31.08.2022 21. Etappe Bercianos Real de Camino nach Mansilla de las Mulas

Trotz der vielen Pilger in der Herberge war die Nacht ruhig. Alle nahmen Rücksicht aufeinander. Unten im Gemeinschaftssaal hatten die Hospitaleros ein paar Sachen für das Frühstück vorbereitet. Einige gingen gleich los, einige setzten sich nochmal zusammen und blickten auf den schönen Abend zurück. Rion erzählte mir, das sie jeden Morgen in ihr Tablet das erlebte aufschrieb. Wir verabschiedeten uns voneinander um uns auf den Weg zu machen. Heute hatte ich eine Strecke von 26 km bis nach Mansila de las Mulas. Es sollte wieder heiß werden und so war es gut schon wieder recht früh los zu gehen. Ein ereignisloser Tag zum Ende der Meseta. Schnurgerade Wege und am Wegesrand alle 10 m ein gepflanzter Laubbaum, meist Platanen. Auf 20 km länge ging es so weiter. Man kann sich leicht ausrechnen wie viele Bäume hier gepflanzt wurden um eines Tages Schatten für die Pilger zu spenden. Viele der Bäume gab es ja schon 2017 auf unserem Weg. Sie hatten teilweise schon eine stattliche Größe erreicht. Unterwegs traf man hin und wieder bekannte Gesichter und unterhielt sich natürlich. Wie weit gehst du heute? Wo übernachtest du heute? Wo kommst du her und warum bist du auf dem Camino. Das sind meist die gleichen Fragen jeden Tag. Jeden Tag die gleichen Fragen, aber nicht die gleichen Antworten da es immer wieder verschiedene Pilger sind. Und es ist immer wieder spannend die Antworten zu hören. Eine große Pilgerfamilie die immer größer wird, je näher man sich dem Ziel nähert. Am frühen Nachmittag erreichte ich zusammen mit Werner dass heutige Ziel. Es gab dort nichts was man erwähnen könnte. In der städtischen Herberge fanden wir einen Platz zum Schlafen. Leider gab es in der Herberge nichts zu Essen. Zusammen suchten wir nach einer Bar um heute wieder mal ein Pilgermenü zu Essen. Diese Pilgermenüs haben den Vorteil, das man immer eine Vorspeise, eine Hauptspeise und eine Nachspeise bekommt. Dazu eine Flasche Rotwein. Was willst du mehr. Da der Rotwein meist eine gewisse Bettschwere mit sich bringt gingen wir heute recht früh schlafen. Für morgen sollte das Ziel Leon sein. Der Ort wo mein allererster Camino im Jahr 2007 begann. Dort hatte ich mich auch mit meinem Freund Javier und seiner Familie verabredet. Javier der ja ein Haus in der Grümpel besitzt und nur 100 m neben der Kathedrale von Leon wohnt. Voller Vorfreude auf den nächsten Tag ging es ins Bett.

30.08.2022 20. Etappe Terradillos de los Templarios nach Bercianos Real de Camino

Die Nacht war ruhig und ich wollte heute recht früh losgehen. Es sollte wieder heiß werden und am Morgen ist es doch angenehmer zu laufen. Da wir am Ortsrand waren ging es zur Dorfmitte. Als ich die dortige Herberge sah ärgerte ich mich etwas. Ich hatte es leider nicht mehr ganz so in Erinnerung, aber es war die Herberge in der ich 2017 Mark und Allison kennenlernte. Wenn wir den anderen Weg genommen hätten wären wir direkt an dieser Herberge vorbei gekommen. Aber sei es drum. Schade. Es war nicht mehr rückgängig zu machen. Mein Erinnerungsvermögen hat doch schon etwas gelitten bei den vielen Caminos und Orten. Da bringt man schon leicht mal was durcheinander. Der Tag war nicht sehr ereignisreich und am frühen vormittag war ich schon in Sahagun. Sahagun ist etwa die Mitte des Camino Frances. Dort gibt es die sogenannte Halbzeiturkunde. Das hatte ich beim letzten Camino nicht gewusst. Werner wollte die Urkunde unbedingt haben und so machten wir uns auf die Suche nach der Infostelle an der es die Urkunde gab.Die wenigsten Pilger wissen, das es diese Urkunde gibt. Ein schönes Andenken, mehr aber nicht. Für mich ein Stück Papier, wie auch die Compostela die man am Ende in Santiago bekommt. Nach einer kleinen Kaffeepause ging es weiter nach Reliegos. Die Hitze wurde am frühen Nachmittag ziemlich heftig und ich war froh endlich den heutigen Zielort Bercianos Real de Camino zu erreichen. Dort sollte es eine kirchliche Herberge geben, und immer wenn eine am Weg lag und es sich einrichten lies ging ich diese kirchlichen Herbergen bevorzugt. Am Ortseingang war eine kleine Kirche und sie lud zum verweilen ein. Dort war es kühl und man konnte zur Ruhe kommen. Die Herberge war am Ortsausgang und nach einigen nachfragen fand ich sie schließlich. Hier wurde man freundlich empfangen und bekam zunächst mal etwas zu trinken, was man bei der Hitze gebrauchen konnte. Eine der Hospitaleros sprach Deutsch und erzählte mir, nachdem ich ihr erzählt hatte, das ich einst den Weg von Kronach aus nach Santiago machte, das vor ein paar Tagen ein Pilger aus Kronach hier in der Herberge gewesen ist. Nichts ist Zufall. Vielleicht treffe ich ihn ja noch. Nach der üblichen Pilgerroutine war erst mal Siesta angesagt. Der Tag in der Hitze war recht anstrengend. Wenn man sich so in der Mitte des Camino befindet reflektiert man so manches. Wenn man losgeht zu Beginn des Camino herrscht meist Euphorie, dann kommt der Alltag des Camino, ein Tag ähnelt den anderen. Laufen, Essen Schlafen und das ganze wieder von vorne. Diese Routine hat irgendwie auch etwas beruhigendes. Du musst dich ja um nicht weiter sorgen, als das deine Füße funktionieren, das du etwas zu Essen findest und du einen Schlafplatz hast. In der Herberge gab es eine kleine Kapelle, auch hier konnte man einige Zeit in Ruhe verbringen und im Gebet ganz bei sich sein. Neben der Herberge gab es eine kleine Bar und der Hunger und Durst trieb uns dahin. Die Routine von Werner bestand darin, nach der üblichen Pilgerroutine duschen und waschen Bilder nach Hause zu schicken und zu berichten, wo er sich gerade befindet. Danach brauchte er meist eine Bar um dort, wie für einen Belgier üblich, Bier zu trinken. Ich bevorzugte meist Radler, das hatte weniger Alkohol. Zum Glück gab es dort etwas zu Essen, denn wir waren ziemlich hungrig und bis zum Abend war es noch lange hin. Um 18.00 Uhr waren alle zur Pilgermesse in der kleinen Kirche am anderen Ende des Dorfes eingeladen. Alle Pilger der Herberge waren gekommen und auch viel Einheimische waren da, so das die kleine Kirche im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen heute gut gefüllt war. Das liebe ich an den kirchlichen Herbergen, das dort ein besonderer Geist herrscht. Leider versteht man in den spanischen Messen nicht viel, aber das Evangelium des Tages konnte ich auf dem Smartphone immer auf Deutsch mit lesen. Am Ende der Pilgermesse wurden alle Pilger nach vorne gebeten für den Einzelpilgersegen. Immer wieder ergreifend, auch wenn man wie ich schon so viele Einzelpilgersegen empfangen hat. Danach ging es zurück zur Herberge und die Hospitaleros brachten das Essen. Im Garten war ein großer Tisch aufgebaut für das gemeinsame Abendessen. Neben mir saß Sarah aus den USA. Mit ihr hatte ich heute eine schöne Unterhaltung und mein Englisch reichte aus für eine ausführliche Unterhaltung. Rion, die Belgierin war auch da und sang am Ende des Abendessens ein Lied. Ein heimischer Landwirt kam vorbei und brachte für die Pilger Melonen zum Nachtisch und als Erfrischung. Eine schöne Geste. Die Spanier tun wirklich alles für die Pilger. Aber ich glaube solche Gesten wirst du nicht in den großen anonymen Herbergen finden, sondern nur an diesen besonderen Orten des Camino. Nachdem alle geholfen hatten abzuräumen und abzuspülen wurden wir von den Hospitaleros auf einen Hügel neben der Herberge eingeladen. Dort wollten wir gemeinsam den Sonnenuntergang genießen und das Licht feiern. Wir saßen dabei im Kreis um ein Feuer, das wir entzündet hatten. Wir sangen und beteten gemeinsam. Am Ende durfte jeder Pilger einen Brief in seiner Sprache ziehen, den ein Pilger des Vortages für die Pilger von Heute geschrieben hatte. Wir wurden gebeten für die Pilger des nächsten Tages einen Brief zu schreiben. Man muss schon etwas überlegen was man schreibt und dem Pilger des nächsten Tages mitteilen will. Ein wunderbares Ritual. Mit einem wunderbaren Gefühl gingen wir alle zurück zur Herberge um im Anschluss schlafen zu gehen.

