
Ich entschloss mich auch heute wieder recht früh am morgen aufzustehen und los zu pilgern. Es war noch etwas dunkel auf dem Weg aus dem Ort hinaus. Die letzten Heimkehrer der Fiesta kamen einen noch entgegen. Heute war es etwas kühler geworden und dadurch recht angenehm zu laufen. Auf recht ereignislosen Wegen ging es über Torres del Rio nach Vianna einer größeren Ortschaft mit einer Kathedrale. Hier herrschte ein geschäftiges Treiben in den Gassen. Es gab gleich einige Bars und Cafes an denen man eine Rast machen konnte. In einer dieser Bars sah ich Lelia und Jenn sitzen und da noch Platz war, setzten wir uns dazu. Eine kleine Zwischenmahlzeit und ein Cafe con Letche ging immer. Es war gerade recht kalt geworden und der Wind wehte recht zugig durch die Gassen, so das man es nur mit Fleece und Windjacke aushalten konnte. Natürlich tauschte man sich aus, wie weit man denn heute gehen wollte. Die beiden hatten genau wie wir Logrono als Ziel. Jenn und Lelia waren recht schnell unterwegs. Sie wollten ebenso in die kirchliche Herberge in Logrono. Ich bat Lelia, mir kurz zu schreiben, wenn sie da ist. Nach der Pause führte der Weg in die gleich nebenan befindliche Kathedrale. Ein imposantes Bauwerk, für das man eine längere Zeit für die Besichtigung gebraucht hätte. Aber nach dem abholen des Stempels musste der Weg weiter gehen um den Rest der 28 km langen heutigen Strecke zurück zu legen. 28 km war schon eine Ansage für mich, hatte ich doch meist zum Ende der Strecke mit einer gewissen Ermüdung meines rechten Beines aufgrund der Polyneuropathie zu kämpfen. Die Gefahr des Stolperns, besonders auf den Pflastersteinen in den Städten war besonders groß. Ich hatte einige male unheimliches Glück, das ich mich noch rechtzeitig fangen konnte. Jetzt hatte man die Region Navarra hinter sich gelassen und kam in die Region Rioja, was ja eine bekannte Weinregion ist. Unterwegs lernte ich Amir kennen, ein Kanadier. Er hatte ziemlich Probleme mit Blasen an den Füßen und tat mir leid. Man sah ihm an, das jeder Schritt schmerzte, trotzdem kämpfte er sich durch und kam auch in die Herberge. Am Ortsrand von Logrono kam man an einer Institution des Jakobsweges vorbei. Lange Jahre saß unter einem Feigenbaum Maria, eine ältere Frau und begrüßte die Pilger. Sie versorgte sie mit Getränken und hatte auch einen besonderen Stempel. Als wir 2016 hier vorbeikamen war sie noch da, aber leider verstarb sie im vergangen Jahr. Aber ihre beiden Enkelinnen Patricia und Christina setzen die Tradition fort. Ein Erinnerungsfoto mit den beiden musste natürlich sein. Auch hier in Logrono war es wieder wie in allen Städten. Der Weg zieht sich endlos bis in die Stadt hinein. Kurz vor betreten der Stadt gab es eine Touristinfo wo wir uns einen Stadtplan abholten. Von hier aus war es nicht mehr weit zur kirchlichen Herberge. In diese wollte ich aus Nostalgiegründen unbedingt wieder hinein, war ich dort doch schon mit Edgar 2017 zu Beginn unserer letzten Etappen auf dem Weg nach Santiago. Ich hatte diese Herberge nur in bester Erinnerung. Vor dem Eingang warteten schon viele Pilger auf Einlass. Man musste sich in die Reihe stellen und gedultig warten, bis man drankam. Lelia kam gerade aus der Tür und berichtete, das es nur noch Matratzen auf dem Boden gäbe zum Übernachten. Die Betten waren alle schon belegt. Aber so ist das, wenn man etwas später aufgrund der langen Strecke ankommt, muss man nehmen was übrig beleibt. Ist aber nicht wirklich ein Problem unter den Pilgern. Damit haben nur Luxuspilger ein Problem. Iregndwie hatte ich die Herberge viel kleiner in Erinnerung. Die Hospitaleros gaben sich die größte Mühe um alle zufrieden zu stellen, was ihnen auch trotz des Andranges gelang. Als erstes stand wie immer Duschen und Wäsche waschen an, die übliche Routine. Der Schlafsaal mit ca. 40 Matratzen befand sich im Obergeschoß. Zum Duschen und Wäschewaschen musste man ins Erdgeschoß. Der Waschplatz befand sich im Innenhof der Herberge und dort kam ich mit einem jungen Deutschen ins Gespräch. Dominik, so der Name des jungen Mannes. Er kam aus Würzburg und studierte in Hamburg Flugzeugbau. Ein sehr sympathischer Pilger, der noch einige male meinen Weg kreuzen sollte. Im Anschluss begaben Werner und ich uns in die Stadt um den Durst zu löschen und einen kleinen Snack zu uns zu nehmen. Wir wollten auch die Kathedrale besichtigen, jedoch war diese noch geschlossen und sollte erst später öffnen. So mussten wir warten und nutzten die Zeit um in einem Cafe die vorbeilaufenden Pilger zu beobachten. An unseren Tisch setzten sich 2 Spanier, die geschäftlich in Logrono waren und fragten uns nach unseren Besuchsgrund von Logrono. Als sie hörten, das wir Pilger sind und in St. Jean pied de Port gestartet sind, waren sie voller Hochachtung, das wir uns dem aussetzten. Endlich hatte die Kathedrale geöffnet und wir konnten diese besichtigen. Ein Imposantes und geschichtsträchtiges Bauwerk. Zurück in der Herberge war es schon Zeit für das Abendessen. Die Hospitaleros hatten gekocht und die beiden Pfarrer der nebenan liegenden Kirche halfen mit, das Essen zu verteilen. Begonnen wurde mit einem Tischgebet, das die beiden mit uns zusammen gebetet haben. Man saß an großen Tischen zusammen, aß und unterhielt sich miteinander. Mein Platz war inmitten von einigen jungen Italienern. Man muss schon sagen, das besonders viele junge Italiener den Camino im christlichen Sinne pilgern. Einfach eine besondere Atmosphäre und man spürte hier den Spirit des Camino. Zum Abschluß des Abends luden die Pfarrer zu einem Abendgebet in die Kirche ein. Man ging durch einige verschlungene Gänge direkt hinüber in die nebenan liegende Kirche. Zusammen wurde dort mit den beiden Pfarrern gebetet und gesungen, und anschließend bekam jeder den Stempel der beim Abendgebet dabei war. Wer nicht beim Abendgebet war bekam auch keinen Stempel in dieser Herberge. Für mich eine absolut nachvollziehbare Regel. Einige regten sich darüber natürlich auf. Aber wenn man in kirchlichen Herbergen übernachtet, sollte man sich auch an die Regeln halten und nicht nur die Annehmlichkeiten einer Spendenherberge in Anspruch nehmen. Hier zeigte sich wieder mal deutlich wer im Sinne des Camino ein Pilger ist. Mit einem guten Gefühl ging man auf seine Matratze am Boden und hoffte, das man am nächsten Tag wieder vom Boden hochkommt. Man ist mit 60 Jahren ja nicht mehr der jüngste.