Die Nacht war kurz und irgendwie konnte man auch nicht richtig einschlafen obwohl es ruhig im Schlafsaal war. Wir standen um halb fünf Uhr auf und schlichen aus dem Schlafsaal um uns anzuziehen und um die restlichen Sachen im Rucksack zu verstauen. Draußen auf den Fluren war schon reger Betrieb. Anscheinend waren heute jede Menge Pilger auf der Heimreise. Um 5 Uhr sollte unser Taxi zum Flughafen kommen. Frank und Denise hatten den gleichen Flieger wie wir bis Madrid und so teilten wir uns ein Taxi zum Flughafen. Die Taxifahrt zum Flughafen war recht kurz. Dort angekommen wickelten wir unsere Rucksäcke mit Folie ein und checkten ein. Nachdem wir durch die Sicherheitskontrolle durch waren hatten wir noch genügend Zeit für einen letzten spanischen Cafe con Letche. Auf einmal stand Marianne vor uns. Eigentlich ging ihr Flieger nach Barcelona viel später. Sie hatte Bedenken bekommen das sie ihren Wecker nicht hören würde und entschloss sich auch zu so früher Stunde an den Flughafen zu kommen. Nach erneuten Abschied ging es mit dem Flieger Richtung Madrid. Hier mussten wir uns dann auch von Frank und Denise verabschieden, die beide nach Düsseldorf flogen. Unser Flieger ging dann planmäßig nach München und wir landeten dort pünktlich. Beim warten am Gepäckband traute ich meinen Ohren nicht als die Durchsage auf englisch kam, Mr. Beitzinger und Mr. Renk sollten an den Gepäckschalter kommen. Edgar hatte es gar nicht gehört und so ging ich mich erkundigen. Die Frau am Schalter sagte, das unser Gepäck noch in Madrid wäre und wir es in den nächsten Tagen mit der Post bekommen. Ja, so dachte ich, der Weg hat jetzt auch noch Überraschungen für uns. Die Frau nahm unsere Daten auf und fragte wieviele Gepäckstücke denn wir hätten. Jeder von uns hatte 2 Gepäckstücke, Rucksack und Stöcke. Da aber nur 2 Gepäckstücke betroffen waren, hofften wir, das es die Stöcke wären die fehlen. Und siehe da, das erste Gepäckstück das vom Band kam war mein Rucksack. Einige Minuten später kam dann auch noch der Rucksack von Edgar, obwohl er überzeugt war das ausgerechnet seiner fehlen würde. Mit dem Busshuttle ging es dann zum Bahnhof. An der Haltestelle trafen wir sogar eine Pilgerin, die ebenfalls auf der Heimreise war. Im Zug merkte Edgar das er seine Tasche mit den Souvenirs und den Tartas de Santiago für zu Hause nicht mehr hatte. Er wusste aber nicht wo er sie vergessen hatte. Vermutlich war es schon am Flughafen im WC, aber es könnte auch an der Bushaltestelle, im Bus oder am Bahnhof gewesen sein. Er hatte ja des öfteren was vergessen, den Pilgerführer und seinen Hut und alles immer wieder bekommen. Das war aber schon richtig ärgerlich mit den Souvenirs. Eigentlich war ich mir sicher er würde auch dieses wieder bekommen. Wir telefonierten im Zug mit dem Bahnhof und der MVV, aber keiner konnte uns entscheidend weiterhelfen. Am frühen Abend kamen wir dann am Bahnhof in Kronach an, wo wir uns vor fast 5 Wochen auf den Weg machten. Unsere Frauen warteten schon am Bahnsteig auf uns und wir fielen uns in die Arme. Es war schon eine lange Zeit in der wir weg waren und sie alles daheim alleine managen mussten, während wir uns unseren Traum erfüllten. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar, das sie uns dies ermöglichten. Die Umgebung zu Hause kam einem irgendwie fremd vor und es dauerte nach der Rückkehr schon eine gewisse Zeit bis man wieder zurück im „heimischen Leben“ war. Man hatte unendlich viel zu erzählen und wusste gar nicht womit man anfangen sollte. Dankbar und mit vielen Erinnerungen und Begegnungen im Herzen endete unser Camino.
Archiv für den Monat: Juni 2017
Letzter Tag und Aufenthalt in Santiago de Compostela
Heute konnten wir richtig lange ausschlafen was auch viele andere Pilger ausnutzten. Anschließend gingen wir gemütlich von unserer Herberge aus zusammen mit Frank zur Kathedrale um die Deutsche Pilgermesse zu besuchen. Sie war an diesem Tag gut gefüllt, was zum einen daran lag, das anscheinend viele deutsche Pilger an diesem Tag ankamen und zum anderen das der Pfarrer mit seinen beiden Helfern verabschiedet wurde. Ihre 2 Wochen als Freiwillige in Santiago waren zu Ende und sie wurden durch einen anderen Pfarrer und andere Helfer abgelöst. Der deutsche Gottesdienst war an diesem Tag bedingt durch den Abschied feierlich und auch stellenweise sehr emotional. Am Ende bekam jeder vom Pfarrer den Einzel Pilgersegen zum Abschied aus Santiago. Jetzt hatten wir aber richtig Hunger bekommen und machten in einer Bar ausgiebig ein spanisches Frühstück zusammen mit Frank. Beim gehen aus der Bar vergaß Edgar wieder mal seinen Hut. Ein anderer Pilger hatte es bemerkt und trug ihn hinterher. So oft wie er ihn jetzt schon vergessen hatte konnte man denken das er ihn nicht wirklich brauchte. Eigentlich hätte er ihn wegwerfen sollen. Wir gingen anschließend recht früh in die Kathedrale zur Mittagspilgermesse um einen guten Platz zu bekommen. Marianne war auch schon aus Finisterre zurückgekommen und hatte für uns einen Platz in einer Bank frei gehalten. Es waren auch heute wieder viele Pilger da, allerdings waren nicht mehr viele bekannte Gesichter dabei. Der Höhepunkt für alle Pilger war dann am Ende das Weihrauchfass, das heute im Gegensatz zu gestern wieder geschwenkt wurde. Anscheinend gab es für diesen Tag mal wieder einen Sponsor. Man munkelt ja, das mindestens 600 Euro fällig werden, wenn es geschwenkt werden soll und meist findet sich ja auch einer. Nachdem die Messe zu Ende war stand plötzlich Anette vor uns. Wir freuten uns alle unbändig und umarmten uns