11.08.2022 1. Etappe St. Jean pied de Port nach Orisson

Die Nacht war etwas unruhig. Ich war noch aufgewühlt und wachte nachts des öfteren auf, obwohl nur 4 Pilger im Schlafsaal waren. Am morgen lernten wir Joel, eine Spanier, der in Frankfurt lebte kennen. Er sprach sehr gut deutsch und wollte den Camino de Norte pilgern. Nach einem guten Frühstück machten wir uns auf zum Bahnhof. Dort mussten wir wieder fast 2 Stunden warten bis der Bummelzug nach St. Jean pied de Port fuhr. Lelia meinte, das wir kein neues Ticket lösen für die Fahrt, sie würde das dem Schaffner schon erklären. Lelia, mein Caminoengel. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich noch in Paris am Bahnhof. Lelia sollte auf meinen weiteren Weg mein Caminoengel bleiben und mich bis zum Ende des Weges immer wieder mal begleiten. Was ich an dieser Stelle noch nicht wissen konnte. Gegen Mittag kamen wir endlich dort an. Hier war also der Beginn des berühmten Camino Frances und ich war zurück an diesen Ort an dem ich bereits 2016 gewesen bin. Im dortigen Pilgerbüro wurden die Pilger an verschiedenen Schaltern mit Informationen und Listen mit Pilgerherbergen versorgt. Es herrschte ein reges Treiben in diesen kleinen Ort. Auf dem Weg hinaus aus der Stadt kamen wir an der Herberge Kaserna vorbei und ich ging hinein, um mich zu entschuldigen, das ich gestern nicht kommen konnte. Man hatte natürlich dafür Verständnis und sagte, ich solle doch heute dort bleiben. Gerne wäre ich geblieben, aber ich hatte ja die Herberge Orisson reserviert,. Nach einer kurzen Unterhaltung trat ich mit Lelia den Weg aus der Stadt an. Nach einiger Zeit merkte ich, das Lelia etwas schneller als ich unterwegs war und sagte, das sie ruhig ihr Tempo gehen soll. Anfänglich lief es eigentlich ganz gut und ich dachte an 2016 zurück. Damals brauchten wir für den Weg nach Orisson ca, 2,5 Stunden, allerdings waren wir damals schon eine Woche unterwegs und eingelaufen. Aber an diesen Tag mit 40 Grad im Schatten sollte es ganz anders kommen. Mit jedem Schritt wurde der Weg immer schwerer. Auch hatte ich nicht genug zu trinken mitgenommen und auch nicht an einen zusätzlichen Zuckerschub in Form einer Cola gedacht. Auch hatte ich die Steilheit des Weges nicht mehr so in Erinnerung. Dazu waren am Nachmittag kaum noch Pilger zu sehen, da die meisten doch früh in St. Jean starten. Irgendwann stand ich mehr am Wegesrand um Pause zu machen, als das ich ging. Mehr und mehr kam ein Zustand der völligen Erschöpfung in mir hoch und ich fragte mich, warum ich mir das noch einmal antue. Wenn schon die ersten Kilometer so schwer sind, wie soll es dann erst die nächsten 890 km werden. Ich beschloss zu kämpfen und setzte mir immer ein kleines Zwischenziel. Die Telegrafenmasten am Weg wurden zu meinen kleinen Zielen an denen ich immer eine kleine Pause einlegte. Irgendwann kam eine Wasserstelle und ich verpasste diese in meinem Tunnelblick. Als ich auf einem Stein eine Rast einlegte sah ich ca. 50 Meter hinter mir 2 Pilger an dieser Wasserstelle. Verrückt, ich hatte sie einfach nicht gesehen, so sehr war ich beschäftigt mit meinem persönlichen Kampf zwischen mir und dem Camino. Nein, ich gehe nicht zurück zur Wasserstelle. Ich war einfach zu schwach dafür an diesem Tag. Und so teilte ich mir das restliche Wasser in kleine Portionen ein. Irgendwann musste doch Orisson kommen. Es zog sich endlos und zäh dahin. Endlich nach einer Kurve sah ich die Refuge Orisson und war froh dort anzukommen. Nach sage und schreibe 4 Stunden kam ich auf meiner ersten Etappe nach nur 8 km an. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Ich hatte schon so viel Erfahrung auf dem Camino und viele Etappen auf Jakobswegen hinter mir, aber so hart wie diese heutige Etappe war keine einzige davor. Keine Etappe brachte mich je so an meine psychischen und pysischen Grenzen wie diese. Nie zuvor hatte ich so gezweifelt wie heute mein Ziel Santiago zu erreichen. Doch diesmal war alles anders. Ich zweifelte. Wenn jemand gekommen wäre, und hätte mir eine Rückfahrkarte hingelegt, ich glaube ich hätte sie genommen. Zum Glück kam keiner mit der Rückfahrkarte. Man muss allerdings dazu sagen, das schon einiges an diesem Tag zusammen kam. Völlig gestresst aus dem Berufsleben, eine knapp 4 Wochen zurückliegende heftige Corona Erkrankung, die Hitze mit über 40 Grd und die lange Anreise. Dazu noch meine Polyneuropathie, eine Nervenerkrankung in den Beinen als Handycap, die mich zusätzlich behinderte. Ich musste darauf achten das ich durch diese Fußheberschwäche nicht stolpere. Völlig durchgeschwitzt kam ich in der Bar an und bestellte zu allererst ein eiskaltes großes Bier und eine eiskalte große Cola. In einem zug trank ich beides, noch völlig naßgeschwitzt und außer Atem. Jetzt konnte ich mein Bett im Schlafsaal beziehen, Wäsche waschen und Duschen. Im Schlafsaal lagen an diesem Nachmittag schon einige Pilger in den Betten. Anschließend machte ich es mir auf der Terasse gemütlich um meinen Wasserhaushalt wieder auszugleichen. Dabei lernte ich Werner kennen, einen Pilger, etwas älter als ich. Er kam aus dem Hunsrück und es war sein erster Camino. Er erzählte von den gleichen Schwierigkeiten wie ich sie hatte an diesem Tag und so war ich jetzt etwas beruhigt, das es mir nicht alleine so erging. Werner hielt sogar ein Fahrzeug an um auf den Berg zu kommen. Lelia kam nun auch dazu, sie wirkte als einzige von uns noch recht frisch. Sie war ja auch 41 Jahre jünger und 41 kg leichter als ich. Am Abend gab es ein gemeinsames Abendessen in der Gaststube. An einem der langen Tische saß ich mit Werner aus dem Hunsrück. Gegenüber von mir saß Magdalena aus Polen, eine sehr sympathische und sehr gläubige Pilgerin. Wir verstanden uns vom ersten Augenblick an, obwohl sie kein deutsch sprach. Aber mit Englisch ging es einigermaßen. Die Pilgerrunde war bunt gemischt, aus allen Teilen der Welt kamen sie, um hier zu beginnen und uns alle vereinte eines – das gemeinsame Ziel Santiago de Compostela. In einer Vorstellungsrunde durfte jeder Pilger sagen, woher er kommt und warum er auf dem Camino ist. So erfuhr man gleich am ersten Abend die Namen der Pilger und ihre verschiedenen Motivationen. An diesem Abend enstand so etwas wie eine Gemeinschaft der Orisson Pilger. Da die Sprache auf dem Weg Englisch ist nannten einige diese Gemeinschaft Orisson Family. Viele von ihnen sollte der Zufall, den es ja nicht gibt, wieder auf den Weg und auch am Ziel zusammenführen. Auffallend war, das relativ wenige Deutsche da waren. Das Pilgermenü war reichlich und schmeckte sehr gut. Auf der Terasse lies ich den Tag ausklingen und beobachtete den aufgehenden Vollmond in den Pyrinäen. Mit leichten Zweifeln ging ich an diesem verrückten und schwersten Tag auf dem Camino ins Bett.

