennen und auch später wieder treffen. Es besteht ja keine Verpflichtung jemanden gegenüber. Und doch ist es schön unterwegs von Zeit zu Zeit sich zu unterhalten. Es ist doch etwas anderes wenn man mit jemanden fremden pilgert als mit einem Freund zusammen los zu pilgern, wie ich mit meinem Freund Edgar bei unseren Weg von Zuhause nach Santiago de Compostela und sogar bis ans Ende der Welt. Ich für meinen Teil hatte mir vorgenommen den Weg so zu gehen wie ich es wollte. Wer dann mit mir ein Stück gehen wollte musste sich nach mir richten. Werner war dazu anscheinend bereit um mit mir pilgern zu können. Es war noch etwas dunkel und man musste noch ein ganzes Stück durch Pamplona gehen. In den Städten ist es meist nicht immer angenehm zu gehen und nervt meist etwas. Nach einiger Zeit hatte man die Stadtgrenze erreicht und es ging auf wunderschönene Wegen in den Ort San Andres. Dort hatte ich mit Edgar 2016 übernachtet. Die Herberge erkannte ich gleich wieder, auch die schöne Kirche in diesem Ort erinnerte mich an damals. Irgendwie war es schon komisch. Manches kam einen gleich wieder bekannt vor, anderes wieder hatte man nicht mehr so im Gedächtnis. Nach dieser Ortschaft ging es dann beständig und langanhaltend bergauf. Man merkte den Wind, was sehr angenehm bei der Hitze war. Vor den Augen hatte man schon den Berg mit den vielen Windrädern. Total verschwitzt kamen wir auf diesem Berg, dem Alto Perdon, an und man brauchte eine Windjacke um sich nicht zu erkälten. Dort oben steht das Kunstwerk mit den vielen Metallfiguren, was man auf allen Kalendern die mit dem Jakobsweg zu tun haben findet. Giacomo und seine Freundin waren fast zeitgleich mit mir oben angekommen und wir machten zusammen Erinnerungsfotos. Danach ging es auf einer Geröllpiste einige km bergab. Man musste schon extrem gut aufpassen um hier nicht zu stürzen. Werner hatte beim Bergabgehen einige Probleme und war sehr vorsichtig unterwegs. Ich hingegen hatte dabei eigentlich keine Probleme. Auch einige Radfahren fuhren diese Schotterpiste hinunter und machten dabei keine guten Erfahrungen. Einige standen am Wegrand und hatten einen Platten gefahren. Am Ende des Berges wartete ich auf Werner und wir gingen dann wieder ein Stück des Weges zusammen. Unterwegs hatte ich mir angewöhnt zwischendurch immer wieder mal eine eiskalte Cola zu trinken um den Zuckerhaushalt wieder ins Lot zu bringen. Schon am frühen Nachmittag kam ich in Puente de la Reina an. Die Kirchliche Herberge war am Ortsrand gelegen. Sie hatte ich mir heute als Unterkunft ausgewählt. Beim Ankommen war sie schon recht gut belegt, aber es war kein Problem ein Bett zu bekommen. Nach der allträglichen Routine musste erst mal wieder der Durst gelöscht werden. In einer Bar, die in der Nähe der Kirche gelegen war fand ich mit Werner eine schönen Platz zum sitzen. Hier konnte man die Pilger und Passanten beobachten und den Tag genießen. Werner war es immer wichtig eine W-Lan Verbindung zu haben. Das ging sogar so weit, das er sogar die Bar wechselte, wenn es dort kein W-Lan gab. Diese permanente Ereichbarkeit ist eigentlich nicht der Sinn des Weges, aber Werner wurde regelmäßig nervös, wenn es kein W-Lan gab. Ich machte mich des öfteren mal darüber lustig und sagte, das mein Buch, das ich eines Tages schreiben werde, den Titel tragen wird: Nichts ist Zufall – und nicht überall gibt es W-Lan. Darin würde er dann auch vorkommen. Ich musste dabei an die Begegnung mit einem Hospitalero in Castrojerez 2016 denken, der sagte es würde ihm tierisch aufregen, das die erste Frage der Pilger ist: Habt ihr W-Lan? Und nicht wie früher, habt ihr ein Bett und wann ist Pilgermesse. Ich hatte gerade richtig Hunger, aber die Bar machte erst ab 15.00 