und hatten einander viel zu erzählen. Anette nochmals zu treffen hatten wir nicht erwartet. Hier schloß sich irgendwie ein Kreis. Anette hatten wir ja bereits an unserem ersten Tag auf dem Camino in Logrono getroffen und jetzt nun auch an unserem letzten Tag hier in Santiago. „Nichts ist Zufall“. Wir verabredeten uns alle für den späten Nachmittag zum Kaffeetrinken und später zum Abendessen. Den Nachmittag verbrachte Edgar in der Herberge und ich zog es vor in der Stadt zu bleiben. In der Kathedrale waren nicht all zu viele Pilger und man konnte hier an den verschiedenen Orten wie am Grab des Apostels in Ruhe verweilen, was ansonsten nicht immer möglich ist bei der Masse an Pilgern die jeden Tag Santiago erreichen. Um in der Kathedrale ruhig verweilen zu können muss man schon Glück haben. Schließlich trafen wir uns dann alle zusammen, Marianne, Anette, Edgar und ich, um gemeinsam den restlichen Nachmittag und Abend miteinander zu verbringen. In einem der vielen Restaurants fanden wir dann schließlich auch einen Platz. Zum Abschied waren spanische Spezialitäten angesagt, angefangen bei Orellas (Schweinsohren), Pulpo und natürlich Rioja. Herz was willst du mehr. Es war ein richtig schöner Sommerabend. Auf dem Heimweg zur Herberge beschlossen wir noch einen letzten Absacker gegenüber der Herberge von Marianne zu nehmen. Dort gab es leckeren Sangria und irgendwie verging die Zeit immer schneller. Eigentlich wollte man am liebsten die Zeit anhalten um nicht auseinander zu gehen. So blieb es am Ende nicht bei einem Sangria. Aber irgendwann kommt die Stunde des Abschiedes. Es hies jetzt nicht nur Abschied von Marianne und Anette zu nehmen, sondern auch von Santiago. Es war schon komisch, man denkt unweigerlich daran, ob man jemals wieder zurück kommt. So richtig realisiert hatte man diesen gigantischen Weg, der uns über 8 Jahre beschäftigt hatte, immer noch nicht. Alles war irgendwie noch so unwirklich. Vielleicht hätte man an diesem Abend noch einige Sangrias trinken sollen. Nach dem emotionalen Abschied gingen wir in der Dunkelheit, meist schweigend, zurück zu unserer Herberge, dem Seminario Menor. Dort verabschiedeten wir uns von Frank (aus Wittenberg), er musste in der Nacht noch zum Bahnhof um nach Hause zu Reisen. Müde und auch etwas aufgeregt gingen wir schließlich gegen Mitternacht schlafen.
Buen Camino
Rückfahrt Finisterre – Santiago de Compostela
Die Nacht war ruhig und heute früh mussten anscheinend keine Pilger eher aufstehen um los zu laufen. So konnte auch wir heute etwas länger schlafen. Wir packten unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Marianne blieb in der Herberge, den sie wollte einen Tag länger in Finisterre bleiben. An der Bar gegenüber der Bushaltestelle machten wir Frühstück. Frank und Denise kamen ebenfalls dazu und wir genossen es dort in der Sonne zu sitzen, Kaffe zu trinken und uns zu unterhalten. Nach und nach füllte sich die Bushaltestelle mit Pilgern die zurück nach Santiago wollten. Jeder der an die Bushaltestelle kam stellte brav seinen Rucksack in die Reihe, wie es die Pilger auch bei den Herbergen gewohnt waren. Einfach genial wie diszipliniert es hier auch ablief. Der Bus war komplett voll. Viele Gesichter kannte man, aber manche hatte man noch nie gesehen. Nach knapp 1,5 Stunden Fahrt kamen wir dann wieder in Santiago an. Irgendwie auch ein komisches Gefühl dort mit dem Bus anzukommen. Unser erster Weg führte uns zum Seminario Menor, denn dort wollten wir wieder übernachten. Da wir schon vormittags dort waren mussten wir unsere Rucksäcke in den Schließfächern verstauen, denn man konnte nicht vor nachmittag in den Schlafsaal. Frank und ich machten uns auf den Weg zur Kathedrale um dort die tägliche Pilgermesse mit zu feiern. Wir waren spät dran und fanden keinen Sitzplatz mehr, zumal auch noch Sonntag war. Da ist das Pilgeraufkommen noch etwas höher als an Werktagen. Heute wurde Seltsamerweise das Weihrauchfass nicht geschwenkt. Die Entäuschung in den Gesichtern vieler Pilger, die heute in Santiago ankamen, konnte man richtig sehen. Schon ärgerlich, wenn du ankommst und morgen wieder weiter gehen willst, ausgerechnet dann wird das Weihrauchfass nicht geschwenkt. Nach dem Gottesdienst warteten wir am Ausgang um zu sehen ob noch ein paar Bekannte Gesichter zu sehen waren. Aber es waren nicht mehr sehr viele, denn wir waren ja auch schon vor 4 Tagen in Santiago angekommen. Die meisten waren schon abgereist oder noch auf den Weg nach Finisterre. Im Anschluss hatte ich mir vorgenommen die Erinnerungsgeschenke für die daheimgebliebenen zu kaufen. Es war fast anstrengender in den verschiedenen Läden zu shoppen als jeden Tag an die 30 km zu laufen. Unterwegs traf ich dann trotzdem noch 2 bekannte Gesichter. Es waren Beatrix und Heike. Die beiden hatte ich das letzte mal vor fast 3 Wochen getroffen. Wahnsinn sie hier nochmal zu treffen. Wir umarmten uns bei der Begrüßung herzlich und tranken etwas zusammen. Wir hatten natürlich einander viel zu erzählen und so verging der Tag recht schnell. Edgar kam mittlerweile auch wieder ins Stadtzentrum und wir machten um 18.00 Uhr die Führung um die Kathedrale mit, die von der deutschen Pilgergesellschaft angeboten wurde. Auch Beatrix und Heike waren gekommen nachdem ich ihnen nachmittags erzählt hatte, das es eine auf deutsch geführte Führung gibt. Man erfuhr dabei allerhand Geschichten rund um das imposante Gebäude und den Heiligen Jakobus. Später gingen wir dann mit Frank noch zum Abendessen in einem kleinen Restaurant und ließen diesen warmen Sommerabend ausklingen.
