106. Etappe von Melide nach Calzeda

Nach einer ruhigen Nacht machten wir uns in der dunkelheit auf den Weg. Heute war es nicht ganz so nebelig und kalt wie gestern. Die nächste Bar sollte unser Ort für das Frühstück sein. Die Kolumbianer und auch Freya kamen ebenfalls in die Bar und schon war wieder eine herrliche Unterhaltung gewährleistet. Die Bar wurde von einem Deutschen betrieben. Er hatte bei den vielen Pilgern jede Menge zu tun, zumal eine größere Fahrradgruppe noch dazu kam. Zum Glück hatten wir bereits unseren Cafe con Letche, denn jetzt musste man sich auf eine längere Wartezeit einstellen. Allgemein waren jetzt wieder mehr Pilger auf dem Weg zu sehen. Kein Wunder, denn es war nicht mehr weit bis Santiago. Einer der besonderen Orte am Weg war Boente mit seiner kleinen Kirche. Dort sangen wir heute unser Lied „Reinste Jungfrau“. An diesen Ort hatten wir noch besondere Erinnerungen. Vor 10 Jahren stand der Pfarrer an der Kirchentür und bat die Pilger in seine Kirche zu kommen um dort mit ihm gemeinsam zu singen. Auf Nachfrage erfuhren wir, das es den Pfarrer wohl noch gab, er aber mittlerweile in einer anderen Gemeinde seinen Dienst versah. Schade, denn es war damals sehr schön gewesen und uns noch heute in guter Erinnerung. Unterwegs trafen wir auf einen Franzosen mit Namen Josef, er kam aus Biarritz und sprach hervorragendes deutsch. Sein ältester Sohn war bei der französischen Armee und der Leibarzt des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Für die Strecke hatten wir viel Gesprächsstoff. Nach einer längeren Rast bei der Herberge von Heidi, einer Schweizerin, verabschiedeten wir uns von Josef der dort heute bleiben wollte. Die Herberge war sehr schön gelegen und reizte uns auch dort zu bleiben. Allerdings war es erst gerade halb zwölf und noch zu früh um den Lauftag zu beenden. Zwischenzeitlich war auch Schwester Gisela Maria dazu gekommen. Sie kannte Heidi, die Betreiberin der Herberge, aber ihr war es auch zu früh um den Pilgertag zu beenden. Gegen 15.00 Uhr kamen wir in Calzeda, einem kleineren Ort an. Hier gab es 2 Herbergen. Wir waren die ersten, die heute dort ankamen. Es war eine der besten Herbergen am Weg. Die Ausstattung, die sanitären Anlagen und auch alles andere war absolut neu. Der Eigentümer der Herberge betreute die Pilger mit absoluten Herzblut. Nach 27 km in den Beinen und  der Hitze waren wir extrem durstig. Er empfahl uns die Bar, die ca. 200 m von der Herberge entfernt am Ende des Ortes lag. Dort bestellten wir unser obligatorisches großes Bier. Der Wirt machte sich einen Spaß daraus und fragte ob wir wirklich ein großes wollen. Dazu zeigte er uns einen Maßkrug. Ein kurzes Überlegen und ich bestellte eine Maß Radler. Damit hatte er nicht gerechnet, den die meisten schrecken vor einer Maß zurück. Aber heute konnte man diese vertragen, zumal das Radler nicht allzu viel Alkohol hatte. Nach der Rückkehr nahmen wir die Gelegenheit war, um unsere Wäsche in der Waschmaschine zu waschen. Trocken wurde es an der Leine in kürzester Zeit, war es doch immer noch extrem heiß. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir auf der gemütlichen Couch im Aufenthaltsraum. Dort lernten wir Ming kennen. Die gürtige Chinesin kam aus Stuttgart und sprach hervorragend deutsch. Sie arbeitete in der Autoindustrie und hatte den Camino del Norte gepilgert. In Melide trafen die beiden Wege ja dann zusammen, der Camino Frances und der Camino del Norte. Ming war mit eine jungen Argentinierin , die sie unterwegs kennengelernt hatte, schon eine länger Zeit unterwegs. Sie wollten nun beide zusammen nach Santigo gehen. Der restliche Nachmittag verging richtig schnell und auch zum Abendessen gingen wir wieder rüber zur Bar am Ortsende. Der Wirt freute sich uns wieder zu sehen und ich bestellte zu seiner verwunderung zum Essen wieder eine Maß Radler. Ich hatte an diesem Tag aufgrund der Hitze einen unbändigen Durst, der auch von noch weiteren 2 Radlermaßen nicht gelöscht werden konnte. Nach dem bezahlen wollte ich noch eine weitere Maß trinken, aber diesmal verweigerte der Wirt mir die 4. Maß Radler. Er glaubte wohl, das ich diese nicht mehr vertragen würde. Ich blieb am Tresen stehen aber ihm war es ziemlich egal. Der Wirt war Baske und Basken sind ja bekanntlich stur. So blieb nichts anderes übrig als den Rückweg anzutreten. Im Nachhinein gesehen wollte er wahrscheinlich mich vor zu viel Alkohol schützen und hatte damit vermutlich Recht, mir nichts mehr zu geben. Wahrscheinlich gibt es schon Pilger, die des öfteren beim Alkohol übertreiben. Von einem Rausch war ich an diesem Tag allerdings noch einiges entfernt. Gegen 22.00 Uhr gingen wir zurück zur Herberge. Min war auch noch auf und bat mich sie morgen früh zu wecken. Sie wollte ebenfalls früh los und hatte Angst zu verschlafen.

Buen Camino