29.08.2022 19. Etappe Carrion de los Contes nach Terradillos de los Templarios

Die Nacht war im großen Schlafsaal etwas unruhiger als die Tage zuvor. Viele Pilger machten sich recht früh auf den Weg, so das ich mich auch entschloss los zu gehen. Es war noch dunkel und bereits am Morgen drückend schwül. Im Pilgerführer war zu lesen, das diese Strecke nach Carrion de los Contes Meseta Pur sein würde. Auf 18 km würde es keine Ortschaft und keine Bar geben. Nur einige Foodtrucks würden auf dem Weg sein. Ein Weg schnurgerade und teilweise ohne Bäume. Eine Prüfung für Körper und Geist. Gerade wegen der eintönigen und geraden Wege liebe ich diesen Abschnitt des Caminos. Vielen ist dieser Abschnitt zu eintönig und langweilig und sie steigen in den Bus oder nehmen ein Taxi. Gegen 10.00 Uhr erreichten Werner und ich einen dieser Foodtrucks. Hier konnte man etwas frühstücken und einen Kaffee trinken. Dazu die üblich Cola um den Zuckerhaushalt auszugleichen. Auf diesem Camino trank ich so viel Cola wie nie zuvor in meinem Leben. Nach und nach hatte es die Pilger alle eilig, denn von weiten sah man schon dunkle Wolken aufziehen und es donnerte schon in der Ferne. Gewitter kündigten sich also an. Die Meseta war so ziemlich der schlechteste Ort wo man bei einem Gewitter sein konnte. Kein Baum, keine Erhebung, alles flaches Land, das keinen Schutz verhieß. Innerlich kam bei Werner und mir schon etwas Angst auf so schutzlos in der Meseta zu sein. Der Wind wurde auch stärker, einige Regentropfen kamen herab und wir erhöhten unser Lauftempo um einiges. Auf der Strecke sah man weit und breit keine Pilger mehr. Wo waren die alle plötzlich geblieben? Endlich sahen wir ein Dorf. Links war eine Bar zusehen mit vielen Pilgern die auch Schutz vor dem Gewitter suchten. Rechts gab es ebenfalls noch eine Bar. Mit schnellen Schritten näherten wir uns und als wir durch die Tür ins innere der Bar stürmten ging das Gewitter und der Wolkenbruch los. Glück gehabt und auch Dankbar das es gut gegangen ist. Auch hier war die Bar überfüllt, aber wir fanden noch einen Platz. Hier warteten wir über eine Stunde bis der Regen und das Gewitter nachließ. Einige Pilger brachen für heute hier ihren Weg ab, da sie bei Regen nicht weiter laufen wollten. Aber es nutzt nichts, der Weg muss weiter gehen. Ich legte meine komplette Regenkleidung an, dafür hat man sie ja auch. Zugegeben mit meinem feuerroten Poncho und den feuerroten Gamaschen sah ich wie ein Kugelblitz aus. Eine Koreanerin amüsierte sich darüber köstlich. Der Regen hatte ziemlich nachgelassen und schon nach kurzer Zeit konnte man den Poncho wieder einpacken. Unterwegs trafen wir auf 2 Brasilianerinnen, Mutter und Tochter, die wir bereits einige male in den letzten Tagen gesehen hatten. Sie waren gerade dabei den Wanderschuh zu reaparieren. Wir fragten, ob wir helfen können, aber sie hatten das Problem schon gelöst. Die Sohle hatte sich gelöst und sie banden eine Schnur um den Schuh. Noch ein gemeinsames Foto, und weiter ging es. In Ledigos, einem einfachen Dorf, genehmigten wir uns noch eine kleine Pause. In der urigen Dorfbar saßen ein paar Einheimische und tranken ihr Nachmittagsbier. Hier gab es wieder einer der vielen Alternativrouten, die einen immer wieder mal durcheinander bringen. Als wir über eine kleine Brücke gingen kam uns ein Amerikaner entgegen. Er war uns schon einige Male begegnet und er erklärte uns, das wir wir hier falsch wären. Der richtige Weg nach Terradillos de los Templarios wäre in der anderen Richtung. Was aber nicht ganz richtig war. Beide Wege führten dort hin. Aber wir machten uns nicht die Mühe zu lesen, sondern gingen mit ihm mit. Nach und nach tauchten einige Pilger auf. So auch Verena und Julian. Gemeinsam gingen wir den Rest des Weges und unterhielten uns recht angeregt. Am Ortsrand kamen wir dann an einer Herberge vorbei, an die ich mich erinnern konnte. Sie sah recht luxoriös aus. Verena und Julian hatten dort reserviert. Eigentlich wollte ich nicht in solche Herbergen gehen und ich ließ mich breitschlagen von Verena, Julian und Werner. Die Herberge sah nicht nur luxoriös aus, sie war es auch. Hier bekamen wir ein 4 Bett Zimmer, in dem wir alleine waren. Nebenan ging die Tür auf und Xenia stand mit ihrem Freund Patrick in der Tür. Sie hatte ich schon lange nicht mehr gesehen und wir hatten uns einiges zu erzählen. Nach der üblichen Routine konnte man sich nur an die Bar setzten und hoffen, das einige Pilger das gleiche tun, damit man sich unterhalten konnte. Zum Glück kamen Terri und Scott und man hatte eine schöne Unterhaltung. Aber irgendwie war das restliche Publikum an Pilgern nicht so auf meiner Wellenlänge und ich fühlte mich in dieser Herberge nicht so wohl wie in wesentlich einfacheren Herbergen. Das Abendessen das angeboten wurde war hervorragend. Aber leider saßen wir alleine an einem Tisch und es kam kein Pilgerfeeling auf. Die obligatorische Flasche Wein musste heute für Pilgerstimmung sorgen, denn hier fühlte man nicht die Seele des Camino. Alle gingen früh zu Bett und wir blieben noch etwas an der Bar. Werner und ich erzählten uns einige Geschichten und so brachten wir auch diesen Abend über die Bühne. Auch solche Tage machen Müde.

