
Die Nacht war ruhig, obwohl die Herberge ziemlich voll war. Aber das kannte ich ja schon. Die Welle rollt eben bis sich irgendwann wieder verläuft. Um 6.00 Uhr wurden wir im Schlafsaal von den Holländischen Hospitaleros mit Gesang und Mundharmonikamusik geweckt. Ein sehr schöner Brauch. In der Nacht kam mir der Gedanke Werners Ausweis könnte ja auch unter dem Tresen der Anmeldung gerutscht sein, war der Boden dort doch ziemlich uneben. Also leuchtete ich mit dem Handy darunter alles aus. Aber ohne Erfolg. Auch die Hospitaleros suchten auf meine Bitte nochmal alles ab. In der Herberge gab es kein Frühstück und so machte ich mich noch in der Dunkelheit und kühlen Temperaturen auf den Weg um der Mittagshitze zu entgehen. Gleich nach dem Kloster kam das berühmte Schild mit der Km Anzeige von 790 km bis Santiago. Bereits an der ersten Bar war schon alles voll. Ich ging daran zunächst vorbei und dachte mir, das ich schon noch etwas zum Frühstücken finden werde. So war es dann auch. In einer der nächsten Bars ging ich frühstücken. Tortilla und Cafe con Letche, was echt spanisches. Nach Roncesvalles geht es ja ziemlich flach dahin, keine so Steigungen wie nach St. Jean pied de Port und so ging es an diesem Vormittag Schritt für Schritt voran. Nach einem kurzen Abstieg kam eine etwas größere Straße die man überqueren musste. Hier stand die Guardia Civil und geleitete die Pilger teilweise über die Straße. Auf der anderen Seite stand ein Foodtruck. Hier gönnte ich mir eine eiskalte Cola um den Zuckerhaushalt wieder ins Lot zu bekommen. An einem Tisch saßen 2 Pilger die ich schon in Orisson gesehen hatte und ich fragte ob ich mich dazu setzen dürfte. Es waren Scott und Terry aus den USA. Er sagte, das der Platz an ihrem Tisch einen Euro kosten würde. Ich musste dabei schmunzeln und meinte nur, ich würde ihm den Euro in Santiago geben. Das gefiel ihm, und seine Frau sagte, in Amerika zählt nun mal nur das Geld. Nur wer Geld hat ist dort auch etwas. Ich dachte bei mir, da ist ja der Camino das genaue Gegenteil davon. Vielleicht ist es das, was sie suchen, und dafür eine so lange Anreise in Kauf nehmen um den Camino de Santiago zu pilgern. Jedenfalls machten beide einen sehr sympathischen Eindruck. Neben unseren Tisch stand auch Werner der Belgier, er hatte ja den Schlafplatz neben mir in Roncesvalles. Ich hatte den Eindruck, er traute sich nicht zu fragen, um sich zu uns zu setzen. Nachdem Scott und Terry gegangen waren kamen wir etwas ins Gespräch und machten uns zusammen auf die letzten Km des Tages. Mein Ziel sollte heute Zubiri sein und Werner schloss sich mir spontan an. Am Ortseingang von Zubiri stand das Hinweisschild zur Herberge Municipal. Die Gemeindeherbergen kann man genauso wie die kirchlichen Herbergen nicht im Voraus buchen, deshalb war es bei diesem Camino mein Plan möglichst in solche Herbergen zu gehen. Die Herberge war bei unserer Ankunft schon ziemlich gut belegt, aber wir bekamen ohne Probleme einen Platz. Nach der täglichen Routine Duschen und Wäschewaschen setzte ich mich in den Garten der Herberge. Dort war auch Giacomo mit einem anderen Italiener und wir hatten eine nette Unterhaltung. Die Fragen sind ja auch meist die gleichen. Warum bist du hier oder warst du schon mal auf dem Camino. Gerade bei der 2. Frage war es mir manchmal unangenehm zu sagen, das ich diesen Weg schon mal von Zuhause aus gemacht hatte. Ich wollte damit einfach nicht angeben. Meist konnte ich die Frage etwas umschiffen, aber viele merkten einfach, das ich schon viele Caminos gepilgert hatte. Manchmal machte es mich auch etwas Stolz, wenn die anderen Pilger einen dafür bewunderten, so wie es Giacomo heute tat. Werner wollte noch etwas ins Zentrum von Zubiri gehen, die Herberge lag etwas ausserhalb und ich beschloss mit zu gehen. Dort gab es eine Bar und es waren auch schon einige Pilger dort. Bei der Nachmittagshitze ein eiskaltes Radler zischen, ein Traum. Man stellte die Gläser einfach ins Gefrierfach und anschließend das Radler einschenken, einfach Genial erfrischend. Es half auf jeden fall gegen den Durst. Wir setzten uns zu einem Pilger der alleine an einem Tisch saß. Es war Robert aus den USA, genauer gesagt aus Texas. Auffallend viele Amerikaner in diesem Jahr auf dem Camino. Robert war ein typischer Texaner mit Texashemd und Cowboystiefeln. Zudem hatte er die Texanische Flagge an seinem Rucksack. Wenn man ihn alleine auf einer Dorfstraße gesehen hat, fehlte nur noch der Sheriffstern und der Colt und das Klischee hätte gepasst. Ich fragte ihn, ob er denn in diesen Cowboystiefeln den Camino gehen würde. Ja, war seine Antwort. Er hatte sie 300 Km zu Hause eingelaufen. Wahnsinn, mit solchen Schuhen auf dem Camino. Robert war ein sehr gläubiger Mensch. Leider war hier wieder mein Sprachproblem das ein tiefgründigeres Gespräch verhinderte. Mittlerweile hatte ich einen Bärenhunger. Leider gab es in der Bar am späten Nachmittag nichts zu Essen und der kleine Supermercado hatte geschlossen. Es war eben Sonntag, das hatte ich nicht bedacht. Auch machten die Restaurants in Spanien meist erst um 20.00 Uhr auf. Die Spanier machen meist um 15.00 Uhr Mittag und ab 20.00 Uhr Abendessen. Für uns natürlich etwas spät, ging man doch meist etwas früher zu Bett. Nach einigen Nachfragen sagte man uns, das es am Ende der Ortschaft ein Restaurant geben würde, das bereits ab 18.00 Uhr etwas zu Essen macht. Wir bestellten uns dort ein Pilgermenü und damit war der Hunger gestillt. Auf dem Weg zurück in die Herberge zeigte die Temperaturanzeige um 20.00 Uhr noch 42 Grad. Wahnsinn diese Hitze noch am späten Abend. Auch in der Herberge war es unbändig warm, man lag ohne Schlafsack auf dem Bett und schwitzte trotzdem. Erst gegen 22.00 Uhr wurde es etwas kühler.