10.08.2022 Anreise nach St. Jean pied de Port

Die letzten Tage vor der Abreise waren ganz schön stressig. Sowohl auf der Arbeit, im Pfarrbüro und auch zu Hause wollte alles noch erledigt werden. Ich stresste mich da ganz schön rein, aber es ist doch ein besseres Gefühl, wenn man weis, alles ist so weit vorbereitet und auf den Weg gebracht, so das man beruhigt gehen kann. Und so brachte mich Heike und mein Enkel Anton zum Bahnhof nach Kronach. Beim Abschied war mir schon etwas wehmütig die beiden zurück zu lassen. Anton hatte ich immer wieder mal das Bild gezeigt das mich in Finisterre am Ende der Welt zeigt. Es ist auch mein Startbildschirm auf Handy und PC. Zu Anton sagte ich immer, das wir beide mal dort zusammen hingehen. Es wäre natürlich genial dort mit meinem Enkel an dieser Stelle nach einem Camino zu stehen. Aber das ist noch Wunschdenken. Mit dem 9 Euro Ticket ging es mit der Bahn nach Frankfurt. Dort übernachtete ich in einem kleinen Hotel in der nähe des Bahnhofes um am nächsten morgen den Zug nach Paris zu nehmen. Überpünktlich stand ich am Bahnsteig und wartete auf den Zug. Aber an der Anzeige stand, das der Zug ca. 45 Minuten Verspätung haben würde. Das ging ja schon mal gut los. Fast zeitgleich kam eine Mail der französischen Bahn, das der Zug in Paris eine halbe Stunde Verspätung haben würde. Man musste ja die Bahnhöfe in Paris wechseln, von Paris Est auf Paris Monteparnasse. Dafür war normal 1 Std. 20 Minuten Zeit. Da dachte ich mir, das würde ja dann trotzdem noch passen. Am Bahnsteig stand auch ein junges Mädchen. Sie hatte auf ihrem Rucksack eine Jakobsmuschel und so war zu vermuten, das auch sie auf den Camino gehen würde. Kurzerhand sprach ich sie an und sie bestätigte meine Vermutung. Sie erzählte, das sie schon in Paris war und sich auch mit der Metro auskennt. Zudem sprach sie auch französisch. Wir verabredeten uns, das wir uns auf dem Bahnsteig in Paris treffen um gemeinsam ein Ticket für die Metro zu kaufen. Im Zug ging ich zu den Schaffnern um mir Infos für den Anschlußzug zu holen. Sie schrieben mir auf französisch eine Nachricht aufs Ticket mit der Verspätungszeit. Auch gab es für die Metro keine Tickets im Zug zu kaufen, obwohl es auf der Webseite hies, es gäbe welche. Nachdem der Zug die Verspätung nicht aufholen konnte gingen wir schnellstmöglich zu den Ticketschaltern, und das was uns dort erwartete verschlug uns die Sprache. Bis auf 2 Ticketautomaten waren alle anderen außer Betrieb und vor den beiden anderen endlose Schlangen, so das es keinen Sinn machte sich dort an zu stellen. Also beschlossen wir ein Taxi zu nehmen. Das brauchte aber durch den Pariser Verkehr auch gefühlt eine halbe Ewigkeit. Wir kamen um 12.09 Uhr an und suchten auf der Anzeige nach unseren Zug. Fehlanzeige, der Zug war gerade weg vor unseren Augen, obwohl er planmäßig eigentlich um 12.11 Uhr fahren sollte, und das ohne die angekündigte Verspätung. Mit Lelia, so hieß das junge Mädchen ging ich zum Schalter der französischen Bahn. Zum Glück sprach Lelia perfektes französisch. Dort sagte man uns, das in 2 Stunden nochmal ein Zug nach Bayonne gehen würde, allerdings würden wir keine Platzreservierung im TGV bekommen. Wir dachten uns nichts dabei und warteten gemütlich am Bahnhof auf den Zug. Nach der Ankunft in Bayonne würden wir dann noch den letzten Zug nach St. Jean pied de Port bekommen. Dort hatten sowohl ich als auch Lelia eine Unterkunft gebucht. Meine Unterkunft sollte die gleiche sein wie 2016, die kirchliche Herberge Kaserna. Diese konnte man nur einen Tag vorher buchen. Dankenswerterweise hatte das Andre, mein französischer Freund, für mich erledigt. Es funktioniert eben alles besser wenn man die Sprache spricht, oder man hat jemanden der es kann. Die Zeit verging am Bahnhof nur langsam, aber endlich wurde unser Zug angezeigt. In der Warteschlange trafen wir auf einen anderen Deutschen, der eine ähnliche Verspätung hatte wie wir. Er konnte nicht glauben, das wir ohne Sitzplatzreservierung in den TGV kommen würden. Noch immer dachten wir uns nichts dabei und stiegen im hinteren Teil des Zuges ein, um von dort nach vorne einen freien Sitzplatz zu suchen. Diesen fanden wir auch recht schnell und der Zug fuhr planmäßig los. An der Anzeige erschien dann die Zugnummer 7574. Ich meinte noch zu Lelia, das muss ein Zahlendreher sein, unser Zug hatte doch die Nummer 7547. Aber darunter stand, das der Zug nach Tarbes fährt. Tarbes kannte ich noch, das war in der Nähe von Lourdes, was ja eine ganz andere Richtung ist. Jetzt wurde auch Lelia unsicher. Kein Schaffner war in der Nähe zu sehen, und so beschlossen wir am nächsten Bahnhof auszusteigen, was sich als fataler Fehler erweisen sollte. Nun standen wir irgendwo im Nirgendwo von Frankreich. Am Bahnschalter versuchte Lelia der Dame zu erklären wie das alles zu Stand gekommen ist. Ich bewunderte das junge Mädchen, wie sie diese Situation plausibel erklären konnte. Es stellte sich heraus, das der Zug in Bordeux geteilt wurde, der eine vordere Teil mit der Nummer 7547 wäre nach Bayonne gefahren, der andere hintere Teil mit der Nummer 7574 fuhr nach Tarbes. In diesen wären wir gesessen. Die Frau in Paris hätte uns nur sagen müssen, das wir in den vorderen Teil des Zuges gemusst hätten. Aber so saßen wir jetzt fest. Nach langen suchen, sagte man uns, das es noch ca. 3 Stunden später einen Zug gibt, der nach Bayonne geht. Allerdings würden wir dann erst um 22.00 Uhr dort eintreffen. Keine Chance mehr um nach St. Jean pied de Port zu kommen. Also mussten wir eine Unterkunft in Bayonne suchen. Dort gab es eine Pilgerherberge. Lelia telefonierte mit dieser, und sie hatten für uns auch noch einen Platz. Allerdings sollte diese um 21.00 Uhr schließen, aber die Frau dort sagte, sie würde auf uns warten. Das gibt es nur auf dem Camino, obwohl wir uns noch auf der Anreise befanden. Auch mussten wir unsere Unterkünfte in St. Jean pied de Port absagen. Lelia musste ihr Unterkunft leider bezahlen. Meine Unterkunft in der Kaserna konnte von Andre storniert werden. Ich hatte ja für den nächsten Tag nur die Strecke bis Orisson geplant und wollte dort auch übernachten. Diese hatte ich auch von zuhause aus reserviert. Lelia wollte keine Zwischenstation dort machen, konnte aber aufgrund, das wir erst gegen Mittag des Folgetages in St. Jean pied de Port ankommen sollten, nicht komplett mehr über die Pyrinäen gehen. Sie versuchte in Orisson anzurufen. Nach mehrmaligen Versuchen gelang es ihr auch dort ein Bett zu bekommen. Nun war erstmal alles geregelt und wir hofften, das es jetzt reibungslos nach Bayonne gehen würde. So war es auch dann. Dort angekommen mussten wir per Google Map unsere Herberge suchen. Wir fanden sie recht schnell und bekamen dort auch noch etwas zu Essen und Trinken, hatten wir doch vor lauter Aufregung das ziemlich vernachlässigt. Nun waren wir also in einer Pilgerherberge und angekommen auf dem Camino. Noch stellte sich kein Pilgerfeeling ein, was auf die anstrengende Anreise zurück zu führen war. Nach einem langen Tag fiel ich total erschöpft ins Bett und war froh hier zu sein.