Uhr was zu Essen und so blieb nichts anderes übrig als zu warten. Wir bestellten uns eine Vorsuppe und eine Paella, dazu ein eiskaltes Radler. Einfach genial. Nach einiger Zeit kam Marc, ein Belgier, den Werner vor 2 Tagen bereits getroffen hatte zu uns an den Tisch. Gleich darauf kam noch ein älterer Franzose, den Marc kannte und mit dem er zusammen unterwegs war, zu uns an den Tisch. Eine weitere Französin namens Juliett setzte sich auch noch dazu. Eine Ilustre Runde, leider konnte ich mich nicht mit ihnen unterhalten. Es war mittlerweile 17.00 Uhr geworden und plötzlich stand Magdalena vor mir, und sagte das jetzt Pilgermesse sei. Ich entschloss mich mit ihr zu gehen. Die anderen hatten daran keinerlei Interesse. Die Kirche war gleich in der Nähe der Bar. Die Kirche war für einen Sonntagnachmittag relativ gut besucht, vor allem von Pilgern, was mich diesmal überraschte. Ich war froh, das Magdalena mich mitnahm. Am Ende der Messe bat der Pfarrer die Pilger nach vorne und erteilte den Pilgersegen. Dazu bekam jeder ein kleines goldenes Kreuz. Hier spürte man wieder mal die Seele des Camino. Ich wollte mich auf den Rückweg zur Herberge machen und kam an der Bar wieder vorbei. Sie saßen immer noch da, mittlerweile tranken sie alle Sangria. Einige Pilger vertragen schon eine ganze Menge. Zurück in der Herberge sammelte ich zuerst meine trockene Wäsche ein und setzte mich noch etwas in den Garten der Herberge. Heute ging ich recht früh zu Bett.

14.08.2022 4. Etappe Zubiri nach Pamplona

Die Nacht im Schlafsaal war trotz der vielen Pilger relativ ruhig. Ich schlief richtig tief und fest und wachte kaum mal auf. Wenn ich aufwachte schlief ich auch gleich wieder ein. Entweder lag es an der Müdigkeit und der Hitze, oder sollte sich jetzt schon nach 4 Tagen die Entspannung eingestellt haben. Es konnte natürlich auch daran liegen, das ich schon unzählige Nächte in solchen Schlafsälen verbracht hatte im Gegensatz zu den meisten anderen Pilgern. Viele konnten sich damit anfreunden, aber es gab auch viele die es nach dem ausprobieren in den großen Herbergen sich nicht mehr antun wollten. Sie wollten einen gewissen Luxus und eine größere Privatsphäre, die hier nicht gegeben war. Was für diese Pilger natürlich zur Folge hatte, das sie die Unterkünfte vorbuchen mussten. So kam es dann des öfteren vor, das man von vollen Orten sprach und es würde keine Betten mehr geben. Dies war nur in den Privaten Herbergen meist der Fall. Die Gemeindeherbergen und die kirchlichen Herbergen die man nicht vorbuchen konnte hatten immer genügend Platz. So herrschte unter den Pilgern immer eine gewisse Unsicherheit bezüglich eines Bettes für die Nacht. Da ich immer in vorzugsweise kirchlichen Herbergen und Gemeindeherbergen übernachten wollte, hatte ich damit kein Problem und konnte immer frei entscheiden wie weit ich gehen wollte. Als heutiges Ziel hatte ich mir Pamplona gewählt, zum einen waren es so an die 21 km und zum anderen wollte ich in die deutsche Pilgerherberge Casa Paderborn. Dort war ich noch nicht gewesen und hatte immer wieder mal gelesen das dort die Atmosphäre sehr schön sein sollte. Unterwegs machte ich des öfteren eine kleine Pause um mich zu stärken. Gegen Mittag ereichte ich schon die Stadtgrenze. Werner hatte sich mir wieder angeschlossen und so gingen wir gemeinsam zur Casa Paderborn. Diese lag in der Nähe eines Flußufers etwas ausserhalb vom Zentrum. Bei der Ankunft hatte die Herberge noch nicht geöffnet, aber die beiden deutschen Hospitaleras sagten, wir sollen unter der Pergola warten bis sie offiziell öffnen würden. Lelia war bereits da, sie war ja ziemlich schnell unterwegs, so auch an diesem Tag. Ich freute mich sie wieder zu sehen. Irgendetwas