
Die Nacht im Schlafsaal war ruhig, waren wir doch sehr wenige Pilger. Frühstück gab es heute nicht, und so musste man unterwegs nach einer geeigneten Bar suchen. Auf dem Camino Frances ist dies aber kein Problem. Es gibt in fast jeden Ort eine oder mehrere Bars und Restaurants. Diese haben meist auch schon am frühen Morgen geöffnet, wissen sie doch, das viele Pilger in den heißen Sommermonaten bereits früh unterwegs sind. Eine Tortilla und dazu ein Cafe con Letche, was wollte man mehr. Ich war nun schon mehr als 1 Woche unterwegs und hatte mich schon etwas eingelaufen obwohl diesmal alles um einiges anstrengender als beim Camino 2017. Strecken über 25 km wollte ich aufgrund meines Handicaps sowieso nicht gehen, zumal ich ja keinerlei Termindruck hatte. In den letzten Jahren hatte ich zunehmend Probleme beim gehen. Die Ärzte diagnostizierten eine Polyneuropathie, eine Nervenerkrankung, bei der ich den Fuß nicht mehr abrollen kann. Beim Gehen platscht es dann. Ich kann nicht mehr auf Verse und Zehenspitzen stehen. Ein schleichender Prozess, den ich irgendwie nicht wahrgenommen habe oder auch nicht wahrhaben wollte. Deshalb zögerte ich auch bei der Entscheidung nochmal auf den Camino zu gehen. Aber meine Frau Heike und meine Chefin Rita haben mich immer bestärkt diesen Weg nochmal zu wagen. Ich hatte zwar keine Schmerzen beim Gehen , aber mein Gangbild war etwas komisch anzusehen. Viele Pilger sprachen mich unterwegs darauf an und einige bewunderten meinen Mut mit diesen Handicap so eine lange Strecke zu wagen. Ein Stück des Weges ging ich heute mit Rion die von Beruf Psychologin war. Sie hatte eine richtig positive Ausstrahlung und war meist am Lächeln. Sie kam aus Belgien und war auch dort gestartet. Ich sprach ihr meine Bewunderung aus, das sie den Weg von Zuhause aus pilgerte. Sie sprach mir im Gegenzug ihren Respekt aus, was mich schon etwas Stolz machte, hatte ich doch am ersten Tag absolut gezweifelt. Aber das war keinThema mehr bei mir. Ich war mir jetzt sicher den Weg nach Santiago zu schaffen. Heute ging es recht flach dahin und war auch kaum anstrengend. Gegen Mittag erreichte ich Los Arcos. Hier hatte ich damals mit Edgar in der Herberge Casa Austria übernachtet. Auch diesmal wollte ich dort übernachten und mal schauen, ob sich etwas verändert hat. Einigen Pilgern erzählte ich natürlich immer wieder mal von Herbergen die ich bereits kannte. Manchmal traf man sich dann dort wieder und viele bestätigten mir, das sie aufgrund meiner Erzählungen dorthin gekommen sind. Beim Ankommen war die Herberge noch geschlossen. Vor dem Eingang saßen 2 Pilger darunter Robert der Texaner, der mit seinen Cowboystiefeln den Camino pilgerte. Leider war es für mich schwer mit ihm ins Gespräch zu kommen, er hatte doch einen Dialekt den ich mit meinen beschränkten Englischkenntnissen nur schwer folgen konnte. Nach und nach füllte sich die Herberge. Diese hatte sich nach der ersten Erkundung kaum verändert und es war noch alles wie es damals war. Heute allerdings war einiges los in Los Arcos. Zu dieser Zeit im August finden in den Dörfern der Navarra die Fiestas mit der traditionellen Stierhatz statt, wie man sie aus Pamplona kennt. Man feiert San Fermin und treibt dabei die Stiere durch die abgesprerrten Gassen der Dörfer. Die Jugendlichen und auch manch Ältere beweisen dabei ihren Mut in dem sie vor den Stieren herlaufen und dann wenn er näher kommt schnell über die Barrieren klettert. Danach wird bis in den frühen Morgen ausgiebig gefeiert. Was aufgefallen ist, diese Fiestas fanden auch an den Wochentagen statt. So etwas wäre in Deutschland undenkbar, zumal die Tierschützer bei uns prodestieren würden. Aber hier in Spanien legt man noch Wert auf Tradition und Brauchtum, auch wenn es vielen Touristen und Pilgern nicht gefällt. Ich finde aber, man muss die Traditionen des Landes respektieren, wenn man hier zu Gast ist, und ihnen nicht unsere Einstellung überstülpen wollen, was all zu gerne besonders deutsche Pilger gerne tun. Mit einem mal war der ganze Ort abgesperrt und man kam auch nicht zurück zur Herberge. So konnte man das Treiben im Ort verfolgen, etwas dazu Essen und Trinken. Gegen 20.00 Uhr wurden die Sperren aufgehoben und man konnte wieder zurück in die Casa Austria. Leider fand aufgrund der Fiesta an diesem Tag keine Pilgermesse in der Kirche von Los Arcos statt. Der Altar dieser Dorfkirche strahlt nur so von Gold. Es sollte eine unruhige Nacht werden, denn die Feierlichkeiten gingen jetzt erst richtig los. Nachdem ich eingeschlafen war, weckte mich nach Mitternacht ein Blaskapelle die direkt am Fenster der Herberge vorbei zog. Auch das gehört zum Camino. Irgendwie konnte ich danach nicht mehr richtig einschlafen und döste nur so vor mich hin.