Buen Camino
112. Etappe von Muxia nach Finisterre
In der Herberge gab es heute früh die Möglichkeit ein kleines Frühstück zu machen. Bereits um 6.00 Uhr machten wir uns in der Dunkelheit auf den Weg nach Finisterre. Die letzte Etappe auf unserem langen Pilgerweg von zu Hause bis ans Ende der Welt. Wahnsinn, wie lange hatten wir auf diesen Tag gewartet und uns bei den Unterhaltingen ausgemalt. Das Tempo das Marianne und Edgar dabei an den Tag legten war schon etwas verrückt. Man hatte das Gefühl man wäre auf der Flucht so schnell liefen sie los. Mir war dies entschieden zu schnell und so hing ich den ganzen Tag immer hinter ihnen. Es hatte auch seinen Vorteil lange alleine zu laufen, so konnte man alles erlebte der vergangenen Wochen nochmal reflektieren. Unterwegs hatte Marianne noch ein etwas unschönes unappetittliches Erlebnis. An einer Bushaltestelle machten wir kurz Rast und stellten unsere Rucksäcke dort ab. In einem unbeobachteten Augenblick schlich ein ziemlich großer Hund um den Rucksack von Marianne und hob dabei das Bein. Anschließend setzte er sich mit einem treuherzigen Blick neben den Rucksack. Wir hatten eine ganze weile zu tun um ihren Rucksack einigermaßen zu säubern und in Folie einzupacken, damit sie damit weitergehen konnte. Gegen Mittag legten wir nochmals eine größere Rast ein. In die kleine Bar kam dann zu meiner Überraschung Engelbert und setzte sich zu uns an den Tresen. Eigentlich wollte er doch den Wintercamino gehen. Er musste aber aufgrund des Busstreiks umdisponieren und er entschloss sich nach Finisterre zu laufen. Mittlerweile war es wieder richtig warm geworden und das laufen fiel gegen Nachmittag schon richtig schwer, denn man hatte dann doch am Ende 30 km in den Beinen. Am frühen Nachmittag erreichten wir dann das Ortsschild von Finisterre. Hier umarmten wir uns, hatten wir doch auf diesen Augenblick lange gewartet. Wir liefen noch ein Stück Richtung Ortszentrum um uns dann eine Herberge zu suchen. Hier gab es jede Menge Herbergen und viele davon waren neu. Wir quardierten uns ein und machten uns auf den Weg zum Kap. Unterwegs machten wir noch mal Rast an einer Bar. Frank kam auch dazu, er war direkt ohne Umweg über Muxia nach Finisterre gelaufen. Wir tranken zusammen ein eisgekühltes Radler als Stärkung für den restlichen Weg ans Ende der Welt. Der Weg dorthin fiel uns allen ziemlich schwer obwohl wir keinen Rucksack bei uns hatten. Man musste ja noch fast 3 Km laufen um an den 0 Km Stein zu kommen. Dort am Stein angekommen schrie ich ein lautes „Ja“ heraus und spielte so laut wie möglich auf dem Smartphone das Lied von den Toten Hosen „An Tagen wie diesen“ ab. Alle die aussen herumstanden schauten etwas verdutzt, aber es musste einfach herausgeschreien werden. Vor dem Stein machten wir natürlich unzählige Bilder und als wir unsere Pilgerpässe zum fotografieren herausholten fragten viele nach von wo aus wir den gepilgert sind. Ein Führer einer Busgruppe stand auch dort und sagte nur zu seinen Leuten – „These are real Pilgrims“ – das sind richtige Pilger, was einem sichtlich stolz machte. Den Tag am Meer hätte man sich wettertechnisch nicht besser ausdenken können. Am Nachmittag waren noch nicht all zu viele Pilger am Kap und man konnte sich in Ruhe auf einen der Felsen setzen und aufs Meer schauen. Das Ende der Pilgerreise am Ende der Welt war gekommen. Wahnsinn welche Gedanken einem durch den Kopf gingen. Emotional ein richtig krasser Moment hier am Meer. Wir stellten am Felsen die gleichen Bilder nach wie 2007 beim erstenmal am Ende der Welt. Edgar und Marianne machten sich etwas eher auf den Rückweg. Frank und ich blieben noch länger an diesem magischen Ort. Auf dem Rückweg gingen wir an der Kirche von Finisterre vorbei um nach zu sehen, ob sie offen war. Leider hatten wir es knapp verpasst. Sie war schon wieder verschlossen. Vor uns lief eine Frau die gerade aus der Kirche kam. Ich sprach sie an, leider konnte sie kein englisch, aber irgendwie konnte sie uns verständlich machen, das heute Abend in der Kirche in der Ortsmitte Gottesdienst ist. In Finisterre konnte man ebenfalls eine Urkunde für den Weg dorthin bekommen, die Fisterra. Auch dieses „Stück Papier“ holten wir uns. Die bekam eigentlich jeder, der sich dort in der Gemeindeherberge meldete, ob er dorthin gelaufen oder gefahren ist. Den Gottesdienst feierten wir dann am Ende unserer Pilgerreise, am Ende der Welt selbstverständlich mit. Die Kirche war komplett voll, absolut ungewöhnlich, waren doch bei den meisten Gottesdiensten die Besucherzahlen überschaubar. Wahrscheinlich lag es daran, das heute der Gottesdienst zu Ehren von San Juan – des Heiligen Johannes des Täufers gefeiert wurde. Am längsten Tag des Jahres kamen wir also in Finisterre an. Für den Abend konnten wir uns irgendwie nicht auf etwas gemeinsames einigen. So trennten wir uns. Edgar ging mit Marianne Abendessen und ich machte mich auf den Weg zum Strand um dort den Sonnenuntergang zu sehen. Auf dem Heimweg setzte ich mich noch in eine Bar und trank diesmal Weißwein anstatt Rotwein, was irgendwie auch seltsam war, hatte ich doch 8 Jahre Rotwein bevorzugt. So endete für jeden von uns der Pilgertag auf unterschiedliche Art und Weise. Als ich zurück zur Herberge kam waren meine Pilgerkollegen alle schon in den Betten und schliefen.