Vorbereitung auf den Camino Frances 2022

2022 Vorbereitung auf den Camino Frances
Kaum zu glauben, aber ich wage es nochmal mich auf den Camino Frances zu begeben. Lange habe ich darüber nachgedacht, ob ich nochmals einen Camino gehen will. 2020 hatte ich ja ursprünglich den Camino Primitivo von Oviedo nach Santiago geplant. Ich stand kurz davor das Flugticket zu buchen, da kam Corona und alles stand still. 2021 hoffte ich auf das Ende von Corona und wollte noch immer auf den Primitivo gehen. Leider wurde es aufgrund Corona wieder nichts mit dem Weg. So verging viel Zeit seit dem Camino Portugues und irgendwie kam bei mir immer wieder der Gedanke mich nochmal auf den Camino Frances zu begeben. Ich war ja schon 2007 mit meinen Freunden Edgar, Wolfgang, Alfred und Frank sowie 2017 mit meinem Freund Edgar auf diesem Weg gepilgert. Aber noch nie alleine. Der Gedanke lies mich nicht mehr los, zumal ich mittlerweile gesundheitliche Probleme mit meinen rechten Bein hatte. Hier hatte sich eine Polyneuropathie eingestellt, eine so genannte Fußheberschwäche, bei der die Nerven im unteren Teil des Beines geschädigt sind. Dadurch ist ein flüssiger Gang nicht mehr möglich und auch ein stolpern ist immer wieder mal möglich. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für so einen langen Pilgerweg mit über 890 km. Aber trotz allem wollte ich diesen Weg nochmal gehen, wobei mich meine Frau Heike bei dieser Entscheidung unterstütze. Nach einigen Gesprächen zu Beginn des Jahres mit meiner Chefin Rita stand fest, das sie mir diese Auszeit ermöglichen wird, wofür ich ihr sehr dankbar bin, denn so etwas ist nicht selbstverständlich in der heutigen Berufswelt. Jetzt musste nur noch der richtige Zeitpunkt gefunden werden. Mein Umfeld verstand teilweise nicht, warum ich noch einmal auf den gleichen Weg gehen will wie 2007 und 2017. Teilweise verstand ich es selber nicht warum nochmal diesen Weg. Aber es zog mich einfach nochmal dort hin. So wurde im Frühjahr und Sommer geplant und vorbereitet. Die Vorfreude stieg von Tag zu Tag. Viele konnten auch nicht glauben, das ich alleine losgehen wollte. Ich mit mit mir selbst auf dem Camino. Auch hatte ich diesmal keinen Rückreisetermin bzw. auch keinen Rückflug. So lange ich brauchen wollte, so lange konnte ich brauchen. Aber genau das war diesmal mein Wunsch. Auch diesmal wollte ich nicht ohne Pilgersegen gehen. Leider konnte mein Freund Michael Dotzauer mir diesmal nicht den Pilgersegen spenden. Am Skapulierfestmontag war Dieter Jung zu Besuch in Lahm, und wir vereinbarten, das er mir den Pilgersegen spendet. Hier schloß sich auch wieder irgendwie ein Kreis, hatte ich Dieter doch auf dem letzten Camino 2019 „zufällig“ in Santiago getroffen. Dazu begaben sich meine Frau und ich nach Schwarzenbach um dort bei einer kleinen Andacht den Segen für den Weg zu erbitten. Ein Essen mit meinem Freud Dieter rundete diesen Sommerabend ab. Wie sich später herausstellen sollte, begab sich Dieter auch im Sommer auf den Schweizer Jakobsweg. Und das auch ganz spontan. Er wollte eigentlich Urlaub im Allgäu machen. Aber in seiner Unterkunft war Corona und so musste er umdisponieren. Er entschloss sich kurzfristig auch alleine auf den Schweizer Jakobsweg zu gehen. Vielleicht hatte diese gemeinsame Andacht in Schwarzenbach damals für uns beide so seinen tieferen Sinn. Aber auch diesmal wollte ich noch einen Pilgersegen von meinem heimischen Pfarrer. Sven Raube spendete ihn mir dann 2 Tage vor Abreise, so das ich mit genug Segen den Weg beginnen konnte.

Rückreise nach Grümpel

Weit nach Mitternacht kam ich mit dem Bus am Flughafen an. Mein Flug ging aber erst um 6.30 Uhr und so musste ich mich die Nacht am Flughafen um die Ohren schlagen. Ich suchte mir eine Bank um wenigstens etwas Schlaf zu bekommen. Aber wie sich jeder denken kann ist an richtigen Schlaf auf einer ungemütlichen Bank nicht zu denken. Man döst halt so vor sich hin. Um mich herum waren alle Bänke mit mehr oder weniger schlafenden belegt. Die Idee auf dem Flughafen zu übernachten hatten offensichtlich noch mehr Menschen. Nach der Gepäckaufgabe und der Sicherheitskontrolle öffnete endlich eine Kaffebar in der man Frühstücken konnte. Ein Cafe con Letche um diese Zeit tat richtig gut. Pünktlich ging es dann mit dem Flieger nach Madrid. Dort musste ich umsteigen, wusste aber nicht ganz genau wo das Gate war. Die Umsteigezeit war sehr knapp mit 20 Minuten. Als ich herausgefunden hatte, das ich zum Gate 96 musste, kam schon etwas Hektik auf, lag dieses doch am Ende der Halle und Madrid ist weißgott kein kleiner Flughafen. Aber schließlich war ich doch pünktlich am Gate. Pünktlich landete schließlich der Flieger in Frankfurt. Aber leider kam am Gepäckband mein Rucksack und die Stöcke nicht mit an. Auch anderen Pilger erging es ebenso. Die Frau am Schalter nahm meine Verlustmeldung auf und meinte, das wohl die kurze Umsteigezeit daran Schuld sei und das Gepäck mit dem nächsten Flieger aus Madrid kommen würde. Ich würde es dann am nächsten Tag mit DPD bekommen. Zum Glück passierte das auf der Heimreise und nicht auf dem Hinflug. Allerdings hatte ich alles im Rucksack, sogar mein Ladekabel. Den Zugfahrschein hatte ich allerdings vorsichtshalber in der Tasche. Der Ladezustand meines Handys wurde immer geringer und ich musste sehr sparsam damit umgehen. Ich musste ja noch telefonieren damit ich vom Zug abgeholt werden konnte. Mit dem Zug ging es dann ab Frankfurt nach Würzburg, aber hier hatte der ICE 10 Minuten Verspätung und dadurch waren alle Anschlußzüge weg. Aber zum Glück verkehrten ja noch etwas später Züge die mich in die Heimat bringen konnten. Nach einer Verspätung von 1,5 Stunden kam ich schließlich in Kronach an, wo ich mich vor fast 2 Wochen auf den Weg machte. Meine Frau Heike wartete schon am Bahnsteig und wir fielen uns in die Arme. Es war schon eine lange Zeit in der ich wieder weg war und sie alles daheim alleine managen musste, während ich mir den Traum vom Camino Portugues erfüllen konnnte. Dafür bin ich unendlich dankbar, das sie mir dies ermöglichte. Man hatte unendlich viel zu erzählen und wusste gar nicht womit man anfangen sollte. Am Samstag besuchte uns Jens, seine Frau Carolin und seine Mutter, sie hatten in unserer Kinderzeit bei uns in der Grümpel immer ihre Ferien verbracht. Wir trafen uns nach mehr als 30 Jahren mal wieder und feierten das entsprechend. Am späten Nachmittag kam dann ein Auto mit spanischen Kennzeichen auf den Hof gefahren und zu meiner Überraschung stand Javier Perez und sein Frau Ines vor mir. Sie brachten einen Wein aus ihrer Heimat Leon in Kastillien und machten gerade mal wieder Urlaub in Wilhelmsthal und in der Grümpel. Bei der Geschichte mit Javier muss man etwas länger ausholen, so unglaublich erscheint sie einen. Einordnen muss man sie dennoch unter „Nichts ist Zufall“. Mein Nachbar Steffen rief mich eines Abends im Februar 2017 an, ich solle doch mal beim ehemaligen Haus vom „Mühl Hans“, das nach seinem Tod verkauft wurde, bei uns in der Grümpel vorbeischauen um diverse Schreinerarbeiten dort auszuführen. Das Haus hatte ein Spanier gekauft, den ich bis dahin noch nicht kennengelernt hatte, obwohl er ja nicht weit von mir entfernt wohnt. Beim Gespräch fragte ich ihn, woher er denn in Spanien käme, und die Antwort haute mich fast um. Er wohnt mit seiner Familie in der Nähe der Kathedrale von Leon – konnte das Zufall sein? Wir besuchten ihn und seine Frau Ines bereits 2017 in Leon auf unseren Camino Frances. Sie waren mittlerweile Freunde von uns geworden. Hier schließt sich wieder ein Kreis und „Nichts ist Zufall“. Dankbar und mit vielen Erinnerungen und Begegnungen im Herzen endete mein Camino Portugues. So Gott will und ich gesund bleibe, wird mein Camino eines Tages weitergehen. Ein weiteres Rendezvous mit der Seele des Camino wartet dann wieder auf mich. Nichts ist Zufall.

Ultreia und Buen Camino

Segen vom Kloster Herbon:
Liebe sei dir das Licht der Hoffnung auf deinem Weg.
In deinem Herzen herrsche Frieden.
Güte sei das Siegel deines Lebens.
Der Glaube stärke dich angesichts des Geheimnisses des Lebens.
Und wenn das Ziel erreicht ist, umarme dich die Liebe allezeit.
Sei Glücklich und mache deine Mitmenschen glücklich.