28.08.2022 18. Etappe Fromista nach Carrion de los Contes

Die Nacht war ruhig und ich wachte zwischendurch nicht einmal auf. Jedoch wurde man wieder recht früh am morgen durch das wusseln der Frühaufsteher geweckt. Andreas, der freundliche Pilger aus Ulm hatte es recht eilig und war gleich darauf verschwunden. Ich begegnete ihm leider nicht mehr. Aber so ist das auf dem Weg. Man verliert sich und trifft sich wieder. Manche trifft man dann aber auch nicht mehr. Nichts ist Zufall auch bei den Begegnungen. In der Herberge gab es kein Frühstück, so das ich zusammen mit Werner nach einigen km in einer Bar ein opulentes Frühstück machte. Nach und nach kamen wieder einige bekannte Gesichter hinzu und man freute sich einander zu sehen. Es war heute morgen wieder recht warm. Die Strecke nach Fromista war recht flach und so kam man recht gut voran. Wobei man sagen muss, das mein Tempo im Gegensatz zu meinen vorherigen Caminos doch recht gemächlich war. Aber es war jeden Tag ein Geschenk und Luxus keinerlei Zeitdruck zu haben. Unterwegs begegnete mir heute eine lustige und immer lächelnde Pilgerin. Im Gespräch erzählte sie mir, das sie in Belgien, ihrer Heimat, gestartet war. Sie war Psychologin und hatte ebenso wie ich den Luxus keinen festen Rückreisetermin zu haben. Rion, so ihr Name war etwas jünger als ich und natürlich durch das wochenlange Pilgern extrem trainiert. So kam es, das sie mir enteilte. Schade, ich hätte mich gerne noch mit ihr unterhalten. Nach einer Pause in einer kleinen Ortschaft traf ich in einer Bar Xenia wieder. Mittlerweile war sie ja mit ihren Freund Patrik unterwegs. Danach beschloss ich mit Werner zusammen bis nach Carrion de los Contes zu gehen. Kurz vor Carrion de los Contes stand die Guardia Civil am Wegesrand. Von weiten sah es aus als würden sie die Pilger kontrollieren. Beim näherkommen stellte sich heraus, das sie Stempel in den Pilgerpass der Pilger machten. Eine schöne Geste und natürlich machten wir ein Erinnerungsfoto mit der hübschen Polizistin. Es fiel auf, das die Guardia Cilvil des öfteren auf und neben der Strecke zu sehen war. Sicher trägt dies auch zur Sicherheit der Pilger bei wenn sie präsent sind auf dem Weg. Nach der relativ kurzen Strecke von 19 km kamen wir kurz vor 13.00 Uhr dort an. Die kirchliche Herberge St. Maria hatte ich mir wie 2017 auserkoren. Leider wird die Herberge nicht mehr von den dortigen Nonnen betreut. Man merkt es einfach, wenn in einer Herberge der Profit mehr im Mittelpunkt steht als es bei den Nonnen war. Auch gibt es kein spirituelles Angebot mehr. Bei dieser Herberge gab es einen schönen Innenhof mit schattenspendenden Bäumen der zum verweilen einlud. Zu meiner Überraschung saß dort auch Rion. Ich hatte gedacht, sie wäre bei ihrem Tempo schon viel weiter. Ich freute mich sie zu sehen und es wurde eine schöne Unterhaltung an diesem Nachmittag. Abends sollte in der nahegelegenen Kirche eine Pilgermesse stattfinden. Ich machte mich auf die Suche und fand auch die kleine Kirche. Kurz vorher schrieb mir Magdalena, ob ich wüsste wo heute die Pilgermesse wäre. Ich machte ein Foto und beschrieb ihr, wo die Kirche zu finden ist. Gut das es Smartphones gibt. Nach der Pilgermesse wurden alle Pilger nach vorne gebeten für den Pilgersegen. Hier spürte man wieder diesen besonderen Spirit unter den Pilgern – Seele des Camino. Jetzt hatten wir aber richtig Hunger, aber leider waren die Bars und Restaurant noch geschlossen. Meist öffnet man in Spanien erst ab 20.30 Uhr am Abend, was für Pilger leider etwas spät ist. Zusammen mit Werner suchte ich nach einer Bar. Eine Pizzeria hatte als einzige Bar geöffnet und so beschlossen wir dort zu Essen. Ein Deutscher namens Dirk war auch auf der suche nach einer Bar, wollte aber warten, bis ein spanisches Restaurant öffnet. Als wir bereits unsere Pizzen hatten kam er zurück und setzte sich zu uns. Wir hatten noch eine schöne Unterhaltung an diesem Abend. Es schwülwarm geworden und der Wetterbericht sagte für morgen Regen und Gewitter voraus. Nach der Rückkehr in der Herberge packte ich noch meinen Rucksack weitgehend ein und ging schlafen.