Buen Camino
111. Etappe von Hospital nach Muxia
In der Dunkelheit machten wir uns auf den Weg, aber nur für 10 Minuten, denn so lange war der Fußweg zur Bar. Dort machten wir gemütlich ein richtiges Frühstück mit Cafe con Letche und Croissants. Hunger hatte man eigentlich nicht, denn das Abendessen vom gestrigen Abend war mehr als reichlich gewesen. Kurz nach der Bar kam man dann ein Wegweiser. Der eine Pfleil zeigte nach Finisterre, der andere Pfeil nach Muxia. Wir hatten ja beschlossen noch heute nach Muxia zu gehen. Das Wetter war zwar bewölkt, aber es war warm und trocken, eigentlich ideal zum laufen. Wir gingen fast die gesamte Strecke Gemeinsam im Gegensatz zu den vergangen Tagen. Unterwegs trafen wir Schwester Gisela Maria. Sie hatte ja vor 2 Tagen noch gesundheitliche Probleme und musste in Negreiro sogar zum Arzt. Trotzdem war sie jetzt auch hier auf dem Weg nach Muxia. Der Weg ging immer noch bergauf und bergab. Eigentlich dachte man, zum Meer hin wäre es chön flach dahin, aber das täuschte. Aus dem Nichts tauchte dann Denise auf, sie sagte nur sie wolle so schnell wie möglich ans Meer. Am späten vormittag sah man dann schon von weitem durch die Bäume das Meer. Und je näher man kam desto mehr konnte man die salzhaltige Luft schon riechen. Es war wunderschön am Meer entlang zu laufen. In Hospital hatte man uns die Herberge Muxia Mare empfohlen. Sie lag ungefähr in der Ortsmitte und etwas zurückgesetzt von der Promenade in zweiter Reihe. Es gab dort einen großen Schlafsaal mit einigen Trennwänden. Alles war sauber und von unseren Betten aus konnte man hinaus aufs Meer schauen. Einfach genial. In der Herberge bekam man dann auch die Muxiana – die Pilgerurkunde, das man nach Muxia gepilgert ist. Die dortige Wallfahrtskirche A Virxe da Barca (Unsere Liebe Frau vom Boot) zählt zu den bedeutendsten Pilgerzielen in Galicien. Also waren wir doch nicht auf einem Wanderweg sondern auf einem Pilgerweg. Ich hatte auch zwischenzeitlich meine Muschel wieder am Rucksack befestigt, das Zeichen für die Jakobspilger. Am späten Nachmittag gingen wir im Supermarkt einkaufen, hauptsächlich Wein um anstoßen zu können. Anschließend machten wir uns auf den Weg zur Kirche A Virxe de Barca und den dortigen Leuchtturm. Dort setzten wir uns auf die Felsen, aßen und tranken und ließen es uns gut gehen. Es war einfach herrlich hier zu sitzen und aufs Meer zu schauen. Der Rotwein tat sein übriges zur melanchonischen Stimmung. Auf dem Rückweg zur Herberge setzten wir uns in eine der unzähligen Bars die es in den Gassen von Muxia gab. An diesem Abend musste es natürlich Fisch geben, wenn man schon am Meer war. Hier schmeckt der Fisch einfach besser als zu Hause. In der Ortsmitte tanzten die Jugendlichen an diesem Abend und man hatte am Meer ein Feuer aufgebaut. Man feierte San Juan – den Heiligen Johannes den Täufer, in diesen Tagen. Dies wird in Spanien im Gegensatz zu Deutschland, gleich mehrere Tage lang gefeiert, Als wir den Jugendlichen beim Tanzen zuschauten kam ein Pilger und brachte Edgar seine Mütze. Er hatte sie in der Bar schon wieder vergessen. So langsam wurde es mit dem Vergessen der Mütze schon unheimlich. Er selbst konnte darüber gar nicht mehr lachen, obwohl es schon spaßig war. Etwas mürrisch und reserviert ging er heute ins Bett. Der krönende Abschluss des Tages sollte neben dem Sonnenuntergang am Meer aber das Feuerwerk sein, das man vor dem Fenster unserer Herberge zu Ehren von San Juan in den Abendhimmel schoß.
Buen Camino
110. Etappe von Alto de Pena nach Hospital
Die Nacht war ruhig, aber man schlief nicht ganz so gut, da wir gestern abend viel zu viel gegessen hatten. Das viele Essen lag einem einfach schwer im Magen. Heute war es wieder etwas mehr bewölkt aber trotzdem warm und trocken. Dan und Michael gingen kurz vor uns schon los. Für heute hatten wir als Ziel Hospital ausgewählt. Wir hatten uns bereits schon gestern per Whatsapp mit Marianne und Frank verabredet. Die beiden liefen seit Santiago zusammen und waren einige Kilometer vor uns. Edgar hatte wieder mal Bedenken das alle Herbergen überfüllt sind und er bestand darauf das Marianne für uns alle in Hospital reserviert. Eigentlich musste man sich bezüglich der Herbergen auf diesem Weg überhaupt keine Gedanken machen, waren doch relativ wenige Pilger zu sehen. Unterwegs trafen wir heute nur auf 2 Berlinerinnen und auf Imaculada, eine junge Italienerin aus der Nähe von Neapel. Mit ihr ging ich eine ganze Weile und es war schön sich mit ihr zu unterhalten. In den Bars am Weg trafen wir dann wieder auf Dan und Michael. In Dumbria machten wir am Nachmittag an einer Bar am Ortsende kurz Rast. Imaculada kam auch dazu, trank mit uns Kaffee und entschloss sich dort zu bleiben. Uns wollte die dortige Besitzerin der Herberge auch dazu bewegen hier zu bleiben. In Hospital wäre die Herberge überteuert, nicht sauber und das Essen wäre auch nichts besonders. Es wären schon viele Pilger von dort wegen der dortigen Umstände wieder zurückgekommen. Die pure Verunsicherung für wankelmütige Pilger. Marianne hatte ja gebucht und so ließen wir uns nicht überreden zu bleiben. Stefano kam auch noch dazu, trank einen Cafe con Letche, und auch er entschloss sich weiter bis Hospital zu gehen. In Hospital gab es am Ortseingang eine Pilgerinformation, ein großes imposantes Gebäude mitten in der Landschaft und kurz vor einem kleinen Kuhdorf. Uns erschloss sich nicht warum so ein Gebäude an so einem einsamen Ort steht. Der Bär steppte nicht gerade dort. Stefano fragte nach dem Weg zur Herberge und ohne die Auskunft dort hätten wir sicherlich etwas länger gebraucht um diese zu finden, so versteckt lag diese im Ort. Marianne und Frank waren schon einquartiert und warteten bereits auf uns. Die Einrichtung der Herberge war neu und alles war sauber. Zum Essen konnte man in eine Bar die der Besitzerin der Herberge gehörte. Sie lag allerdings etwa 10 Gehminuten von der Herberge entfernt. Als besonderen Service wurde man mit dem Auto dorthin gebracht. Wir nahmen erstmals auf dem Weg dieses Angebot an um gefahren zu werden, wenn auch nur von der Herberge zum Restaurant. Schon ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, denn wir saßen schon 4 Wochen in keinem Auto mehr. Das Essen im Restaurant war genauso hervorragend wie die Unterkunft. Alles war genau das Gegenteil von dem was man in Dumbria behauptete. Das einzig negative dort waren die vielen Mücken aufgrund des angrenzenden Bauernhofes. Aber das gehört halt auch manchmal dazu. Man darf nicht immer alles glauben, was einem am Weg erzählt wird, sondern muss seine eigenen Erfahrungen machen. Wir saßen noch lange an diesem Abend zusammen und machten uns schließlich zu Fuß auf den Rückweg zur Herberge.