Aufenthalt in Santiago de Compostela

Auch diese Nacht konnte ich gut schlafen und mein erster Weg führte mich in die Pilgermesse. Inga kam fast zeitgleich an und auch Daniel und Jacqueline waren gekommen. Auch heute waren wir wieder nur zu dreizehnt. Wie am Abendmahl Jesus und seine 12 Jünger. Ich durfte die Lesung vortragen und da heute das Fest Maria Königin war, wurden einige bekannte Marienlieder gesungen. Ein sehr festlicher Gottesdienst der auch heute wieder mit dem Einzelpilgersegen zu Ende ging. Vor der Kirche teilte ich noch einige Karten mit den Segenswünschen die ich dabei hatte aus. Alle freuten sich sichtlich darüber. Daniel fragte mich anschließend, ob ich denn Pilgerhard sei, was ich bejahte. Er sagte, das er 2 Pilgerinnen getroffen hatte, die ihm erzählten, das ein Pilgerhard einen sehr schönen Text ins Gästebuch des Klosters Herbon geschrieben hatte. Er wusste ja, das ich Gerhard heiße und folgerte daraus, das ich Pilgerhard sein müsste. Verückt oder! Da es ja noch früh am Morgen war führte uns der Weg gleich in die Kathedrale. Hier waren noch realtiv wenige Pilger und so konnten wir uns in die kurze Schlange stellen um hoch zum Jakobus zu gehen, damit wir ihn umarmen konnten. Auch war noch genügend Zeit um an das Grab des Apostels zu gehen. Beim verlassen der Kathedrale waren draußen schon wieder große Menschenmassen zu sehen die in die Kathdrale drängten. Kein schöner Anblick. Der nächste Weg führten Inga und mich ins Gebäude wo es die Compostela gibt, um eine Nummer zu ziehen. Auch hier hatte sich etwas verändert. Man musste also jetzt eine Nummer ziehen um seine Compostela zu bekommen. Der Vorteil war dabei, das man nicht mehr anstehen musste, sondern man konnte einen Barcode einscannen, und mit dem konnte man ungefähr abschätzen wann man dran war. Derweil setzten wir uns in ein Cafe und machten gemütlich zusammen Frühstück. Dieses lag strategisch günstig und wir konnten alle beobachten die zum Gebäude gingen um die Compostela abzuholen. Wir amüsierten uns teilweise köstlich wer sich so alles auf den Weg dorthin machte. Unter anderem kamen 3 Frauen mittleren Alters mit exakt den gleichen Rucksäcken und ich sagte zu Inga, das müssen die Dienstagsfrauen auf dem Jakobsweg sein. Inga kannte den gleichnamigen Film nicht, suchte aber gleich danach. Nach fast 2 Stunden warten war ich endlich dran, um die Compostela abzuholen. Ich hatte diesmal realtiv wenige Stempel. Mir war es diesmal irgendwie zu lästig in jeder Bar nach Stempeln zu fragen. Der Mann am Schalter schaute irgendwie kritisch auf meine wenigen Stempel und fragte ob ich denn wirklich von Porto aus zu Fuß gepilgert sei, was ich bestätigte. Natürlich bekam ich auch die Urkunde, trotz der wenigen Stempel. Man soll ja auf den letzten 100 km mindestens 2 Stempel pro Tag haben, was ich definitv nicht hatte. Ich rollte die Urkunde zusammen und steckte sie in die seitliche Hosentasche. Für mich war sie nicht wirklich wichtig, ein Stück Papier. Das was wirklich wichtig ist auf dem Camino, trägt man sowieso im Herzen. Um 12.00 Uhr besuchte ich nochmal die Pilgermesse und im Anschluss war Shoppen angesagt. Einige Muscheln und Andenken mussten natürlich sein, auch wenn es in den Andenkenläden sehr viel unnützes gab. In einer der Läden traf ich dann auf 2 Italiener die mein grünes Armband wiedererkannten. Das hatten wir gestern beim Friedensgebet bekommen und die beiden hatten auch eines. Ich konnte mich noch an sie erinnern. Später hatte ich mich wieder mit Inga verabredet. Sie packte zwischenzeitlich, denn am späten Nachmittag ging ihr Bus nach Porto. In unserer Stammkneipe verbrachten wir die restliche Zeit, die viel zu schnell verging. Wir hätten noch so viel erzählen und philosophieren können, aber leider mussten wir uns nun voneinander verabschieden. Für den Abend war ich dann mit Dieter und Sabine verabredet. Sie waren ja heute in Finisterre gewesen. Ich versuchte Dieter anzurufen, konnte ihn aber nicht erreichen. Aber wir trafen uns dann trotzdem wieder „zufällig“ auf dem Obradeiro. Auch mit ihnen gingen ich zu unserer Stammkneipe. Sie hatten noch eine Begleiterin dabei, Gielian. Ein ausgeprochen ungewöhnlicher Name, sie war Professorin und schon einige Tage mit Sabine und Dieter unterwegs. Als sie sah, das ich die Pilgerurkunde einfach zusammengerollt und schon etwas zerknittert in der Seitentasche trug, meinte sie, das dies etwas arogant und respektlos von mir sei. Aber für mich war es einfach nur ein Stück Papier. Dieter und ich hatten uns natürlich viel zu erzählen. Dieter sprach mich natürlich wieder auf die 92. Etappe an. Bei dieser Etappe auf dem Camino Frances hatte ich berichtet wie wir Dieter damals kennenlernten und dazu geschrieben, das Dieter mehr fragt als er antwortet. Er hatte mir daraufhin geschrieben ob noch etwas offen sei. Wir mussten nach 2 Jahren darüber immer noch lachen. Und auch hier verging die Zeit viel zu schnell und es hieß dann Abschied nehmen. Wir sagten das wir uns sicherlich wieder mal hier in Santiago treffen werden und jeder durfte noch einen Karte mit den Segenswünschen ziehen. Nichts ist ja Zufall. Zwischenzeitlich hatte Katharina angerufen und wollte sich auch von mir verabschieden. Sie wusste ja das ich morgen abreisen musste. Sabine und Dieter waren gerade gegangen, da stand auch schon Katharina vor mir. Wir tranken noch zusammen ein Glas Weißwein und es war schon etwas wehmut dabei, wusste ich doch, das ich jetzt gehen musste. Auch Katharina durfte nochmal eine Karte mit den Segenswünschen ziehen und sie freute sich sehr darüber. Nun musste ich mich aber auf den Weg zur Herberge machen, um meinen Rucksack abzuholen. Anschließend noch ein letzter Blick auf die Kathedrale und nun ging ich zu Fuß zum Busbahnhof. Von dort ging um 23.20 Uhr ein Bus zum Flughafen. So endete schließlich der letzte Tag meines Camino Portugues in Santiago.

