19.08.2022 9. Etappe Logrono nach Najera

Nach einer relativ ruhig verlaufenden Nacht stand heute eine lange Etappe von 29 km auf meinem Programm, was hauptsächlich daran lag, das es nicht sehr viele Zwischenorte auf dem Weg nach Najera gab wo man hätte übernachten können. Aber mittlerweile war ich nach etwas mehr als einer Woche eingelaufen und traute mich diese Strecken auch bei höheren Temperaturen zu, zumal ich ja wusste, das keine größeren Anstiege dabei waren. Aber jetzt war erstmal Frühstück in der Herberge angesagt. Es ist doch immer wieder schön mit den Pilgern zu frühstücken und dabei sich auszutauschen. Ich bleibe dabei gerne etwas länger sitzen und genieße den Moment. Aber irgendwann ist es dann Zeit zu gehen. Der Weg hinaus aus der Stadt war wieder etwas monoton. Werner hatte sich auch heute mir angeschlossen und wir hatten wieder einander einiges zu erzählen. Nach einiger Zeit trafen wir Giacomo und seine Freundin, die sich sehr freuten uns wieder zusehen. Ich begrüßte Giacomo in dem ich meine Mütze vor ihm zog, als hochachtung vor seinem Namen. Giacomo war ja der Name Jakobus im italienischen. Der Weg zog sich heute gefühlt etwas zäh dahin. Kurz vor Najera kommt man an einer Fabrik vorbei auf deren Mauer ein langes Gedicht geschrieben ist. Es soll ein Pfarrer gewesen sein, der dieses Gedicht verfasst hat. 2017 war es noch in verschiedenen Sprachen, unter anderem auch auf Deutsch vorhanden. Leider war es nur noch auf spanisch zu lesen. Anscheinend wurde es vor kurzen erneuert, denn es sah noch recht frisch aus. Aber irgendwie ist dieser Text für mich etwas besonderes geworden und hat sich eingeprägt. Er drückte eigentlich genau aus, warum ich auf dem Camino war. Es heisst unter anderen darin: Staub, Schlamm, Sonne und Regen – das ist der Weg nach Santiago. Wer ruft Dich Pilger …, dies erklären kann nur er, er dort oben. Diese Textausschnitte benutze ich seither bei meinen Vorträgen über den Jakobsweg als Einstieg. Über Navarette und Ventosa erreichte ich am frühen Nachmittag Najera. In dieser Ortschaft hatten Edgar und ich 2017 gleich zu Beginn unseres Weges enorme Probleme mit einer Übernachtung. Auch diesmal sollte es etwas schwieriger werden. Die gemeindliche Herberge war gleich gefunden, jedoch standen sehr viele Pilger vor dem Eingang und wollten dort bleiben. Es war eine Art Baracke und hatte 90 Plätze. Ich hatte mich bereits in die lange Schlange eingereiht, da meldete sich Lelia. Sie war wie immer sehr viel schneller und hatte in der Herberge Puerta de Najera einen Platz gefunden. Dort waren noch einige Betten frei und ich entschloss mich auch dort hin zu gehen. Als ich die Herberge sah, erinnerte ich mich wieder. Hier hatten wir auch damals nach einen Bett gefragt und der Hospitalero gab uns eine Adresse wo wir unterkommen konnten. Diesmal war ja Platz. Die Herberge war gut ausgestattet und hatte sogar eine Küche. Wir beschlossen heute selbst zu kochen und nicht Essen zu gehen. Ich fand das immer eine gute Idee. Lelia ging in den Supermarkt und kaufte für das Abendessen ein. Im Aufenthaltsraum machte ich es mir nach der üblichen Routine von Duschen und Wäschewaschen gemütlich. Heute hatte meine Schwiegermutter Charlotte ihren 90.ten Geburtstag und ich musste natürlich zum gratulieren anrufen. Die Verwandschaft saß alle zusammen bei uns in der Grümpel. Nach meiner Frau hatte ich auch meinen kleinen Enkel Anton am Telefon, was mich sehr freute, war ich doch voraussichtlich noch mehr als 5 Wochen unterwegs. Zwischenzeitlich kam Amir der Kanadier an den Tisch. Er hatte es unter großen Schmerzen hierher geschafft und wollte mal einen Tag pausieren um wieder zu Kräften zu kommen. Und auch Terri und Scott kamen dazu. Die beiden waren ja auch schon in Orisson und man kam hier mal näher ins Gespräch. Scott war Richter in den USA und war gerade in Pension gegangen. Die beiden waren sehr nette Gesprächspartner und wir unterhielten uns eine ganze Weile. Das Gespräch kommt natürlich immer auf die Familien zu Hause und die Berufe und Hobbys die wir haben. Die beiden hatten auch schon erwachsene Kinder, wie ich auch. Für mich sind die Gespräche immer sehr anstrengend, da meine englisch Kenntnisse leider sehr beschränkt sind. Ein Smalltalk funktioniert irgendwie immer, aber tiefgründige Gespräche sind leider nicht möglich. Ich beneidete Lelia, die englisch und französisch perfekt sprach. Sie war mittlerweile wieder zurück mit den Einkäufen. Sie hatte nicht nur was zu Essen mitgebracht, sondern auch Bier und Radler, obwohl sie keinen Alkohol trank. So fürsorglich können nur besondere Pilger sein. Amir hatte eine Flasche Wein geholt und so ließen wir uns alle das Essen und Trinken schmecken. Es war eine wundervolle Gemeinschaft hier und ich bereute es nicht hier zu sein. Amir gründete zur Feier des Tages eine Whatts App Gruppe mit dem Namen Najera Group. Leider begegnete ich Amir nur noch ein zweimal am Weg. Er war wirklich ein netter Pilger. Die Herberge füllte sich noch im Laufe des Nachmittags und war am Abend voll. Nebenan im Schlafsaal traf ich noch auf Xenia. Sie hatte ich ja auch schon vor ein paar Tagen kennengelernt als sie mit Uschi unterwegs war. Sie erzählte mir, das selbst für sie Uschi zu schnell war. Xenia wollte in einigen Tagen ihren Freund treffen, um dann gemeinsam den Weg nach Santiago zu gehen. Schließlich ließen wir den Abend ausklingen und ich ging recht früh schlafen.