Buen Camino
109. Etappe von Santiago de Compostela nach Alto de Pena
Nach einer ruhigen Nacht, kein wunder nach diesem gestrigen intensiven Tag in Santiago schlief man wie ein Stein, standen wir heute wieder recht früh auf. Es war noch dunkel draußen als wir uns auf den Weg Richtung Kathedrale machten. Wir waren noch nicht lange unterwegs da hörte ich hinter mir etwas auf den Gehsteig fallen. Ich drehte mich um und sah das meine Muschel die seit Beginn des Pilgerweges zu Hause an meinem Rucksack hing, auf den Gehsteig gefallen war. Sollte das ein Zeichen sein? Ich jedenfalls deutete es so. Der Pilgerweg ging von Zuhause bis Santiago und das abfallen der Muschel sollte wohl das Ende des Pilgerweges anzeigen. Der Weg nach Muxia und Finisterre war vermutlich also kein Pilgerweg sondern ein Wanderweg. Ich war mir auch frühmorgens noch nicht sicher ob ich die Muschel wieder an den Rucksack machen sollte. Der Weg aus der Stadt zog sich lange hin. Viele Pilger waren nicht gerade unterwegs im Gegensatz zu den vergangenen Tagen. Unterwegs trafen wir Bärbel, sie kam aus Köln und hatte viel zu erzählen. So verging die Zeit sehr schnell und wir waren schon am späten Vormittag in Negreiro. Dies war ein beliebter Etappenort auf den Weg nach Finisterre. Wir machten hier eine Rast, kauften noch etwas ein und entschlossen uns weiter zu gehen, da es ja noch recht früh am Tag war. Auf dem Weg nach Finisterre gibt es nicht sehr viele Auswahlmöglichkeiten zum Übernachten. Die nächsten Herbergen waren ungefähr noch ca. 10 km weit entfernt und so mussten wir heute an die 30 km gehen. Das laufen fiel heute relativ schwer, vielleicht lag es daran das wir gestern nur 5 km gegangen waren oder das einem der Kopf sagte: Was läuft du weiter, das Ziel ist doch erreicht! Am Nachmittag kamen wir Alto de Pena an. Dort in diesem kleinen Ort war die Herberge in einer sehr einsamen Gegend. Es gab noch genügend Platz dort. In unserem Zimmer war ein Italiener namens Stefano der aus Bari kam, mit untergebracht. Ein sehr netter Pilger mit dem man sich gut unterhalten konnte. Im Garten der Herberge konnte man wunderbar relaxen und in Ruhe sein Radler trinken. Später kamen dann noch 2 amerikanische Pilger dazu. Wir hatten sie schon mal unterwegs in den vergangenen Tagen getroffen, waren aber mit ihnen noch nicht ins Gespräch gekommen. Es waren Michael und Dan aus Michigan. Michael war etwas jünger und begleitete seinen Freund auf diesem Pilgerweg. Dan hatte vor im August zu heiraten und vorher wollten die Beiden den Jakobsweg von St. Jean pied de Port nach Finisterre gehen. Die Wirtsleute hatten für den Abend ein Pilgermenü vorbereitet. Sie hatten ein große überdachte Terasse wo das Essen serviert wurde. Das Essen wurde diesmal nicht in Portionen serviert sondern jeder konnte so viel Essen und Trinken wie er wollte. Heute aßen wir jedenfalls mehr Kalorien als wir heruntergelaufen hatten. Die Unterhaltung mit Michael, Dan und Stefano war dabei sehr anregend. Jeder von ihnen hatte schon viele Pilgerkilometer in den Beinen und alle wussten allerhand über den Camino zu erzählen. So saßen wir noch lange zusammen und gingen gegen 22.00 Uhr zu Bett.
Buen Camino
108. Etappe von Monte de Gozo nach Santiago de Compostela
Wir waren heute die ersten Pilger die sich aus dem Schlafsaal schlichen. Beim Packen des Rucksackes im Freien stand plötzlich in der Dunkelheit ein Pilger vor mir, der mich auf deutsch ansprach. Es war Karl-Heinz ein Deutsch-Israeli der seine Muschel auf der Stirn trug, was ungewöhnlich aussah. Es entwickelte sich schon zu so früher Stunde ein gutes und intesives Gespräch. Er war einer der Pilger die sehr viel wussten und auch schon viel erlebt hatten. Man hörte ihm gerne zu und er erzählte, das er sich eine kleine Gitarre gekauft hatte und heute für die Pilger in Santiago spielen werde. Es war interessant sich mit ihm zu unterhalten. Edgar drängte schon, wir sollten endlich losgehen, aber manchmal muss man den Augenblick auch nutzen. Am Ausgang stand Karl-Heinz und sah das Edgar etwas zu trinken aus dem Automaten holen wollte. Daraufhin schenkte er ihm seine Cola und meinte nur – ich schenke sie dir jetzt, dann bekomme ich heute sicherlich das doppelte zurück. Ein schöner Beginn unserer letzten Kilometer bis Santiago. Auch das Filmteam ging mit uns in der Dunkelheit los um sich ebenfalls auf den Weg nach Santiago zu machen. Wir sahen sie lange Zeit vor uns laufen. Von weiten sah man schon die Lichter der Stadt und die Vorfreude auf das Ereichen des Zieles kam langsam auf. Man wurde sich jetzt bewusst wie lange man unterwegs war, um nun ans Ziel zu kommen. Genauer gesagt waren es 8 Jahre, 108 Etappen und immer wieder neu planen, immer wieder sich neu motivieren, um den Caminovirus nicht zu verlieren. Auf diesen letzten Kilometern durfte natürlich auch unser Lied nicht fehlen das uns in all den Jahren immer begleitete und Kraft für den Weg gab, der Angelus „Reinste Jungfrau“. Marianne hatte uns gestern abend geschrieben. Sie war bereits in Santiago und fragte ob wir in die deutsche Pilgermesse um 8.00 Uhr kommen würden. Wir wollten dies versuchen. Nach dem erreichen der Stadtgrenze zieht sich der Weg schon noch eine ganze Weile hin. Es waren noch nicht sehr viele Pilger unterwegs, was uns sehr entgegen kam, wollten wir doch möglichst in Ruhe dort ankommen und nicht mit Menschenmassen. Als wir durch die letzte Gasse vor der Kathedrale gingen rief ganz aufgeregt eine Stimme aus einem der oberen Stockwerksfenster eines Hauses. Es war Marianne, sie schaute „zufällig“ aus ihrem Fenster, und wen sah sie – uns. Es bestätigte sich wieder mal „Nichts ist Zufall“. Sogar Marianne musste darüber lachen – hatte sie doch unterwegs nicht gerade den Eindruck erweckt sie würde an dieses „Nichts ist Zufall“ glauben. Mit schnellen Schritten und unbändiger Freunde im Herzen ging es Richtung Kathedrale. Hier mussten natürlich Erinnerungsbilder in allen Posen gemacht werden. Wir hatten noch Zeit bis zum Beginn der Pilgermesse und wollten zunächst unsere Rucksäcke in der Gepäckaufbewahrung deponieren. Die Rucksäcke darf man ja aufgrund der Terrorgefahr nicht mehr mit in die Kathedrale nehmen. Zu dieser frühen Morgenstunde war aber das Depot und die Post noch nicht offen, was uns einige Zeit kostete. Schließlich waren wir wieder am Hauptplatz dem Obreidero nachdem wir einmal im Kreis gelaufen waren. Gerade war auch das Filmteam auf dem