27.08.2022 17. Etappe Convento de San Anton nach Fromista

Gegen 5 Uhr konnte ich schon nicht mehr richtig schlafen und drehte mich von einer Seite auf die andere. Nach einiger Zeit entschloss ich mich auf zu stehen. Mit der Stirnlampe in der Dunkelheit alle Sachen zusammenpacken und nach außen schaffen. Dort packte ich meinen Rucksack zusammen, Auch Magdalena konnte nicht mehr schlafen und stand auf. Zur Toilette gehen und sein Geschäft machen ohne Licht war schon eine besondere Herausforderung. Da sieht man wie abhängig wir alle sind. Zu so früher Stunde kamen in der Dunkelheit schon Pilger mit Stirnlampe vorbei und konnten nicht glauben, das wir hier übernachtet hatten. Heute hatte ich mir Fromista zum Ziel gesetzt. Nach den letzten Tagen mit relativ kurzen Etappen war es heute eine Etappe von 28 km. Nach Castrojerez ist ein ziemlich steiler Anstieg zu bewältigen. Nachdem ich jetzt relativ gut eingelaufen war, war es heute das erste mal, das nicht ich bei einem Anstieg überholt wurde, sondern ich jemanden überholen konnte. Ein gutes Gefühl. Man merkt eben doch das Alter und die Fitness ist nicht die gleiche wie vor 5 Jahren. Aber egal, ich hatte ja den Luxus Zeit zu haben und musste keine Etappen so planen um an einem bestimmten Termin in Santiago an zu kommen. Nach einigen Pausen in den kleinen Ortschaften, bei denen man immer mal wieder bekannte Gesichter traf kam ich am frühen Nachmittag in Fromista an. Es war ziemlich Betrieb im kleinen Ort. Man hatte eine Laufstrecke für einen Marathon aufgebaut. In der Herberge Casa da Luz fand ich einen Platz. Die Herberge war schon recht gut belegt. Fromista ist einer der Etappenorte die in den Pilgerführern als Zielort genannt wird. Deshalb ist dort auch vermehrtes Pilgeraufkommen. Aber trotz der vielen Pilger war es bisher kein Problem ein Bett zu bekommen. In der Herberge lernte ich Andreas eine deutschen Pilger aus Ulm kennen. Wir verstanden uns gleich recht gut und trafen uns später dann in einer Bar. Dort konnte man die vorbeikommenden Marathonläufer beobachten und gemütlich sein eisgekühltes Radler trinken. Später kam dann auch noch Werner dazu und wir entschlossen uns heute ein Pilgermenü zu essen. In der Nähe der Kirche gab es eine gut aussehende Gastwirtschaft. An diesem Tag hatte ich mächtig Hunger, was vermutlich an den 28 km lag. Mich machte an diesem Tag nicht einmal das üppige Pilgermenü satt. Wir bestellten zusammen noch eine Paella nach. Danach waren wir pappsatt und machten uns auf den Weg zurück zur Herberge. Ein relativ ereignisloser Tag ging zu Ende. Auch solche Tage gehören zum Camino.

26.08.2022 16. Etappe Hornillos del Camino nach Convento de San Anton

Die Nacht war sehr unruhig, die 3 Spanier schnarchten einer schlimmer als der andere. Wahrscheinlich hatte ich am Abend zuvor zu wenig Wein getrunken, den ansonsten stören mich die Schnarcher in den Herbergen recht wenig. Aber heute war es grausam. Für heute hatte ich mir nur eine kurze Strecke von 16 km vorgenommen. Mit Magdalena aus Polen hatte ich gestern ausgemacht, das wir uns im Convento de San Anton, einem verlassenen Kloster treffen. Der Convento de San Anton ist ein ehemaliges Kloster des Antoniter-Ordens bei Castrojeriz. Der Antoniterorden hatte es sich zur Aufgabe gemacht, am Antoniusfeuer Erkrankte zu heilen. Die Gründung im 12. Jahrhundert geht auf französische Mönche zurück. Die heute verlassenen Gebäude wurden im 14. Jahrhundert erbaut. Dort gab es eine kleine Herberge die recht einfach beschaffen war. Es gab keinen Strom und auch nur kaltes Wasser. Der Schlafraum war auch spartanisch ausgestattet. Gegen Mittag kam ich dort zusammen mit Werner an. Er entschloss sich auch dort zu bleiben. Magdalena war bereits da. Immer wieder kamen Pilger vorbei, aber keiner blieb außer uns. Es war ein ziemlich langweiliger Nachmittag. Am späten Nachmittag kam dann Martin vorbei und er entschloss sich auch zu bleiben. Gegen Abend füllte sich langsam die Herberge. Adrian aus Rumänien und David aus Spanien die ich seit Tagen nicht mehr gesehen hatte waren auch dabei und gesellten sich zu uns. Auch ein außergewöhnlicher Pilger war dabei. Benjamin, ein Franzose aus dem Baskenland kam zusammen mit einem anderen Franzosen an. Benjamin ist mir am Vortag in Hornillas schon mal begegnet. Er war mir auch schon mal vor einiger Zeit früh am Morgen in einem Wald aufgefallen. Er hatte dort anscheinend im freien übernachtet. Er trug ein seltsames großes Musikinstrument verpackt mit sich herum. Ein ziemlich cooler Typ. Die Herberge führte ein älterer Mann der auch am Abend das Essen machte. Es gab Nudeln, Salat und Weißbrot, dazu reichlich Rotwein und Citre. Mit fortgeschrittener Zeit begann Benjamin sich einen Joint zu drehen und die beiden Franzosen rauchten gemächlich ihren Dübel. Deshalb waren sie auch so cool und entspannt. Danach spielte er auf seinem Instrument, eine Art Didgeridoo. Ein großer Ast aus Zwetschgenholz, den er ausgehöhlt hatte. Er zelebrierte es regelrecht darauf zu spielen, was Martin ebenso dazu inspirierte auf seine Flöte zu spielen. Er bot mir an auch mal von seinem Joint einen Zug zu nehmen. Ich lehnte dankend ab, ärgerte mich aber später um auch mal diese Erfahrung zu machen. Martin erzählte mit später, das Benjamin Schweißer war und eine Menge Geld verdiente. Er hörte auf zu Arbeiten um den Camino zu machen. In der Meseta war Martin mit ihm eine Strecke unterwegs und musste alle paar km ein Bier mit ihm trinken, Er hatte im Rucksack einiges an Büchsenbier dabei. Und dazu sein Musikinstrument. Durch die vielen außergewöhnlichen Pilger wurde dieser Abend zu einen der außergewöhnlichen Abenden auf dem Camino. Nur Magdalena fühlte sich sichtlich unwohl unter all den Männern. Vor allem störte ihr das kiffen. Sie war heute die einzige Frau in der Herberge. Am späten Abend wurde es trotz der hohen Tagestemperaturen empfindlich kalt und in den kalten Mauern der Klosterruine fror man schon etwas. Da es keinen Strom gab konnte man auch seine Lampe und auch das Handy nicht laden. Zum Glück hatte ich eine Powerbank dabei und konnte wenigstens meine Stirnlampe laden. Meist denkt man an so einfache Sachen nicht wie Akku laden, denn meist hat man ja Strom zur Verfügung. Trotz der Kälte konnte man etwas schlafen, aber nicht so gut wie sonst.