verband uns auf diesen Weg. Danach kam auch noch Andre, ein junger sehr sympathischer Mann, dazu. Er kam aus Rumänien und sprach hervoragendes englisch und französisch. Rumänen traf man eigentlich selten auf dem Camino. Wir durften die in der Pergolalaube herunterwachsenden Weintrauben pflücken und essen. Nun kam zu unserer Überraschung auch noch Werner aus dem Hunsrück zusammen mit Laura in der Herberge an. Wir freuten uns die beiden zu sehen. Werner erzählte uns seine Odysee vom verlorenen Personalausweis. Er fuhr mit dem Taxi zurück nach Roncesvalles um selbst nach dem Ausweis zu suchen, aber auch ohne Erfolg. Er verständigte auch die Gardia Civil, diese waren sehr auf Pilger bedacht und machten sich auch nochmal auf den Weg ins Kloster und in die Bars in denen Werner gewesen war. Aber auch sie hatten keinen Erfolg. Werner machte dadurch schon einen niedergeschlagenen Eindruck. Aber die Hospitaleros in Pamplona waren sehr hilfsbereit und telefonierten mit den entsprechenden Stellen. So konnte Werner wenigstens mit seinem Foto vom Ausweis in die Herbergen kommen. Auch sprachen sie mit der Post in Burgos. Werners Frau sollte ihm seinen Reisepaß nach Burgos in die Post schicken, damit er ihn dort abholen konnte. Er war danach dahingehend etwas beruhigter. Da wir alle noch nichts gegessen hatten machten wir uns nach dem Duschen und Wäsche waschen auf den Weg in die Stadt um etwas zu Essen. Leider waren wie immer die Restaurants am Nachmittag noch geschlossen und so blieb uns ein in der Nähe liegender Burger King. Auch hier kann man satt werden. Die Bestellung gaben wir an einem Monitor ein und auch die Bezahlung erfolgte per Kreditkarte. Da alles für mich etwas verwirrend wirkte tippte ich einiges am Bildschirm an. Auf dem Bon zum abholen stellte sich dann heraus, das ich auch ein Beachvollyball Set bestehend aus 2 Schlägern und einem Softball im Wert von 4,90 Euro bestellt hatte. Meine Mitpilger machten sich darüber natürlich lustig. Ein schönes Bild hätte ich abgegeben, ich mit meinem Beachvollyballset am Rucksack auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Aber zum Glück war ja mein Caminoengel Lelia bei mir. Sie machte den Spaniern auf Englisch klar, das dies eine Fehlbestellung war und ich bekam mein Geld wieder zurück. Wir liesen uns den Fastfood schmecken und tauschten dabei allerlei Geschichten untereinander aus. Danach kauften wir uns noch etwas fürs Abendessen in der Herberge. Lelia und Werner aus dem Hunsrück gingen zurück zur Herberge. Werner der Belgier wollte unbedingt zur berühmten Bar Iruna in der Ernest Hemigway seine Tage in Pamplona verbrachte. Werner hatte keine Ahnung wo diese sein sollte. Aber es gab ja Google Maps. So navigierte er uns durch die Stadt. Der Weg ging kreuz und quer bis wir etwas außerhalb in einem Wohngebiet waren. Dort merkte er, das er etwas nicht aktualisiert hatte. Wir gingen gefühlte 10 km bei großer Hitze durch die Stadt um festzustellen das unser Ziel die Iruna Bar eigentlich nur einige 100 m vom Burger King entfernt war. Werner war es sichtlich peinlich und sagte, das er mir für den Umweg ein Bier spendieren würde. Im Cafe Iruna war es ziemlich voll, aber wir fanden trotzdem noch einen Sitzplatz. Hier ließen wir uns erstmal das Eiskalte Bier schmecken. Auf dem Rückweg machten wir noch einige Bilder von den Absperrungen die für San Fermin, die berühmte Stierhatz aufgebaut waren. Jetzt war es aber genug mit Sightseeing in Pamplona. Ich wollte nur noch zurück in die Herberge und noch etwas relaxen und auch mit den Pilgern unterhalten. Werner, Laura und Lelia saßen gemütlich unter der Weinlaube und liesen es sich gut gehen. Es wurde noch ein schöner Abend und gegen 22.00 Uhr ging es zu Bett.