Gracias und Buen Camino

Aufenthalt in Santiago de Compostela und Ausflug Finisterre

Die Nacht im Seminario Menor war ruhig und ich konnte tief und fest schlafen. Da es gestern doch etwas später geworden ist, war die Nacht entsprechend kurz, wollte ich doch um 8.00 Uhr zur deutschen Pilgermesse. Diese fand in St. Fiz an den Markthallen statt und lag auf direkten Weg vom Seminario Menor zur Kathedrale. Benedikt, Daria und Hans der Diakon waren auch gekommen, Sonst kannte ich keine weiteren Pilger. Aufgrund der überschaubaren Pilgerzahl saßen wir alle zusammen im Altarraum. Plötzlich steht ein Pilger vor mir uns sagt: Gerhard, was machst du denn hier? Ich schaute zunächst verdutzt und musste mich erst mal sammeln. Dann fielen wir uns in die Arme. Es war Dieter aus dem Schwabenland. Ihn hatten Edgar und ich vor 2 Jahren auf dem Camino Frances immer wieder mal über einen längern Zeitraum getroffen. Auch waren wir damals zusammen in Santiago des öfteren unterwegs. Und jetzt treffen wir uns hier nach 2 Jahren in der deutschen Pilgermesse. Nichts ist Zufall! Die anderen anwesenden konnten dies kaum glauben und schüttelten des öfteren den Kopf. Er erzählte mir, als er hinten in der Kirche stand und mich an meiner blauen Jacke erkannte, die ich bereits vor 2 Jahren trug, konnte er es selbst kaum glauben und sagte zu seiner Frau. „Da ist der Gerhard“. Sie verstand nicht was er meinte, wie auch, so etwas erwartet man ja nicht. Dieter war zusammen mit seiner Frau unterwegs. Die beiden waren in Leon gestartet. Wir hatten uns natürlich viel zu erzählen, mussten uns aber erstmal gedulden, denn jetzt war Pilgermesse. Der Pilgerpfarrer und der zuständige Diakon gestalteten diesen Gottesdienst ganz hervorragend. Besonders die Predigt war gelungen. Eigentlich schade das wir hier nur zu dreizehnt waren, inklusive Pfarrer, Diakon und einer Helferin. 9 deutschsprachige Pilger, bei der Menge von Pilgern die jeden Tag Santiago erreichen, sehr bedenklich für mich, handelt es sich doch immer noch um einen Pilgerweg und am Ende sollte doch auch eine Pilgermesse dazu gehören. Zumal diese sehr ansprechend war. Am Ende der Messe gab der Pfarrer noch jeden einzeln den Pilgersegen. Jetzt war Zeit sich zu unterhalten, was wir natürlich ausgiebig taten. Wir verabreteten uns für den morgigen Abend, denn heute hatten Dieter und seine Frau schon andere Verabredungen getroffen. Auch ich wollte heute nach Finisterre, aber nicht zu Fuß wie das letzte mal, sondern mit dem Bus. Zunächst musste ich erstmal zum Busbahnhof der ca, 20 Minuten entfernt war. Dort angekommen fragte ich mich durch und kaufte einen Fahrschein. Inga, die Pilgerin aus dem Pilgetreffen hatte mir gestern noch ihre Telefonnummer gegeben damit wir uns für die Fahrt nach Finisterre verabreden können.. Ich rief sie an und sie war schon auf dem Weg zum Busbahnhof. So fuhren wir zusammen zum Kap. Nach fast 2 Stunden Busfahrt machten wir zunächst ein kleines Frühstück, bevor wir uns getrennt auf dem Weg zum Ende der Welt machten. Auf dem Weg dahin sprach mich ein Pilger aus Kulmbach an. Er hatte mich im Bus fränkisch reden hören, was ja nicht zu verleugnen ist. An der alten Kirche von Finisterre war ich erstaunt, war sie doch diesmal offen, Vor 12 Jahren feierten wir eine Messe hier mit einer deutschen Reisegruppe und vor 2 Jahren war sie geschlossen. Ich nutzte natürlich diese einmalige Gelegenheit um dieser einen Besuch abzustatten. Es war ergreifend hier wieder nach 12 Jahren zu sitzen. Am Km Stein Null angekommen war alles überfüllt mit Autos und Menschen. Auch hier hatte sich einiges seit 2 Jahren verändert. Irgendwie war es natürlich anders als zu Fuß hier her zu kommen. Trotzdem war es wieder ein emotionaler Hochgenuss eine längere Zeit auf dem Felsen am Meer zu sitzen und sich unsere Endlichkeit bewußt zu machen. Man konnte trotzdem alleine sein, wenn man sich weit genug hinunter wagte, denn viele hatten etwas Angst dabei. Dann kam Inga dazu und wir saßen teils schweigend teils unterhaltend noch etwas zusammen auf dem Felsen. Ich machte mich dann zurück auf den Weg nach Finisterre um am Meer Fisch zu Essen. Mittlerweile hatte ich ganz schön Hunger, hatte ich doch schon lange nichts mehr gegessen. Später traf ich mich mit Inga an der Bushaltestelle für die Rückfahrt. In Santiago musste ich mir erst mal ein Ladekabel für mein Handy besorgen, den mein altes funktionierte schon seit ein paar Tagen nicht mehr richtig. Danach trafen wir dann Daniel und Jacqueline die gerade in Santiago angekommen waren und auf der Suche nach ihrer Herberge waren. Wir umarmten uns vor Wiedersehensfreude. Die beiden hatte ich letzte Woche irgendwo auf dem Weg eine kurze Zeit getroffen und trotzdem freut man sich herzlich sich wieder zu treffen. So etwas gibt es nur hier auf dem Camino. Mein Freund Dieter, der Pfarrer, sagte mir das es am Abend ein internationales Friedensgebet im Kloster geben würde und ich entschloss mich es zu besuchen. Man sollte am Eingang warten und würde dann abgeholt. So war es auch dann auch. Es stand auch ein Deutscher mit Namen Robert dabei. Er fragte mich woher ich denn meine Muschel habe, die ich um den Hals trage? Ich sagte, das sie ein Geschenk meiner Frau sei. Er wollte sie mal genauer ansehen, denn auf der Rückseite würde sie ein Zeichen haben. Nachdem er sie begutachtete hatte sagte er, das er diese Muschel über das Internet verkauft hatte. Das Friedensgebet war bei Kerzenlicht sehr stimmig und spirituell gestaltet. Jeder durfte in seiner Sprache etwas beten und ein Friedenslicht anzünden. Allerdings war es hier wie bei der deutschen Pilgermesse am Morgen. Wir waren nur 14 Pilger aus Spanien, Italien. Polen und Deutschland. Es waren zwar einige wenige Pilger mehr, aber es handelte sich um das internationale Friedensgebet. Ich hätte auch hier mehr Pilger erwartet. Den Abend ließ ich dann zusammen mit Robert ausklingen. In einer kleinen Bar saßen wir darußen, denn es war noch richtig warm. Auch mit ihm konnte man sich gut unterhalten und wir lagen auf der gleichen Wellenlänge. Wolfgang, den ich in der Herberge in Padron getroffen hatte stand plötzlich vor mir. Fast hätte ich mich nicht mehr an ihn erinnert und musste sogar nachfragen. Es war mir etwas peinlich, hatte ich ihn doch erst vor ein paar Tagen getrofen. Aber bei den vielen Pilgern, die ich kennengelernt hatte kann das schon mal passieren. Gleich darauf begrüßten mich Salvo und Carla mit inniger Umarmung, sie hatte ich zuletzt in der Casa Fernanda getroffen. Hier konnte ich mich gleich erinnern. Wahnsinn alle hier nochmal zu treffen. Der Camino verliert niemanden und Pilger die sich verstehen treffen sich immer wieder. Nichts ist Zufall. Es war auch heute wieder spät geworden und zusammen mit Robert, der auch im Seminario Menor wohnte, machte ich mich auf den Rückweg. Von ihm musste ich mich auch gleich verabschieden, denn er reiste ganz früh am Morgen ab. Nach einem intensiven Tag ging ich zu Bett. Zwischenzeitlich war mein Handy ausgegangen und als ich es mit dem neuen Ladekabel wieder verbunden hatte, las ich, das Inga mit mir Essen gehen wollte. Schade, aber dafür war es jetzt leider zu spät. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in der deutschen Pilgermesse.