25.08.2022 15. Etappe Burgos nach Hornillos del Camino

Heute konnte man etwas länger schlafen, denn ein gemeinsames Frühstück war um 7.00 Uhr angesetzt. Beim packen des Rucksackes fragte Rudolf der Holländer, ob wir den sein Handtuch eingepackt hätten. Werner und ich sahen uns ratlos an. Ich meinte nur, das ich wohl sein Handtuch nicht bräuchte, ich hab ja ein eigenes. Ich sagte, er soll mal nachsehen in seinem Rucksack, vielleicht hat er es ja schon eingepackt. Und tatsächlich es war schon in seinem Rucksack. Irgendwie war sein verhalten schon seltsam. Gestern die Sache mit dem Geld, heute das Handtuch. Dazu seine widersprüchlichen Aussagen. Entweder war er sehr zerstreut oder er hatte wirkliche psychische Probleme. Der Frühstückstisch war schon gedeckt und es war eine schöne Unterhaltung. Für die Französin mit ihren Kindern war es heute der letzte Tag auf dem Camino. Sie wollten im nächsten Jahr hier in Burgos weiterpilgern. Von ihnen und auch von Marie Noel verabschiedete ich mich besonders intensiv. Die Casa Emaus wird für mich immer ein besonderer Ort bleiben. Zum Abschied durfte man aus einer Schale einen Spruch ziehen. Meiner lautete: „Werde der, der Du bist“. Darüber musste ich heute im Laufe des Tages des öfteren nachdenken. Zunächst führte der Weg endlos durch einen Park aus der Stadt hinaus. Es war schon am frühen Morgen heiß geworden und nach Burgos beginnt die Meseta dies karge Hochebene. Im Sommer ist man in der kahlen Landschaft gnadenlos der Hitze ausgesetzt und die Kilometer ziehen sich endlos dahin. Eine Prüfung für Körper, als auch Geist, aber eine große Bereicherung für jeden Pilger. Für mich meine absolute Lieblingsstrecke, was die meisten nicht verstehen konnten. Viele zogen es vor diese Strecke mit dem Bus zu fahren. Aber auf dieser Strecke die absolut monoton ist kann man ganz bei sich sein. Nach ca. 21 km in der Hitze ereichte ich zusammen mit Werner Hornillos del Camino. Am Ortseingang saßen Terri und Scott auf einer Bank gegenüber ihrer Herberge. Sie freuten sich uns wieder zu sehen. Als ich die Herberge sah, erinnerte ich mich an diese. Meeting Point. Aber heute wollte ich in die öffentliche Herberge. Sie lag direkt neben der Kirche. Es gab noch genügend Betten und es gab dort auch Abendessen. Im Schlafsaal war ich zunächst mit Werner der einzige Pilger. Nach einiger Zeit kamen noch 3 Spanier dazu. Sie waren sehr freundlich, sprachen aber kein englisch, so das die Kommunikation etwas schwierig war. Die Hospitalera sagte das am Abend ein Pilgergottesdienst wäre. Nach der üblichen Routine Duschen und Wäschewaschen machten wir es uns in der nebenan gelegenen Bar gemütlich. Ein junger Franzose setzte sich mit an den Tisch. Er arbeitete im Europaparlament und wollte unsere Meinung zur gemeinsamen Europapolitik hören. Er war natürlich sehr pro europäisch eingestellt im Gegensatz zu Werner und mir. Ganz gefiel ihm unsere Meinung nicht. Aber etwas ältere wie wir es waren, sehen es oft anders als die jüngeren. In der anschließenden Pilgermesse war zu meiner Überraschung auch Magdalena gekommen. Sie hatte einen Platz in einer anderen Herberge gefunden. Auch die 3 Spanier waren in der Messe, dazu 2 Pilger aus Neuseeland die ich schon aus Orisson kannte. Am Ende lud der Pfarrer alle nach vorne an den Altar für den Einzelpilgersegen. Ein schönes Gemeinschaftserlebnis – Seele des Camino. Am Ende forderte er jeden auf, noch ein Lied in seiner Sprache zu singen. Ich erklärte mich spontan bereit und sang „Segne du Maria“. Ich bekam zwar Beifall, aber wahrscheinlich war es mehr Mitleidsbeifall. Es klang, wie sagt immer mein Pate Alois „Grauenhaft schön“. Das gemeinsame Abendessen war dann auch noch einmal ein Highlight. Recht früh ging es heute zu Bett.