13.08.2022 3. Etappe Roncesvalles nach Zubiri

Die Nacht war ruhig, obwohl die Herberge ziemlich voll war. Aber das kannte ich ja schon. Die Welle rollt eben bis sich irgendwann wieder verläuft. Um 6.00 Uhr wurden wir im Schlafsaal von den Holländischen Hospitaleros mit Gesang und Mundharmonikamusik geweckt. Ein sehr schöner Brauch. In der Nacht kam mir der Gedanke Werners Ausweis könnte ja auch unter dem Tresen der Anmeldung gerutscht sein, war der Boden dort doch ziemlich uneben. Also leuchtete ich mit dem Handy darunter alles aus. Aber ohne Erfolg. Auch die Hospitaleros suchten auf meine Bitte nochmal alles ab. In der Herberge gab es kein Frühstück und so machte ich mich noch in der Dunkelheit und kühlen Temperaturen auf den Weg um der Mittagshitze zu entgehen. Gleich nach dem Kloster kam das berühmte Schild mit der Km Anzeige von 790 km bis Santiago. Bereits an der ersten Bar war schon alles voll. Ich ging daran zunächst vorbei und dachte mir, das ich schon noch etwas zum Frühstücken finden werde. So war es dann auch. In einer der nächsten Bars ging ich frühstücken. Tortilla und Cafe con Letche, was echt spanisches. Nach Roncesvalles geht es ja ziemlich flach dahin, keine so Steigungen wie nach St. Jean pied de Port und so ging es an diesem Vormittag Schritt für Schritt voran. Nach einem kurzen Abstieg kam eine etwas größere Straße die man überqueren musste. Hier stand die Guardia Civil und geleitete die Pilger teilweise über die Straße. Auf der anderen Seite stand ein Foodtruck. Hier gönnte ich mir eine eiskalte Cola um den Zuckerhaushalt wieder ins Lot zu bekommen. An einem Tisch saßen 2 Pilger die ich schon in Orisson gesehen hatte und ich fragte ob ich mich dazu setzen dürfte. Es waren Scott und Terry aus den USA. Er sagte, das der Platz an ihrem Tisch einen Euro kosten würde. Ich musste dabei schmunzeln und meinte nur, ich würde ihm den Euro in Santiago geben. Das gefiel ihm, und seine Frau sagte, in Amerika zählt nun mal nur das Geld. Nur wer Geld hat ist dort auch etwas. Ich dachte bei mir, da ist ja der Camino das genaue Gegenteil davon. Vielleicht ist es das, was sie suchen, und dafür eine so lange Anreise in Kauf nehmen um den Camino de Santiago zu pilgern. Jedenfalls machten beide einen sehr sympathischen Eindruck. Neben unseren Tisch stand auch Werner der Belgier, er hatte ja den Schlafplatz neben mir in Roncesvalles. Ich hatte den Eindruck, er traute sich nicht zu fragen, um sich zu uns zu setzen. Nachdem Scott und Terry gegangen waren kamen wir etwas ins Gespräch und machten uns zusammen auf die letzten Km des Tages. Mein Ziel sollte heute Zubiri sein und Werner schloss sich mir spontan an. Am Ortseingang von Zubiri stand das Hinweisschild zur Herberge Municipal. Die Gemeindeherbergen kann man genauso wie die kirchlichen Herbergen nicht im Voraus buchen, deshalb war es bei diesem Camino mein Plan möglichst in solche