Gracias und Buen Camino

10. Etappe O Milladoiro nach Santiago de Compostela

Trotz der vielen Pilger im Schlafsaal war die Nacht ruhig und ich stand sehr früh auf. Ich hatte ja nur noch 7 km bis zum Ziel, der Kathedrale von Santiago de Compostela. Nach einem Kaffee aus dem Automaten machte ich mich noch in der Dunkelheit auf den Weg. Als die Sonne aufging konnte ich schon von weiten die Stadt sehen. Aber der Weg zog sich noch eine ganze Weile durch die Vorstädte von Santiago hin. Der Weg war relativ schlecht gekennzeichnet, aber man ging irgendwie instinktiv Richtung Kathedrale. Es waren nur ganz wenige Pilger unterwegs und gegen 8.30 Uhr war ich schon in der Nähe der Kathedrale. Die Entscheidung schon am Morgen anzukommen erwies sich als absolut richtig. Es waren kaum Pilger auf dem Obradeiro und man konnte ganz bewusst das ankommen genießen. Ich war schon gestern aufgeregt und zugleich gespannt wie es sein würde, nochmal hier anzukommen. Ich hatte es ja schon zu fünft und zu zweit erlebt. Wie würde es jetzt alleine sein? Eigentlich hatte ich keine großen Erwartungen und war ganz ruhig. Der rote Teppich und das Feuerwerk würden eh ausbleiben. Als ich ankam war es aber dann komplett anders. Irgendwie war es schon eigenartig, es schüttelte mich richtig durch und mir standen die Tränen in den Augen. Auch diesmal gab es diesen Augenblick, von dem es heißt: Irgendwann weinst du auf dem Weg. Das hatte ich nicht erwartet, das mich dieses Ankommen so berührt, war ich doch schon zwei mal an diesem Ort gepilgert. Jeder Weg hat eben seine eigene Geschichte, auch wenn er wieder das gleiche Ziel hat. Ich stand eine ganze Weile mitten auf dem Platz und genoss den Augenblick. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf bis ein Amerikaner kam und mir gratulierte. Danach wollte er wissen, wo hier der Weg nach Finisterre geht. Das wusste ich zwar noch vom letzten mal, musste mich aber trotzdem erstmal orientieren um ihm nichts falsches zu sagen. Jetzt wollte ich mich auf den Weg zum Seiteneingang der Kathedrale machen. Durch diesen soll der Pilger als Zeichen der Demut die Kathedrale betreten und nicht durch die Porta de Gloria. Ich hoffte das sie offen sei, denn in der Kathedrale war Baustelle. Ich war noch nicht ganz über den Platz gelaufen, da traute ich meinen Augen nicht. Vor mir stand mein Freund Dieter (Jung). Dieter kam 2009 als Praktikant in unsere Pfarrei nach Lahm als ich dort noch Pfarrgemeinderatsvorsitzender war. Wir begleiteten ihn dort auf seinen Weg zum Diakon und schließlich zum Pfarrer. In all den Jahren war er mir zum Freund geworden, Als ich ihn sah warf ich meine Wanderstöcke weg und wir fielen uns freudestrahlend in die Arme. Es war der Wahnsinn, das wir beide uns hier in Santiago treffen, obwohl wir zuvor nicht miteinander telefoniert hatten. Er sagte mir zwar beim Skapulierfest in Lahm, als wir uns das letzte mal trafen, das er den Camino Primitivo gehen will. Dabei stellten wir fest, das er fast zur gleichen Zeit wie ich ankommen würde, wussten aber nicht ob es funktionieren würde, den es war schwer abzuschätzen wann ich bzw, er ankommen würde. Es wird mir unvergesslich bleiben, ihn in Santiago am Ende unserer Caminos getroffen zu haben. So etwas kann man eigentlich nicht planen. Dieter und sein Freund Werner wollten an diesem Tag mit dem Bus nach Muxia und Finisterre. Wir verabredeten uns deshalb für den Abend um zusammen Essen zu gehen und unser Treffen in Santiago zu feiern. Ich ging zum Seiteneingang, aber leider war er verschlossen. Also zurück zur anderen Seite der Kathedrale mit dem anderen Seiteneingang. Dort gab es eine Andenkenladen, bei dem man seinen Rucksack deponieren konnte, denn damit darf man nicht in die Kathedrale. In der Kathedrale waren um die Zeit noch nicht all zu viele Leute, So konnte ich mich in Ruhe an das Grab des Apostels begeben und in Stille dort eine längere Zeit zu beten und zu verweilen. Danach wollte ich hoch zum Jakobus um ihn zu umarmen, aber was ich da sah war der Wahnsinn. Woher kamen jetzt all die Menschen? Eine riesig lange Schlange hatte sich gebildet und lies eine längere Wartezeit erwarten. Dies wollte ich mir heute nicht antun und entschloss das in den nächsten Tagen nachzuholen. Vor der Kathedrale hatten sich am Eingang auch bereits längere Schlangen gebildet. Einfach Wahnsinn. Ich entschloss mich wieder nach draußen auf den Platz zu gehen. Vor mir saß auf dem Boden Eike aus Nürnberg. Wir begrüßten und beglückwünschten uns herzlich, als wenn wir uns schon Jahre kennen würden. Jetzt kamen auch Christiane, Vivian, Johanna und Paulina an. Ich begrüßte sie herzlich, gratulierte zur Ankunft in Santiago und freute mich mit ihnen. Es war einfach schön, das strahlen in den Gesichtern zu sehen wenn das Ziel erreicht ist. So nach und nach füllte sich der Platz und das Gewimmel wurde immer größer. Es war also absolut die richtige Entscheidung ganz früh am Morgen anzukommen. Eike und ich entschlossen uns zusammen zur Pilgermesse um 12.00 Uhr zu gehen. Johanna und Paulina kamen dann auch noch dazu. Diese findet aufgrund der Renovierungsarbeiten in der Kathedrale in St. Franziskus statt. Im Vergleich zu den Messen in der Kathedrale waren aber deutlich weniger Menschen in der Mittagsmesse. Für viele gehört die Messe schon nicht mehr zum Ankommen in Santiago. Genauso konnte man beobachten was die Leute nach dem Ankommen auf dem Obradeiro machen. Normalerweise sollte man denken, der erste Weg wäre der zum Grab des Apostels, das ja schließlich das Ziel aller Jakobswege ist, aber weit gefehlt, für viele ist es oft wichtiger zuerst die Urkunde zu bekommen. Auch fuhr mittlerweile eine Bimmelbahn. Sollte der Pilger in Porto am Ende recht behalten, der ins dortige Gästebuch schrieb, Santiago ist mittlerweile wie Disneyland geworden. Jetzt musste ich erst mal eine Unterkunft in Santiago suchen. Was lag näher als zum Seminario Menor zu gehen, in dem wir schon 2017 waren. Es war eine riesengroße Herberge und da bekommt man mit großer Wahrscheinlichkeit ein Bett. So war es dann auch. Ich bezog mein Bett, schloß meinen Rucksack ein und ging zurück in die Stadt. Auf der Straße rief eine Stimme meinen Namen, ich drehte mich um und es waren Benedikt und Daria. Bei Benedikt musste ich eine Zeitlang überlegen woher ich ihn kannte. Er half mir dann dabei. Wir hatten uns in Porto beim Warten auf die Metro am Flughafen kennengelernt. Wahnsinn ihn hier wieder zu treffen und vor allem, das er sich noch an mich erinnern konnte. Auch Daria hatte ich seit unserer Begegnung in Barcelinho nicht mehr gesehen, aber sie erkannte ich gleich wieder. Pilger die sich finden sollen, finden sich auch wieder. Gleich danach rief wieder eine Stimme nach mir, diesmal aus einer Kaffebar, es war Paulho, der gerade mit Martina einen Espresso trank. Die beiden baten mich dazu. Die Herzlichkeit die beide ausstrahlten war einfach ansteckend. Pilger die einander verstehen finden sich immer wieder zusammen. Im Nu war eine Stunde vergangen und ich wollte ja noch zum Treffen der deutschsprachigen Pilger ins Pilgerzentrum. Zu diesen Treffen waren gerademal 4 Pilger gekommen, schon verückt wenn man bedenkt, wie viele an einem Tag ankommen. Es war trotzdem eine schöne Begegnung in einer ruhigen Atmosphäre und dort auch von den Erfahrungen der anderen Pilger auf dem Weg zu hören. Eine ganz junge Pilgerin erzählte, das sie in Portugal zwei mal belästigt wurde. In der Dunkelheit wurde sie am frühen Morgen von einem Mann mit Maske verfolgt der dabei onanierte. Sie rief daraufhin die Polizei, welche sich aber nicht darum kümmerte. Das andere mal wurde sie sogar angegriffen, sie konnte sich aber wehren, denn sie konnte Kampfsport. Von solchen Horrorgeschichten hatte ich bisher noch nicht gehört. Zum Glück hatte das Mädchen die Erlebnisse gut verarbeitet. Inga, eine Pilgerin aus Köln erzählte, das sie einmal keine Unterkunft fand, und eine Nacht zusammen mit einer anderen Pilgerin in einem Stundenhotel verbringen musste. Irgendwie auch eine eigenartige und skurile Erfahrung. Mit Hans, einem Diakon aus München unterhielt ich mich über die positiven aber auch negativen Seiten des Pilgerns und besonders über die Folgen hier in Santiago – Disneyland eben. Er war das erste mal hier und war nicht dieser Meinung. Aber bei jedem überwog trotz einiger negativer Erlebnisse am Ende die Freude am Camino und das Ankommen am Ziel. Später war dann am Abend die Führung um die Kathedrale. Hier wurden einige Stellen außen an der Kathedrale theologisch ausgelegt. Um die Kathedrale verteilen sich am Abend viele Gaukler und Künstler um ihre Darbietungen zu zeigen. Dabei wir es oft ganz schön laut. Ich sagte mit einem kleinen Seitenhieb zu Hans nur „Disneyland“ und er nickte nur. Schon skuril was aus diesem heiligen Ort gemacht wurde. Mittlerweile waren Dieter und sein Freund Werner aus Finisterre zurück und wir gingen jetzt in den Tapasbars Essen. In einer dieser Bars war ich gerade auf den Weg zur Theke und wurde mit frenetischen Umarmungen begrüßt. Es waren Juan Carlos und Dani, die ich in der Herberge und Bar in Padron getroffen hatte. Ich hatte sie seither nicht mehr gesehen und wir feierten unser wiedersehen wie wenn alte Freunde sich nach langer Zeit wieder treffen. Die Seele des Camino eben. In unserer Stammkneipe in der Nähe der Kathedrale saßen wir den Rest des Abends bei einem guten Wein zusammen und philosophierten über das Leben, den Glauben, den Camino und noch einige andere Dinge. Mein Pate Alois würde sagen: Den Abend leeres Stroh gedroschen, aber ganz so war es auch nicht. Der Abend verging einfach zu schnell und ich hätte mit Dieter sicherlich noch einige Stunden diskutiert. Aber er musste zurück in seine Herberge, Werner war schon eher gegangen, denn morgen mussten sie früh zurück nach Deutschland reisen. Wir verabschiedeten uns nach dieser unglaublichen Begegnung hier in Santiago mit dem Wunsch uns bald wieder mal zu treffen, so Gott will, vielleicht wieder auf dem Camino. Nichts ist ja Zufall. Und auch ich musste schnellstens in meine Herberge, die schloß ihre Tore um 0.30 Uhr. In der Dunkelheit und auch aufgrund von etwas zu viel Wein fand ich fast den Weg nicht und schaffte es gerade noch rechtzeitig. Ein vollgepackter Caminotag mit vielen Erlebnissen und Emotionen ging zu Ende und letzlich war ich froh im Bett zu sein.