Platz und filmte. Als wir über den Obreidero liefen applaudierten sie uns zu. Welch ein Empfang, wir reckten unsere Arme in die Höhe und ließen uns feiern. Man fühlte sich wahnsinnig gut, es war wie nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft und die Gefühle spielten Achterbahn. So einen Empfang hatten wir wirklich nicht erwartet. Wir waren die einzigen Pilger neben dem Filmteam auf dem Platz. Wir umarmten uns vor Freude, was wir fast vergessen hatten in der ganzen Aufregung. Die Zeit drängte zur Pilgermesse und wir hatten unser Rucksäcke immer noch. Wir beschlossen zum Hotel Seminario Mayor zu gehen um an der Rezeption zu fragen ob wir dort unser Gepäck deponieren dürfen. Sie gestatten es uns ohne große Nachfragen. Zu allem Glück konnten wir die Kathedrale durch den Seiteneingang betreten, was ja normalerweise jetzt der Ausgang war. Der Eingang war auf der anderen Seite. Alles war geordnet und bewacht. Außer zu dieser frühen Stunde der Seiteneingang. Der Pilger soll von Alters her zum Zeichen der Demut die Kathedrale nicht durchs Hauptportal sondern durch den Seiteneingang betreten. Die deutsche Pilgermesse findet immer in einer kleinen Kapelle der Kathedrale statt. Marianne und Dieter waren schon da. Auch Frank der Pastoralreferent und Frank aus Wittenberg waren gekommen sowie noch viele andere bekannte Gesichter. Es war schön sie alle wieder zu sehen. Als letzter kam dann auch noch Karl-Heinz den wir heute Morgen am Monte de Gozo kennengelernt hatten. Irgendwie passte es einfach mit dem Ankommen in Santiago und der Pilgermesse. Es hatte sich alles gefügt, es sollte so sein. Es war tiefe Dankbarkeit die man erlebte. Dankbar das man diesen Weg gehen durfte, dankbar das uns unsere Frauen und Familien und mein Arbeitgeber dies ermöglichten. Dankbar für die vielen Erlebnisse und Begegnungen. Wir hatten sie alle jetzt und in den vergangenen Wochen in unser Gebet mit eingeschlossen. Nach der Pilgermesse bemerkte Edgar das er seine T – Shirt verkehrt herum anhatte und wechselte es zur Erheiterung der anderen Pilger noch in der Kapelle. Ich sagte nur zu den anderen Pilgern, das er sich heute mal alleine angezogen hätte und schon gings schief. Alle fanden es lustig – nur Edgar nicht. Da um diese Zeit kaum Pilger in der Kathedrale waren konnte man sich in Ruhe ans Grab des Apostels begeben und dort einfach nur „da sein“, zu Beten und seine Gedanken zu ordnen. Eine Umarmung der goldenen Jakobus Statue oberhalb des Seitenaltars durfte im Anschluß natürlich auch nicht fehlen und gehört in die Rubrik Pilgerritual. Als wir dann auf dem Weg hinaus waren bemerkte Edgar das er seine Mütze in der Kapelle vergessen hatte. Diese war aber bereits verschlossen. Wir sprachen einen Ordner an der freundlicherweise die Kapelle aufsperrte, leider war die Mütze aber weg. Ein Pilger sagte uns mal, was man verliert hat man auch nie gebraucht. Mittlerweile wimmelte es draußen vor Pilgern, die nach und nach in Santiago ankamen. Die meisten von ihnen kannten wir und die Begrüßung war immer unvergleichlich herzlich. Man umarmte sich, redete miteinander und gratulierte sich gegenseitig. Das dazugehörige Erinnerungsfoto durfte natürlich nicht fehlen. Wir holten zunächst unsere Rucksäcke aus dem Semenario Mayor und bedankten uns an der Rezeption und machten uns auf den Weg zum Pilgerbüro um dort die Compostela abzuholen. Am Eingang saß Karl Heinz und spielte Gitarre für die Pilger, wie er es heute morgen am Monte de Gozo gesagt hatte. Einige tanzten zu seinen Liedern. Und welch eine Überraschung, er hatte die Mütze von Edgar in der Kapelle liegen sehen und mitgenommen. Beim übergeben der Mütze spielte er „Mein Hut der hat drei Ecken“. Einfach lustig wie sich alles wieder gefügt hatte. Wir stellten uns in die Reihe, waren doch schon jede Menge Pilger gekommen um die Compostela abzuholen. Irgendwie komisch, man stand hier nach 3200 km Pilgerweg, vielen unvergesslichen Erlebnissen und Begegnungen um sich dies auf einem Stück Papier bestätigen zu lassen. Sicher will man diese Compostela haben, wenn man schon den Weg gemacht hat, aber wirklich wichtig war sie am Ende dann doch nicht. Sicher war es auch ein schönes Gefühl wenn die anderen Pilger den Pilgerpaß mit seinen endlosen Stempeln bestaunten. Aber für mich blieb es hier am Ende des Weges ein Stück Papier. Das wichtige trägt man einfach im Herzen. Da wir noch nicht gefrühstückt hatten entschlossen wir uns in eine Bar zu gehen. Dort schaute ich nach langer Zeit wieder mal auf das Smartphone. Heike, meine Frau hatte heute früh um 7.00 Uhr geschrieben und mir ein Bild vom heutigen Kalenderspruch auf ihrem Schreibtisch geschickt. Man muss noch dazu sagen, sie wusste nicht, das wir heute Santiago erreichen würden. Der Kalenderspruch war verrückt. Da stand „Der Weg ist das Ziel“. Besser hätte man es an diesem Tag gar nicht erfinden können. Man war in einem richtigen Flow und es dauerte nicht lange da kamen schon die nächsten Pilger an. Es waren Eddy und Renate. Auch Florian kam und zeigte uns ganz stolz seine Compostela. Eine noch freudigere Begrüßung erwartete uns als uns die Kolumbianer entgegen kamen. Man lag sich einfach glücklich in den Armen, auch wenn man sich doch nur wenige Stunden kannte. Die Zeit verging wie im Fluge und um 12.00 Uhr war dann als nächster Höhepunkt des Tages die tägliche Pilgermesse. Die Kathedrale war komplett gefüllt an diesem Tag. Edgar war schon etwas vor mir in die Kathedrale gegangen. Nach dem Eingang sah ich im Seitenschiff Marianne und Dieter sitzen. Dort gab es noch einen Platz für mich und wenn man sich umschaute entdeckte man jede Menge bekannte Gesichter. Man winkte und lächelte sich zu und freute sich einander wieder zu sehen. Am Ende der Pilgermesse wurde dann auch das berühmte Weihrauchfass geschwenkt. Wir hatten es ja vor 10 Jahren nicht sehen können, denn damals war es defekt gewesen. Es war schon beeindruckend wenn es zum Gesang der Nonne über die Köpfe hinwegsauste. Am Ausgang warteten schon die nächsten bekannten Gesichter, es waren Denise und Shayenne und auch sie freuten sich uns wiederzusehen. Jens aus Mölln und George aus den USA kamen ebenfalls und wir gratulierten einander. Auch Frank hatte sein Ziel erreicht und umarmte alle. Anschließend machten wir uns auf dem Weg zur Herberge, das Seminario Menor. Eine riesige Herberge die ungefähr 15 Gehminuten vom Zentrum entfernt war. Nachdem wir uns eingerichtet und wieder frisch gemacht hatten machten wir uns wieder auf dem Weg zurück ins Zentrum. Schon auf dem Weg dorthin trafen wir in einer Bar auf Min. Mit ihr saßen wir eine Weile zusammen. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir dann im Zentrum und in der Kathedrale. Essen gingen wir mit Marianne und Dieter in einer Tapasbar. Richtig lecker diese Tapas die man dort bekam, dazu ein guter Rotwein. So konnte das Pilgerleben weiter gehen. Auf dem Obreidero saßen an diesem sonnigen Sommerabend sehr viele junge Pilger, unter ihnen auch einige Bekannte Gesichter wie Michael, Mario und Marius in einem großen Kreis beisammen. Als sie uns sahen wurden wir von allen begrüßt und den anderen Pilgern vorgestellt. Wir mussten uns zu ihnen auf das Kopfsteinpflaster setzen und sie luden uns zu Bier und Rotwein ein. Dort war es zwar nicht bequem zu sitzen, aber die Atmosphäre und die Gemeinschaft auf diesem Platz war an diesem lauen Sommerabend einfach genial. Man hätte es sich nicht besser ausdenken können. Den Abend ließen wir vor der Herberge von Marianne, Frank und Dieter bei einigen Gläsern Sangria ausklingen. Ihre Herberge befand sich ganz in der Nähe der Kathedrale. Von Dieter mussten wir uns verabschieden denn sein Flug ging schon am nächsten Tag zurück in die Heimat. Marianne und Frank wollten aber, wie wir auch, den Weg nach Muxia und Finisterre noch zu Fuß gehen. Nach einem gigantischen Tag mit vielen Erlebnissen in Santiago gingen wir unter einem sommerlichen Sternenhimmel zurück zur Herberge. Dort trafen wir dann auch noch Natascha und ihre Mutter. Sie hatten wir das letzte mal in Foncebadon getroffen. Wir gratulierten einander und gingen mit einem zufriedenen Gefühl ins Bett.
Buen Camino
107. Etappe von Calzeda nach Monte de Gozo
Heute mussten wir uns wieder mal aus dem Schlafsaal schleichen um die anderen Pilger nicht zu wecken. Min und ihre Freundin aus Argentinien waren ebenfalls schon wach und gingen mit aus dem Schlafsaal. Ihre Angst gestern Abend zu verschlafen war unbegründet. Wir hatten uns als Ziel Monte de Gozo, den Berg der Freude vorgenommen. Von dort sind es nur noch 5 Km nach Santiago und wir wollten es wie vor 10 Jahren machen und am Tag darauf früh in Santiago ankommen. Aber zunächst musste die Strecke von 27 Km bewältigt werden. Heute war es bereits am frühen Morgen warm und es war zu erwarten, das es gegen Mittag richtig heiß werden würde. Ein besonderer Ort am heutigen Weg an dem die meisten Pilger achtlos vorbeigehen war für uns Labacolla. Dort wuschen sich die Pilger des Mittelalters um gereinigt nach Santiago zu kommen. Wir vollzogen dieses Ritual mehr symbolisch in dem wir unser Gesicht und unsere Hände im Fluß wuschen. Der Weg um den Flughafen von Santiago zog sich etwas lang hin. Danach kam schon der große Pilgerstein von Santiago, ein beliebtes Fotomotiv, das viele Pilger nutzen um ein Erinnerungsfoto zu machen. Ansonsten war ein ziemlich ereignisloser Tag, man begegnete nicht sehr vielen Pilgern und so kamen wir schon gegen Mittag oben am „Berg der Freude“ an. Der erste Weg führte uns zur dortigen Kapelle. Dort blieben wir eine Weile um inne zu halten und um zur Ruhe zu kommen. Am großen Pilgerdenkmal das neben der Kapelle steht und zu Ehren des Besuches von Papst Johannes Paul II errichtet wurde, machten wir ebenfalls wieder einige Erinnerungsfotos. Hinter dem Pilgerdenkmal ging es über eine Wiese und nach dem überqueren der Straße stand man am großen überdimensionierten Pilgerzentrum des Monte de Gozo. Die dortige Pilgerherberge wurde von der polnischen Pilgergesellschaft betrieben. Beim einquartieren mussten wir aber zunächst etwas warten, denn ein Filmteam machte Aufnahmen mit Schauspielern. Sie spielten gerade die Ankunft von Pilgern in der Herberge. Anschließend machten sie noch Aufnahmen im Garten der Herberge. Es sah spannend aus. Einige andere Pilger hatten sie schon in den vergangenen Tagen am O Cebreiro gesehen. Heute waren wir in einem großen Schlafsaal untergebracht. Er war bereits gut belegt und wie sich später herausstellen sollte, waren sehr viele polnische Pilger in der Unterkunft. Die meisten waren schon einge Tage dort untergebracht. Sie gingen meist tagsüber runter nach Santiago und am Abend zum schlafen wieder hoch in die Herberge. Zugegeben ein sehr beschwerlicher Weg jeden Abend den Berg hoch. Im Schlafsaal traf ich nach dem duschen auf einen Holländer namens Engelbert. Er hatte schon ziemlich alle bekannten Caminos gepilgert und erzählte vom Wintercamino den er jetzt gehen wollte. Von solchen Caminos hatten wir bisher noch nie gehört. Aber zur Zeit streikten die Busfahrer in Spanien und so wusste er noch nicht wie er an den Startpunkt kommen würde. Er meinte nur, wenn es nicht klappen sollte, laufe er halt einen anderen Weg. Er hatte sein Zelt dabei und war dadurch sehr flexibel. Beneidenswert wenn man einfach kurzfristig entscheiden kann und so frei ist. Zum Pilgerzentrum gehörte auch eine größere Bar in der man Essen und Trinken konnte. Dort hielten sich die meisten Pilger auf, den es gab hier nichts anderes. Edgar überredete die Kellnerin das Confed Cup Fußballspiel am Fernseher einzuschalten. Nebenan war auch noch eine größere Kirche die sehr schön gestaltet war. Leider fand am Abend kein Gottesdienst statt, es wäre etwas besonderes am Vorabend vor der Ankunft in Santiago gewesen. In der Kirche hing ein großes Porträt von Johannes Paul II. Vermutlich wurde die Kirche und das Pilgerzentrum wie auch das große Pilgerdenkmal oben am Berg anläßlich des Besuches von Johannes Paul II gebaut. In der Kirche war es ruhig, nur eine Klosterschwester malte Bilder bei etwas zu lauter Musik. Dadurch konnte man leider nicht ganz so in Ruhe nur einfach „da sein“. Trotzdem fand man hier inneren Frieden für sich. Das Abendessen, ein Pilgermenü war sehr gut und reichlich wie eigentlich alle Pilgermenüs es waren. Obwohl viele Pilger in der Bar waren, hatte man heute irgendwie nicht den Drang nach Kommunikation mit anderen Pilger. Vielleicht lag es daran, das wir am nächsten Tag nach Santiago kommen würden und man hatte schon den ganzen Tag ein komisches Gefühl an sich. Irgendwie war das Befinden nicht zu beschreiben, mal war es Vorfreude, mal Traurigkeit, mal irgendwie depressiv. Die letzten Tage waren auch schnell vergangen und so gingen wir mit vielen Gedanken im Kopf zu Bett. Ob man die letzte Nacht vor Santiago auch gut schläft?