24.08.2022 14. Etappe Atapuerca nach Burgos

Die Nacht war wieder ruhig, man war wieder im Caminorythmus. Für heute hatte ich mir den Weg nach Burgos vorgenommen, knappe 21 km. Da es in der Herberge kein Frühstück gab machte ich in der nächsten Ortschaft zusammen mit Werner ein ausgiebiges Frühstück. Es gab alles was man sich zum Frühstück wünschte. Eier in allen Variationen. Viele Bars haben sich mittlerweile darauf eingestellt das die Pilger unterwegs des öfteren Pause machen. Jana, eine Pilgerin aus Berlin drückte es mal recht lustig aus. Sie meinte das es heute ihr 5. Frühstück war. Es war wieder richtig heiß geworden und der Weg nach Burgos zog sich ziemlich hin. Es ging Stundenlang auf Straßen Richtung Burgos. Gefühlt musste man den Flughafen von Burgos umrunden und irgendwann kam man im Industriegebiet von Burgos an. Kaum waren gelbe Pfeile zu sehen und man musste schon schauen, das man sich nicht verläuft. Nach einiger Zeit kam man an einer Kirche an und dort konnte ich mich etwas ausruhen und zur Ruhe kommen. Ein sehr spiritueller Ort. Luca, der italienische Tierarzt kam ebenfalls in die Kirche und wir freuten uns einander wieder zu sehen. Gemeinsam mit Werner und Luca machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Es war alles immer noch sehr schlecht beschildert. Luca nahm kurzerhand sein Handy und suchte den Weg per Google Maps. An einer der vielen Wegkreuzungen viel plötzlich einer meiner Walkingstöcke in seine Bestandteile. So musste ich mit nur einen Stock weiter gehen, was sehr mühsam war. Dadurch bin ich des öfteren beinahe gestolpert und konnte mich mit großer Mühe noch fangen. In der Nähe der Kathedrale machten wir eine Rast in einer der vielen Bars. Eine eiskalte Cola brachte den Zuckerspiegel wieder ins Gleichgewicht. Zum Glück konnte ich meinen Walkingstock wieder reparieren. Luca war zwischenzeitlich weitergegangen. Als Herberge hatte ich mir wie 2017 die Casa Emaus, eine kirchliche Herberge ausgesucht. Sie lag etwas abseits des Zentrums. Aber der Aufenthalt 2017 hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Dort angekommen war diese noch nicht geöffnet. Vor der Herberge war eine Grasfläche mit Bäumen die Schatten boten. Eine Frau mit 4 Kindern und ein anderer Pilger waren schon da. Eine Hospitalera verteilte Zettel in verschiedenen Sprachen auf denen die Spielregeln der Herberge standen. Danach fragte sie, ob man damit einverstanden ist. Selbstverständlich war ich es. Werner und der andere Pilger lasen die Zettel recht ausführlich. Darin stand, das der abendliche Gottesdienst und das Abendessen mehr oder weniger verpflichtend sind. Ich wusste das ja schon und ging genau deswegen in diese Herberge. Nach dem die Zimmer bezogen waren, ich war mit Werner und einem Holländer namens Rudolf im Zimmer, kam die Leiterin der Herberge. Zu meiner Überraschung war es die gleiche wie 2017. Marie Noel, eine sehr engagierte Hospitalera die mich nach diesen 5 Jahren wieder erkannte. Wahnsinn, welches Gedächtnis. Marie Noel erklärte ihren Namen. Sie war an Weihnachten geboren, deshalb der zweite Name Noel – Weihnachten. Werner hatte sich unterwegs entschlossen einiges von seinen 19 kg zurück zu schicken. Da es hier in Burgos eine größere Post gab, war die Gelegenheit günstig. Das Paket kostete ihm satte 40 Euro. Aber er war erleichtert, brauchte er doch dies alles nicht. Er hatte aber immer noch zu viel Gewicht. Der Weg führte uns natürlich zur Kathedrale, eine der mächtigsten Bauwerke entlang des Camino. Ich hatte diese Bauwerk ja bereits vor 5 Jharen besichtigt und verzichtet diesmal darauf, zumal mich dies alles geistig erschlagen hätte. Werner, der ja das erstmal hier war besichtigte natürlich das Bauwerk. Vor dem Eingang kam ein Pilger auf mich zu und zu meiner Überraschung war es Joel, der Spanier aus Frankfurt aus der Herberge in Bayonne. Er wollte doch den Camino de Norte machen. Was machte er hier? Er erklärte mir, das auf dem Camino de Norte ständig alle Herbergen vorgebucht wären und man so gut wie nie einen Schlafplatz bekam. Deshalb wechselte er auf den Camino Frances. Im letzten Jahr hatte er genau das umgekehrte Problem. Wir machten noch ein Wiedersehens Foto und verabschiedeten uns. Nicht ist Zufall. Ihn hätte ich hier nicht mehr erwartet. Nach einiger Zeit in der Stadt bei der ich mir ein Eis genehmigte machte ich mich auf den Rückweg zur Herberge. An einer Bar saßen Terri und Scott und riefen mich zu sich. Wir freuten uns einander wieder zu sehen und unterhielten uns eine Weile. Für mich natürlich wieder aufgrund der Sprache sehr anstrengend. Zurück in der Herberge setzte ich mich in der Küche an den Tisch mit Rudolf dem Holländer. Es war eine sehr angenehme Unterhaltung. Er erzählte mir, das er im Decathlon war und Stöcke gekauft hätte, da er morgen eine längere Strecke laufen will. Nach einiger Zeit kam auch Werner zurück und ging ins Zimmer. Auch Rudolf ging ins Zimmer und kam laut sprechend und aufgeregt zurück in die Küche. „Mein Geld ist weg, es wurde aus meinem Rucksack gestohlen, hier in der Herberge.“ Er hätte 400 Euro im oberen Fach seines Rucksackes gehabt und jetzt wären sie weg. Ein ziemlicher heftiger Vorwurf, und das in einer kirchlichen Herberge. Wir waren alle ziemlich geschockt, hatte er uns doch indirekt verdächtigt. Marie-Noel sagte nur, das so etwas in dieser Herberge noch nie vorgekommen ist und glaubte auch nicht, das dies der Fall wäre. Sie fragte ihn wo er denn überall vorher gewesen wäre. Dabei erzählte er, das er mit einem jungen deutschen Mädchen in einer Bar gewesen sei. Marie-Noel kannte die Bar und machte sich auf den Weg dorthin. Nach ihrer Rückkehr erzählte sie, das der Barmann wohl gesehen hätte, das dieses Mädchen wohl an seinem Rucksack war. Plötzlich sagte der Holländer, das muss dann sie gewesen sein, obwohl er dafür keinerlei Beweise hatte. Er wusste, das die deutsche Mona hieß. Da sich die Hospitaleros untereinander kennen, rief Marie-Noel alle Herbergen an und fragte nach Mona. Tatsächlich machte sie diese ausfindig in der Gemeindeherberge. Zur Überraschung aller hatte Rudolf sogar ihre Telefonnummer und rief sie an. Am Telefon wurde er laut und sagte zu ihr, das sie sein Geld gestohlen hätte. Sie verneinte das. Marie-Noel riet ihm es an zu zeigen. Das wollte er aber nicht. Er sagte, er müsste morgen mit dem Bus fahren. Was dies damit zu tun hatte erschloss sich uns nicht, zumal er ja mir erzählt hatte, das er morgen eine längere Strecke gehen wollte. Irgendwie war durch diesen Vorfall die Stimmung in der Herberge am Tiefpunkt. So etwas hatte ich auf all den Caminos, und das sind ja einige, noch nie erlebt. Bei einer Unterhaltung mit Werner eröffnete dieser mir, das er mit 6000 Euro Bargeld auf dem Camino unterwegs war. Mir fiel die Kinnlade runter und ich sagte nur, „Was um Himmelswillen machst du mit soviel Bargeld auf dem Camino?“. Bei einer Durchsuchung durch die Polizei hätte so etwas sicherlich zu einigen Irritationen geführt. Werner wollte auf alles vorbereitet sein. Auch so etwas hatte ich noch nicht erlebt. Um 18.00 Uhr sollte Messe sein. Kurz vorher kam dann Martin in die Herberge. Er hatten auf meinem Rat gehört und kam in die Casa Emaus. Ich freute mich ihn wieder zu sehen. Der Gottesdienst war sehr schön. Leider waren wir nur wenige Pilger an diesem Tag. Am Schluß des Gottesdienstes spendete der Pfarrer jeden den Einzelpilgersegen. Danach gab es das berühmte Emausmahl. Besonders beeindruckend war die Begegnung und Unterhaltung mit der französischen Familie. Eine Frau mit ihren 3 Töchtern und einem Sohn. Sie haben in Frankreich den Camino in Etappen begonnen und hatten heute ihren letzten Tag für dieses Jahr. Das diese jungen Menschen zusammen mit ihrer Mutter pilgern ist schon außergewöhnlich. Im Anschluss an das Essen wurde noch zusammen gebetet und gesungen. Hier spürte man trotz aller Wirrungen des Tages die Seele des Camino. Glücklich wieder an diesem Ort zu sein gingen wir alle zu Bett.