Gracias und Buen Camino

9. Etappe Herbon nach O Milladoiro

Die Nacht war ruhig und ich konnte auch hier wieder gut schlafen. Heute konnten wir lange ausschlafen, war doch erst um 7.00 Uhr ein gemeinsames Frühstück geplant. So hatte man Zeit sich in Ruhe fertig zu machen. Bei Kaffee, Weißbrot, Butter und Marmelade konnte man sich nicht nur für den Tag stärken, sondern auch noch einige schöne Unterhaltungen führen. Nach dem Frühstück durfte man nicht vergessen sein Donativo die freiwillige Spende in die Box zu werfen. Auch freute man sich wenn man etwas in das Gästebuch schrieb. Mein Text: „An diesem wunderbaren Ort, an dem der Himmel die Erde berührt spürt man die Seele des Camino. Herzlichen Dank euch allen und Buen Camino. Pilgerhard“. Draußen machten wir noch ein gemeinsames Gruppenfoto als Erinnerung an den Aufenthalt hier in Herbon. Die Temperaturen waren am morgen doch recht kühl, aber eigentlich war es ideales Pilgerwetter. Zunächst ging es nach Padron, einem der bekanntesten und geschichtsträchtigsten Orte am Camino Portugues. Der Besuch der dortigen Jakobuskirche ist natürlich Pflicht. Bereits am frühen morgen waren relativ viele Pilger in der Kirche. Den weiteren Weg setzte ich dann zusammen mit Johanna und Paulina fort. Unterwegs trafen wir auf ein älteres Ehepaar aus Italien. Die beiden waren sehr langsam unterwegs aber immer fröhlich. Sie machten sich gerade am Wegesrand etwas zu Essen und boten uns etwas an. Wir nahmen die Einladung gerne an und liesen uns die Thunfischbrote schmecken. Eine Kapelle am Wegesrand lud zum verweilen ein. Davor saß eine ältere Frau und kümmerte sich um die Pilger die in die Kapelle wollten. Groß war der Andrang aber nicht. Es war ein besonderer Ort und man konnte bei meditativer Musik sich eine Zeit lang ausruhen. Johanna und Paulina waren zwischenzeitlich weitergelaufen so das ich jetzt wieder alleine unterwegs war. Wir hatten uns aber in der Herberge von Milladoiro verabredet. Ich genoss dieses allein sein bis ich gegen 14.00 Uhr in O Milladoiro ankam. Nach einem kurzen Stück durch die Stadt erreichte ich nach 24 km die Herberge von Milladoiro. Eine nagelneue und mit allem Komfort eingerichtete Herberge. Eigentlich zu schön für Pilger. Ich wurde von 2 freundlichen Brasilianerinnen, die als Hospitalero hier in Spanien tätig waren, sehr freundlich begrüßt. Johanna und Paulina waren noch nicht hier. Irgendwie muss ich sie mal überholt haben, waren sie doch eigentlich vor mir. Vor der Herberge gab es einige Sitzplätze und man konnte dort in Ruhe ein Bier genießen. Nach und nach trafen immer mehr Pilger ein, auch Johanna, Paulina, Christiane und Vivian waren dabei. Zwischenzeitlich hatte ich mich mit einem Italiener namens Paulho angefreundet. Auch seine Freundin Martina mit der er diesen Weg gepilgert hatte war sehr nett. Am Abend wollten wir dann in die Stadt um dort in einem Restaurant zu Abend zu Essen. Leider war an diesem Montagabend fast überall Ruhetag, so dass wir uns nach einigen Zusatzkilometern entschlossen zurück zur Herberge zu gehen. Nebenan gab es eine Bar und die boten auch etwas zu Essen an. Dort waren auch Paulho und Martina. Es war zwar nicht viel Platz im Lokal, aber wir fanden dann doch alle irgendwie einen Platz. Es wurde noch ein langer und fröhlicher Abend den wir gegen 23.00 Uhr beendeten. Das war also der letzte Abend vor Santiago. Wahsinn wie die Zeit verging.

Gracias und Buen Camino

8. Etappe Pordela nach Herbon

In der Nacht hatte es angefangen zu regnen und auch die Temperaturen waren um einiges kühler als in den vergangenen Tagen. Die Nacht war relativ ruhig im Schlafsaal mit 15 weitern Pilgern, wobei einige ziemlich schnarchten, was einem aber mittlerweile nichts mehr ausmachte. Da ich heute ins Kloster nach Herbon wollte, musste ich dafür eine Strecke von 34 km zurücklegen. Nach zwei mal 37 km an den vergangenen Tagen nochmal so eine Herausforderung. Aber ich war gut eingelaufen und hatte keinerlei körperliche Beschwerden außer der großen Schürfwunde am Knie, die nicht richtig abheilen wollte. Zunächst machte ich ein kleines Frühstück in der Herberge um mich etwas zu stärken für den Tag. Peter war auch schon auf, trank einen Kaffe und ging wieder ins Bett. Zuvor verabschiedeten wir uns voneinander. Leider sahen wir uns nicht mehr auf dem Weg, aber wir tauschten noch unsere Nummern aus um in Kontakt zu bleiben. Giulia aus Florenz war auch schon aufgestanden und frühstückte. Auch von ihr verabschiedete ich mich und sie sagte nur Ciao „My Hero“. Leider traf ich sie auch nicht mehr, schade. Draußen war es noch dunkel und es hatte gerade etwas aufgehört zu regnen. Ich suchte den Poncho um ihn griffbereit zu haben, wenn es wieder anfangen sollte zu regnen. In der Dunkelheit fand ich kaum den Weg, denn die Herberge lag ja etwas abseits des Weges und nach 5 Minuten begann es auch wieder stärker zu regnen, so das ich den Poncho überwerfen musste. Fast 2 Stunden lief ich im strömenden Regen, bis es langsam aufhörte und es auch endlich hell wurde. Nach und nach kam langsam die Wärme des Südens wieder zurück. Unterwegs traf ich auf eine dreiköpfige Männergruppe die Deuter Rucksäcke hatten, es mussten als Deutsche sein. Ich sprach sie an, aber mit ihnen kam ich überhaupt nicht ins Gespräch und sie waren nicht gerade sympathisch. Was sich kurze Zeit später nach einer Bar nochmals herausstellen sollte. Die drei wollten auf einen Kaffe in die nächstgelegene Bar, aber kurze Zeit später traf ich sie wieder und sprach sie darauf an. Sie sagten nur, in dieser Bar gab es keinen frischgebrühten Kaffee und das wäre ja das mindeste was sie erwarten könnten. Auch solche Pilger gibt es. Gegen Mittag war dann der Sommer zurück und ich entschloss mich eine Rast bei einem Cafe con Letche ein zu legen. Das Pilgeraufkommen war an diesem Tag wieder größer geworden. Unterwegs sprachen mich 2 deutsche Pilgerinnen an, die ich schon zuvor in der Bar gesehen hatte. Es waren Mutter und Tochter. Johanna, eine Deutsche die jetzt in den USA lebt und Paulina ihre Tochter die in Deutschland lebt. Sie hatte auch die mexikanische Staatsbürgerschaft. Wir gingen einige Stunden miteinander und hatten angregte und spannende Gespräche so daß die Zeit sehr schnell verging. Am frühen Nachmittag kamen wir an den Abzweig zum Kloster Herbon, was allerdings einen Umweg bedeutete. Johanna und Paulina hatten in einer Pension in Padron für diesen Tag vorgebucht. Wir machten noch ein gemeinsames Foto und wollten uns gerade verabschieden, da entschlossen sich die beiden kurzfristig mit zum Kloster zu laufen und wollten dann anschließend nach Padron. Gegen 15.00 Uhr kamen wir dort an und es standen schon einige Rucksäcke vor dem Eingang zur Herberge. Auf den Stufen der Treppe saßen zwei Deutsche Christiane und ihr Tochter Vivian aus dem Ruhrgebiet. Die Unterhaltung war als gesichert. Als Johanna und Paulina das Umfeld des Klosters sahen entschlossen sie sich kurzfristig auch hier zu bleiben und sagten ihre Unterkunft in Padron ab. Die Klosterkirche die dem Heiligen Antonius geweiht ist, wie passend zum Namen meines Enkels Anton, war geöffnet, so daß man dort an diesem Nachmittag zur Ruhe kommen konnte. Ich genoss es an diesem Ort sein und es war herrlich still dort. Um 16.00 Uhr pünktlich öffnete die Herberge und man wurde herein gebeten um sich anzumelden. Es gab 15 Abteile mit Doppelstockbetten und Vorhang. Es war alles sehr gepflegt und die beiden polnischen Hospitaleros hatten alles bestens im Griff. Zunächst war auch hier der übliche Ablauf gefragt, Duschen und Wäsche waschen. Es war ja wieder warm geworden und die Wäsche konnte trocknen. Danach konnte man die Ruhe des Klosters genießen. Um 18.00 Uhr wurde dann eine Klosterführung angeboten, die von einem Pater durchgeführt wurde. Er machte das richtig gut und mit einem entprechenden hintergründigen Humor erklärte er das Kloster. Im Anschluß wurde eine Pilgermesse angeboten, welche natürlich in spanisch war, aber man kennt ja den Ritus. Am Ende wurden die Pilger für den Pilgersegen nach vorne gerufen. In jeder Sprache wurde ein Segensgebet von verschiedenen Pilgern gebetet und der Pfarrer spendete allen den Segen. Jeder Pilger bekam noch eine Pilgerurkunde als Andenken an den Aufenthalt in Herbon. Eine wirklich wunderbare Stimmung war das hier und diese sollte sich beim gemeinsamen Abendessen fortsetzen. Dieses hatten die beiden Hospitaleros schon vorbereitet. Dazu gab es natürlich Wein und die Unterhaltungen an diesem Abend waren wieder mal unvergleichlich. Später saßen wir alle noch auf der Veranda um den Abend mit einem selbstgebrannten Mönchstrunk ausklingen zu lassen. Dieser leckere Trunk war aus Pimientos de Padrón. Der Ursprung der Pimientos ist nämlich genau hier im Kloster. Die Franziskaner holten die ersten Samen dieser kleinen Paprika aus Mexiko und adaptierten die Pflanzen an das Klima des Tales. Gegen Mitternacht gingen wir dann nach einem wunderbaren Tag schlafen. So spät war es bisher noch nie geworden.