Buen Camino
106. Etappe von Melide nach Calzeda
Nach einer ruhigen Nacht machten wir uns in der dunkelheit auf den Weg. Heute war es nicht ganz so nebelig und kalt wie gestern. Die nächste Bar sollte unser Ort für das Frühstück sein. Die Kolumbianer und auch Freya kamen ebenfalls in die Bar und schon war wieder eine herrliche Unterhaltung gewährleistet. Die Bar wurde von einem Deutschen betrieben. Er hatte bei den vielen Pilgern jede Menge zu tun, zumal eine größere Fahrradgruppe noch dazu kam. Zum Glück hatten wir bereits unseren Cafe con Letche, denn jetzt musste man sich auf eine längere Wartezeit einstellen. Allgemein waren jetzt wieder mehr Pilger auf dem Weg zu sehen. Kein Wunder, denn es war nicht mehr weit bis Santiago. Einer der besonderen Orte am Weg war Boente mit seiner kleinen Kirche. Dort sangen wir heute unser Lied „Reinste Jungfrau“. An diesen Ort hatten wir noch besondere Erinnerungen. Vor 10 Jahren stand der Pfarrer an der Kirchentür und bat die Pilger in seine Kirche zu kommen um dort mit ihm gemeinsam zu singen. Auf Nachfrage erfuhren wir, das es den Pfarrer wohl noch gab, er aber mittlerweile in einer anderen Gemeinde seinen Dienst versah. Schade, denn es war damals sehr schön gewesen und uns noch heute in guter Erinnerung. Unterwegs trafen wir auf einen Franzosen mit Namen Josef, er kam aus Biarritz und sprach hervorragendes deutsch. Sein ältester Sohn war bei der französischen Armee und der Leibarzt des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die Strecke hatten wir viel Gesprächsstoff. Nach einer längeren Rast bei der Herberge von Heidi, einer Schweizerin, verabschiedeten wir uns von Josef der dort heute bleiben wollte. Die Herberge war sehr schön gelegen und reizte uns auch dort zu bleiben. Allerdings war es erst gerade halb zwölf und noch zu früh um den Lauftag zu beenden. Zwischenzeitlich war auch Schwester Gisela Maria dazu gekommen. Sie kannte Heidi, die Betreiberin der Herberge, aber ihr war es auch zu früh um den Pilgertag zu beenden. Gegen 15.00 Uhr kamen wir in Calzeda, einem kleineren Ort an. Hier gab es 2 Herbergen. Wir waren die ersten, die heute dort ankamen. Es war eine der besten Herbergen am Weg. Die Ausstattung, die sanitären Anlagen und auch alles andere war absolut neu. Der Eigentümer der Herberge betreute die Pilger mit absoluten Herzblut. Nach 27 km in den Beinen und der Hitze waren wir extrem durstig. Er empfahl uns die Bar, die ca. 200 m von der Herberge entfernt am Ende des Ortes lag. Dort bestellten wir unser obligatorisches großes Bier. Der Wirt machte sich einen Spaß daraus und fragte ob wir wirklich ein großes wollen. Dazu zeigte er uns einen Maßkrug. Ein kurzes Überlegen und ich bestellte eine Maß Radler. Damit hatte er nicht gerechnet, den die meisten schrecken vor einer Maß zurück. Aber heute konnte man diese vertragen, zumal das Radler nicht allzu viel Alkohol hatte. Nach der Rückkehr nahmen wir die Gelegenheit war, um unsere Wäsche in der Waschmaschine zu waschen. Trocken wurde es an der Leine in kürzester Zeit, war es doch immer noch extrem heiß. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir auf der gemütlichen Couch im Aufenthaltsraum. Dort lernten wir Ming kennen. Die gürtige Chinesin kam aus Stuttgart und sprach hervorragend deutsch. Sie arbeitete in der Autoindustrie und hatte den Camino del Norte gepilgert. In Melide trafen die beiden Wege ja dann zusammen, der Camino Frances und der Camino del Norte. Ming war mit eine jungen Argentinierin , die sie unterwegs kennengelernt hatte, schon eine länger Zeit unterwegs. Sie wollten nun beide zusammen nach Santigo gehen. Der restliche Nachmittag verging richtig schnell und auch zum Abendessen gingen wir wieder rüber zur Bar am Ortsende. Der Wirt freute sich uns wieder zu sehen und ich bestellte zu seiner verwunderung zum Essen wieder eine Maß Radler. Ich hatte an diesem Tag aufgrund der Hitze einen unbändigen Durst, der auch von noch weiteren 2 Radlermaßen nicht gelöscht werden konnte. Nach dem bezahlen wollte ich noch eine weitere Maß trinken, aber diesmal verweigerte der Wirt mir die 4. Maß Radler. Er glaubte wohl, das ich diese nicht mehr vertragen würde. Ich blieb am Tresen stehen aber ihm war es ziemlich egal. Der Wirt war Baske und Basken sind ja bekanntlich stur. So blieb nichts anderes übrig als den Rückweg anzutreten. Im Nachhinein gesehen wollte er wahrscheinlich mich vor zu viel Alkohol schützen und hatte damit vermutlich Recht, mir nichts mehr zu geben. Wahrscheinlich gibt es schon Pilger, die des öfteren beim Alkohol übertreiben. Von einem Rausch war ich an diesem Tag allerdings noch einiges entfernt. Gegen 22.00 Uhr gingen wir zurück zur Herberge. Min war auch noch auf und bat mich sie morgen früh zu wecken. Sie wollte ebenfalls früh los und hatte Angst zu verschlafen.
Buen Camino