23.08.2022 13. Etappe Tosantos nach Atapuerca

Beim Aufstehen war es heute schon etwas beschwerlicher nach der zweiten Nacht hintereinander auf einer Bodenmatratze. Mir tat schon etwas das Kreuz weh. Heute sollte es ein Bett mal wieder sein. Ein gemeinsames Frühstück zusammen mit Jose-Luiz rundete den Besuch in dieser Herberge ab. Dabei sang er wieder altbekannte Pilgerlieder wie das Ultreia Lied. Auch Martin spielte etwas auf seiner Flöte. Zum Abschied bekam jeder Pilger von Jose-Luis einen Pilgersegen. Werner ging es wieder besser und er machte sich zusammen mit mir auf den Weg. Es war wieder etwas bewölkt und nicht ganz so heiß. Ideales Pilgerwetter. Die Strecke von 25 km hatte kaum größere Steigungen und war ziemlich eintönig. Gegen Mittag kamen wir in St. Juan Ortega an. Dort ist die berühmte kirchliche Pilgerherberge in der es abends traditionell eine Knoblauchsuppe gibt. 2017 war ich mit Edgar in dieser Herberge. Aber es war ja erst Mittag und auch die Herberge hatte noch nicht offen. In einer Bar machten wir Rast und holten uns eine kleine Zwischenmahlzeit. Jenn aus London kam auch gerade an und setzte sich zu uns. Sie hatte hier gebucht und musste natürlich bleiben. Das vorbuchen hat zwar den Vorteil, das man weis wo man schläft, aber natürlich hat es auch Nachteile. Es nimmt einen ein Stück weit die Spontanität des Pilgerns. Gerade hat man jemanden getroffen und möchte mit ihm weitergehen, aber man hat gebucht – Schade eigentlich. Über Ages musste man nach Atapuerca einer Straße entlang laufen, was nicht ganz so angenehm war. Am Ortseingang sieht man schon von weiten ein Museum. Atapuerca ist eine der bedeutendsten Fundstätten des Paläolithikums in Europa. Im Jahr 2000 wurde es zum Weltkulturerbe der UNESCO und 2015 zum Gut von außergewöhnlichem universellen Wert erklärt. In Atapuerca gingen wir in die Herberge El Peregrino. Hier gab es mal wieder ein richtiges Bett. Luca ein Italiener, der gestern auch in Tosantos war kam ebenso in die Herberge. Wir kamen etwas näher ins Gespräch. Er war Tierarzt und kam aus Turin. Ein sehr sympathischer Pilger. Einer der Begegnungen die meinen Weg bereichert haben. Nach der üblichen Pilgerroutine suchten wir in diesem kleinen Ort etwas zu Essen, aber nichts hatte geöffnet. Nach langen suchen kamen wir an eine Bar die offen war. Sie lag ziemlich am Ortsende. Es war wieder heiß geworden und es tat gut im Schatten zu sitzen. Heute leistete ich mir mal ein Pilgermenü. Das Preis – Leistungsverhältnis ist ja bekanntermaßen auf dem Camino sehr gut. Man bekommt eine Vorspeise, Hauptspeise und eine Nachspeise, dazu ein Wein. Was will man mehr. Zurück in der Herberge unterhielt ich mich noch eine Weile mit Luca, der auch noch draußen saß und Tagebuch schrieb. Müde fiel ich ins Bett.