Gracias und Buen Camino

7. Etappe Padron nach Pordela

Obwohl mein Bett direkt am offenen Fenster stand, das zur Bar hin gelegen war schlief ich tief und fest. Um 6.30 Uhr begann ich heute meinen Pilgertag. Es war noch dunkel als ich mich auf den Weg machte und an manchen Stellen schon unheimlich so allein in der Dunkelheit. Zumal man richtig aufpassen musste um die gelben Pfeile nicht zu übersehen. Es war heute auch wieder richtig heiß und über Redondela, Cesantes und Arcade ereichte ich gegen Mittag Pontevedra. An einem Abzweig, an dem es wieder mal eine Variante gab traf ich auf einen Deutschen. Mit ihm ging ich dann den Weg bis Pontevedra. Markus, er war Lehrer hatte schon einige Caminos hinter sich und wusste natürlich viel zu berichten. Trotzdem sprang zwischen uns der Funke nicht über und er war einer der wenigen Pilger mit dem ich irgendwie nicht auf einer Wellenlänge lag. Auch das kann es geben. Am Ortseingang von Pontevedra kamen wir gleich an der Gemeindeherberge vorbei. Und was ich da sah war erschreckend. Obwohl die Herberge erst um 14.00 Uhr öffnete saß schon eine ca. 60 m lange Menschenschlange auf dem Gehsteig und wartete darauf das die Herberge aufmachte. Das wollte ich mir nicht antun und suchte schnell das weite. In der Schlange saß auch Katharina, ich hatte sie ja schon eine zeitlang nicht mehr gesehen. Sie hatte jetzt richtig große Probleme mit ihrem Fuß. Er war richtig entzündet aufgrund der hohen Belastung und sie erzählte mir das sie deswegen auch im Krankenhaus war. Ein Stück war sie mit dem Bus gefahren und wollte hier in Pontevedra bleiben um sich etwas zu erholen. Markus, den Katharina auch kannte entschloss sich auch bei der Herberge zu bleiben. Ich wünschte beiden alles Gute und sagte, wir sehen uns in Santiago. Danach setzte ich meinen Weg durch die Stadt fort. Pontevedra war eine größere Stadt und in der Innenstadt war jede Menge los, an jeder Ecke spielte Musik. Ich machte kurz halt an der Kirche Virxe Peregrina die am Weg lag. Der Grundriß der Kirche ist einer Muschel nachempfunden. Auch hier war jede Menge los ist sie doch eine der schönsten Kirchen am Camino Portugues. Nach einiger Zeit hatte ich das bunte Treiben hinter mir gelassen und ereichte den Stadtrand wo es über eine große Brücke, die Ponte de Burgo ging. Auch heute hatte ich mir ein antizyklisches Ziel ausgesucht. Eine ganze Weile ging ich allein und sah weit und breit keinen Pilger. Man hatte den Eindruck, alle seien in Pontevedra geblieben. Später traf ich dann noch auf 2 Spanier, Juan Carlos und Laura. Sie begannen ihren Weg nach Santiago in Pontevedra, es war ihr erster Pilgertag. Sie begannen erst jetzt am Nachmittag. Sie wollten heute noch bis Caldas de Reis was eine Strecke von 12 km bedeutete. Dort hatten sie eine Unterkunft gebucht. Die beiden kamen aus der Nähe von Madrid. Wir unterhielten uns eine lange Zeit über Fußball, er war großer Fan von Real Madrid, und natürlich über den König von Spanien, Juan Carlos dessen Namen er trug. Er fand es lustig wenn ich ihn mit King Juan Carlos ansprach. Dann kam der Abzweig zur Herberge von Portela, die etwas abseits des Weges lag. Dort verabschiedeten wir uns voneinander. Am späten Nachmittag kam ich dann nach 37 km in der Herberge an und fragte nach einem Bett. Jorge, der Betreiber der Herberge, ein Portugiese, sagte er hätte noch 3 Betten im Schlafsaal. Dazu hatte er noch in einem Nebengebäude ein Matrazenlager. Nach und nach trafen noch Pilger ein und suchten einen Schlafplatz. Die Herberge war recht urig und es dank Jorge herrschte eine gute Stimmung in der Herberge. Da ich recht spät ankam und das Wetter etwas kühler geworden war duschte ich zunächst und wusch meine Wäsche damit diese trocknen konnte. Peter und Rachel mit ihren Söhnen Samuel und Louis aus Frankreich waren auch schon da und wir freuten uns einander wieder zu sehen. Peter erzählte mir, das seine Söhne auf dem Weg das Tablet jeden Tag nur eine Stunde nutzen dürfen, ansonsten würden sie viel lesen. Dafür musste Peter viele Bücher im Rucksack mit schleppen. Aber schon erstaunlich das sie gerne lesen. Eike, ein Pilger aus Nürnberg und ich mussten dringend auf das WC, aber es war ständig besetzt. Wir warteten eine ganze Zeitlang, aber es tat sich nichts. Bis Rachel kam und auf französisch etwas unwirsches rief. Daraufhin öffnete sich die Tür und Samuel kam heraus mit dem Buch in der Hand. Überhaupt waren eine Menge sympathischer Pilger in der Herberge so wie Eike aus Nürnberg und Giulia aus Florenz. Mit den beiden hatte ich am Nachmittag eine angeregte Unterhaltung. Zusammen mit Peter und Rachel machten wir dann den Salat für das gemeinsame Abendessen. Wir saßen gemeinsam draußen an einem großen Tisch und genossen das Abendessen, dazu ein Wein und alles war gut. Einfach wieder genial so ein Abend. Besonders unterhielt ich mich mit Giulia aus Florenz. Nachdem ich ihr erzählt hatte, das ich den Camino über 9 Jahre von zu Hause aus gepilgert bin sagte sie immer, wenn sie mich sah „My Hero“, was mir natürlich schmeichelte. Draußen wurde es langsam kühl und es sah nach Regen aus. Gegen 22.00 Uhr ging ein langer Pilgertag zu Ende und wir gingen alle schlafen.

Gracias und Buen Camino