Herbergen zu gehen. Die Herberge war bei unserer Ankunft schon ziemlich gut belegt, aber wir bekamen ohne Probleme einen Platz. Nach der täglichen Routine Duschen und Wäschewaschen setzte ich mich in den Garten der Herberge. Dort war auch Giacomo mit einem anderen Italiener und wir hatten eine nette Unterhaltung. Die Fragen sind ja auch meist die gleichen. Warum bist du hier oder warst du schon mal auf dem Camino. Gerade bei der 2. Frage war es mir manchmal unangenehm zu sagen, das ich diesen Weg schon mal von Zuhause aus gemacht hatte. Ich wollte damit einfach nicht angeben. Meist konnte ich die Frage etwas umschiffen, aber viele merkten einfach, das ich schon viele Caminos gepilgert hatte. Manchmal machte es mich auch etwas Stolz, wenn die anderen Pilger einen dafür bewunderten, so wie es Giacomo heute tat. Werner wollte noch etwas ins Zentrum von Zubiri gehen, die Herberge lag etwas ausserhalb und ich beschloss mit zu gehen. Dort gab es eine Bar und es waren auch schon einige Pilger dort. Bei der Nachmittagshitze ein eiskaltes Radler zischen, ein Traum. Man stellte die Gläser einfach ins Gefrierfach und anschließend das Radler einschenken, einfach Genial erfrischend. Es half auf jeden fall gegen den Durst. Wir setzten uns zu einem Pilger der alleine an einem Tisch saß. Es war Robert aus den USA, genauer gesagt aus Texas. Auffallend viele Amerikaner in diesem Jahr auf dem Camino. Robert war ein typischer Texaner mit Texashemd und Cowboystiefeln. Zudem hatte er die Texanische Flagge an seinem Rucksack. Wenn man ihn alleine auf einer Dorfstraße gesehen hat, fehlte nur noch der Sheriffstern und der Colt und das Klischee hätte gepasst. Ich fragte ihn, ob er denn in diesen Cowboystiefeln den Camino gehen würde. Ja, war seine Antwort. Er hatte sie 300 Km zu Hause eingelaufen. Wahnsinn, mit solchen Schuhen auf dem Camino. Robert war ein sehr gläubiger Mensch. Leider war hier wieder mein Sprachproblem das ein tiefgründigeres Gespräch verhinderte. Mittlerweile hatte ich einen Bärenhunger. Leider gab es in der Bar am späten Nachmittag nichts zu Essen und der kleine Supermercado hatte geschlossen. Es war eben Sonntag, das hatte ich nicht bedacht. Auch machten die Restaurants in Spanien meist erst um 20.00 Uhr auf. Die Spanier machen meist um 15.00 Uhr Mittag und ab 20.00 Uhr Abendessen. Für uns natürlich etwas spät, ging man doch meist etwas früher zu Bett. Nach einigen Nachfragen sagte man uns, das es am Ende der Ortschaft ein Restaurant geben würde, das bereits ab 18.00 Uhr etwas zu Essen macht. Wir bestellten uns dort ein Pilgermenü und damit war der Hunger gestillt. Auf dem Weg zurück in die Herberge zeigte die Temperaturanzeige um 20.00 Uhr noch 42 Grad. Wahnsinn diese Hitze noch am späten Abend. Auch in der Herberge war es unbändig warm, man lag ohne Schlafsack auf dem Bett und schwitzte trotzdem. Erst gegen 22.00 Uhr wurde es etwas kühler.