22.08.2022 12. Etappe Granon nach Tosantos

Die Nacht verlief für mich ruhig. Ich muss tief und fest geschlafen haben. Werner ging es in dieser Nacht wirklich schlecht und hatte heftigen Brechdurchfall. Obwohl ich die Matratze neben ihn hatte, bekam ich nichts mit. Gegen 5.30 Uhr war aber für die meisten die Nacht auch zu Ende, denn um diese Zeit fing eine Asiatin an ihre Sachen zu packen. Das rascheln der Plastiktüten war dabei nicht zu überhören. Man lag zwar da, aber einschlafen konnte man nicht mehr. So entschloss ich mich aufzustehen. Nach dem Packen des Rucksackes konnte man hier in der Herberge Frühstücken. Wie immer ein relativ einfaches Frühstück. Weißbrot, Butter und Marmelade, dazu Kaffee. Das hatte die äußerst freundlichen Hospitaleros Josefine und Angel vorbereitet. Nach und nach standen alle Pilger auf und frühstückten. In den Herbergen mit Frühstück ist die Unterhaltung am Morgen meist geprägt von den Fragen – Wie ist das Wetter? – Wie weit willst Du heute gehen? Werner sah immer noch recht blass aus, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Zusammen machten wir uns auf den Weg. Es war gerade hell geworden und die Sonne begann aufzugehen. Später zogen einige Wolken auf und es war nicht mehr ganz so heiß. Dadurch war es ein angenehmes Gehen. Die Wege waren recht flach und am späten Vormittag schon kam der Ortseingang von Belorado mit der Luxusherberge. In der Ortsmitte kam man dann an die Kirche und die nebenanliegende Herberge. Diese wird von der schweizerischen Pilgergesellschaft betreut. Hier kamen die schönen Erinnerungen an den Aufenthalt 2017. Besonders musste ich mich an den besonderen Pilgersegen in Belorado erinnern. Wir machten hier eine kleine Rast. Werner ging es immer noch nicht besser und die Pause war willkommen. Vor der Herberge machte die Hospitalera gerade sauber und ich kam mit ihr ins Gespräch. Sie berichtete das gar nicht so viele Pilger in den letzten Tagen in der Herberge waren, obwohl doch in diesem Jahr das Pilgeraufkommen aufgrund des Heiligen Jahres höher als sonst ist. Zum einen liegt es daran, das die Herberge am Ortseingang einige Pilger abfischt und zum andern suchen mittlerweile viele Pilger mehr Luxus und Privatsphäre. Dies können Private Herbergen im Gegensatz zu den kirchlichen und gemeindlichen Herbergen anbieten. Eigentlich schade, den viele dieser Pilger bringen sich so um die Erfahrungen auch mal mit weniger auszukommen. Zwischenzeitlich checkte ich nach einigen Tagen der Abstinenz wieder mal meine Mails. Die Handykommunikation und auch das Internet sowie die Nachrichten hatte ich weitesgehends ausgeblendet. Mich interessierten weder Fußballergebnisse noch irgendwelche Nachrichten. Zu meiner Überraschung war eine Mail vom Versorgungsamt dabei. Darin wurde mir bestätigt, das mein Antrag auf Schwerbehinderung aufgrund der Polyneuropathie stattgegeben wurde. Das diese Mail ausgerechnet in Belorado ankam, einen besonderen Ort für mich aufgrund des besonderen Pilgersegens, konnte kein Zufall sein. Jedenfalls freute ich mich darüber. Nach einiger Zeit der Ruhe in der Kirche von Belorado gingen wir weiter. Gerne wäre ich auch diesmal wieder in Belorado geblieben, aber es waren ja erst 15 km die wir unterwegs waren. Tosantos sollte nach 5 weiteren km das heutige Ziel werden. Dort gab es eine kleine kirchliche Herberge, St. Franziskus auf Spendenbasis. Sie war ebenso wie die Herberge in Granon aufgebaut. Schlicht, einfach und mit einem besonderen Geist ausgestattet. Die 5 km waren schnell geschafft und wir kamen an der Herberge in Tosantos an. Wir waren die ersten Pilger. Die Herberge war noch geschlossen und so setzten wir uns erstmal in den Garten und warteten. Nach und nach kamen noch einige Pilger dazu unter anderem ein junger Mann aus den USA. Er war in Le Puy gestartet und dadurch schon einige Zeit auf dem Camino. Nach einiger Zeit des Wartens kam eine Frau und öffnete die Herberge. Man bekam zuerst etwas zu trinken angeboten und im Anschluss wurden die Daten aufgenommen. Antonio, der etwas ältere spanische Pilger, der ebenso wie wir in Granon war, meldete sich ebenso gerade an. Danach kam ein langer, sehr schlanker Pilger mit einem außergewöhnlichen Bart und einer ebenso außergewöhnlichen Frisur. Nachdem ich festgestellt hatte, das er deutscher war kamen wir näher ins Gespräch. Martin, so dessen Name, kam aus Bad Kissigen. Der erste Franke nach Dominik aus Würzburg. Martin war ein sehr Gläubiger Pilger und hatte bereits viel erlebt. Er war zu Hause gestartet, musste aber aufgrund Corona vor 2 Jahren unterbrechen und startetet dieses Jahr in Frankreich. Martin war Kunsthistoriker und sprach mehrere Sprachen, auch exotische wie Japanisch. Martin hatte auch eine Flöte dabei, die wie bei einem Dudelsack klang. Er spielte dieser immer wieder mal. Wir tauschten unsere Whatts App Nummern aus um in Kontakt zu bleiben. Ab hier sollten sich unsere Wege sich noch öfter kreuzen. Nach der üblichen Pilgerroutine gingen wir in die nebenan gelegene Bar um etwas zu Essen und Trinken. Dort hatten sie leckere Burger und ich hatte richtig Hunger. Werner ging es immer noch nicht besser. Er hatte sich vermutlich etwas an den Brunnen mit dem Trinkwasser eingefangen. Er hat seine Wasserflaschen immer an den öffentlichen Brunnen gefüllt. Obwohl es heißt, das es kein besseres Trinkwasser als aus den Brunnen geben würde, war ich doch vorsichtig und kaufte lieber Mineralwasser in Flaschen. Man hatte die letzten Tage des öfteren von Pilgern gehört mit Magen-Darm Problemen. Werner konnte seinen Burger nicht essen, so das ich heute zu einer 2. Mahlzeit kam. Zurück in der Herberge war relaxen im wunderbaren Garten angesagt. Man saß mit den anderen Pilgern im Schatten und unterhielt sich. Auch besuchte ich die kleine Kapelle die unter dem Dach untergebracht war. Jose-Luis, der die Herberge betreute war großherziger Mann, der eine Ruhe ausstrahlte und die Pilger mit seinen Erzählungen in seinen Bann zog. Nun musste das Abendessen vorbereitet werden. Jeder Pilger bekam von Jose-Luis eine Aufgabe zu geteilt. Ich musste mit Antonio Kartoffeln schälen. Dabei stimmte Jose-Luis immer wieder Pilgerlieder an. Ich erzählte Antonio dabei, das mein Enkel ebenso Anton heißt, was Antonio sichtlich stolz machte. Nachdem alles zubereitet war wurde mit einem Tischgebet das Abendessen begonnen. Werner konnte leider nicht teilnehmen. Die Hospitaleros brachten ihm Tee und Gepäck. Nach dem Abendessen mussten alle spülen und aufräumen bevor man sich in die kleine Kapelle unter dem Dach begab. Hier wurden zunächst Taizelieder gesungen. Jose-Luis hatte Gebete in verschiedenen Sprachen vorbereitet. Da Martin und ich die einzigen deutschsprachigen Pilger waren beteten bzw. sangen wir die Psalmen gemeinsam. Müde, aber glücklich über diesen schönen Tag gingen wir alle zu Bett. Ein Bett war es auch heute nicht, sondern wieder ein Matratzenlager wie gestern. Hoffentlich brauche ich morgen keinen Kran zum Aufstehen.