12.08.2022 2. Etappe Orisson nach Roncesvalles

Obwohl der Schlafsaal mit 8 Pilgern voll war konnte ich wesentlich besser schlafen als gestern in Bayonne. Ab 6.00 Uhr gab es ein gemeinsames Frühstück und anschließend machten sich alle nach und nach auf den 17 km langen Weg zum Kloster Roncesvalles. Am Morgen war es noch recht kühl und es war angenehm im Gegensatz zu gestern. Ich wollte es nach der negativen Erfahrung des Vortages langsam angehen und hoffte nicht wieder auf so ein Erlebnis wie gestern. Zudem wusste ich, das es nicht mehr so große Steigungen gibt. Lange Zeit lief ich ganz alleine, es war kein Pilger zu sehen und so nach und nach stellte sich das Pilgerfeeling wieder ein. Die Ruhe in den Bergen wurde nur von den Wildpferden und Schafherden unterbrochen. Nach einiger Zeit kam ich an die Marienstatue und verweilte dort einige Zeit. Heute hatte ich weder Muskelkater noch andere Beschwerden und mir wurde klar, das es gestern ein Ausnahmetag war. Zwischenzeitlich traf ich wieder mal Werner aus dem Hunsrück. Wir machten eine gemeinsame Pause und tauschten dabei allerhand Begebenheiten aus. Heute konnten wir schon über den gestrigen Tag wieder lachen. Ein junges Mädchen, Laura aus dem Ruhrgebiet gesellte sich zu uns und wir setzten den Weg dann zu dritt fort. Irgendwann kam der Abstieg nach Roncesvalles und Werner blieb mit Laura etwas zurück. Laura hatte keinerlei Erfahrung mit längeren Wegen und Werner gab ihr einige Tipps für den Abstieg. Ich stellte mittlerweile fest, das ich leichter Bergab als Bergauf ging. Beim Abstieg traf ich auch Magdalena aus Polen wieder und wir gingen den Weg gemeinsam bis zum Kloster. Unterwegs erzählte sie mir, das sie als junges Mädchen 1989 in Monte de Gozo und Santiago de Compostela beim Besuch von Papst Johannes Paul II dabei war. Und jetzt macht sie diesen Camino. Eine Reise in die Vergangenheit. Wir kamen gegen 13.00 Uhr schon am Kloster an und es hatte noch nicht geöffnet. Lelia war bereits mit Jenn, sie kam aus London, vor uns angekommen und beide warteten im Cafe nebenan. Werner und Laura trafen auch ein und sagten, das sie hier nicht übernachten würden, denn sie wären noch so fit um noch etwas weiter zu gehen. Es kam mir schon etwas seltsam vor, am Vortag hatte er die gleichen Probleme wie ich, er musste sich sogar im Gegensatz zu mir die letzten km fahren lassen, und heute hat er die Kraft weiter zu gehen. Schon seltsam. Ich habe ihn davor abgeraten, aber er und Laura waren optimistisch das zu schaffen. Ich für meinen Teil war froh diese Strecke geschafft zu haben und war mir nach diesem Tag sicher, das ich den Weg bis Santiago schaffe. Nach und nach trafen die Pilger ein und ich konnte mir einen Platz im Kloster buchen. Ich kannte ja alles hier und fühlte mich gleich wieder daheim. In der Viererschlafkoje war neben mir Lelia und Werner, ein Belgier. Er sprach deutsch, kam er doch aus der Nähe zur deutschen Grenze. Zunächst war Duschen und Wäschewaschen angesagt und danach etwas relaxen. Zusammen mit Lelia ging ich einen Kaffee trinken und wir konnten uns dabei unterhalten. Ich hatte meinen Caminoengel schon ins Herz geschlossen. Lelia schrieb sehr intensiv Tagebuch und ich meinte nur zu ihr, sie solle mir noch ihr Tagebuch für einen Eintrag überlassen bevor sie mir davonläuft. Ich durfte dann auch gleich etwas persönliches ins Tagebuch schreiben. Wie bereits 2016 gab es das Abendessen im Restaurant La Posada. Hier hatte sich nichts verändert. Beim Abendessen saß ich an einem Tisch mit Lelia, Werner und einigen Italienern, darunter Giacomo und seiner Freundin. Giacomo heißt ja im Italienischen Jakobus, und somit war es sein Weg. Ich grüßte ihn immer besonders, den Jakobus, was ihn immer besonders freute. Nach dem Abendessen war dann Pilgermesse und Pilgersegen in der nebenan gelegenen Kirche. Hier spürte man die Seele des Camino. Ist es das nach was man sucht? Nach dem Gottesdienst war es dann Zeit sich ins Bett zu begeben. Werner aus dem Hunsrück schickte mir ein Whatts App, in der er schrieb, das er in Roncesvalles seinen Personalausweis verloren hätte, und ich sollte mal nachfragen, was ich auch tat. Leider erfolglos. Er tat mir schon leid. Das erste mal auf dem Camino, und dann gleich am zweiten Tag den Ausweis verloren. Denn ohne Personalausweis kommt man ja nicht in die Herbergen. Zum Glück hatte er ihn als Foto auf dem Handy.