
Die Nacht war ruhig und ich wollte heute recht früh losgehen. Es sollte wieder heiß werden und am Morgen ist es doch angenehmer zu laufen. Da wir am Ortsrand waren ging es zur Dorfmitte. Als ich die dortige Herberge sah ärgerte ich mich etwas. Ich hatte es leider nicht mehr ganz so in Erinnerung, aber es war die Herberge in der ich 2017 Mark und Allison kennenlernte. Wenn wir den anderen Weg genommen hätten wären wir direkt an dieser Herberge vorbei gekommen. Aber sei es drum. Schade. Es war nicht mehr rückgängig zu machen. Mein Erinnerungsvermögen hat doch schon etwas gelitten bei den vielen Caminos und Orten. Da bringt man schon leicht mal was durcheinander. Der Tag war nicht sehr ereignisreich und am frühen vormittag war ich schon in Sahagun. Sahagun ist etwa die Mitte des Camino Frances. Dort gibt es die sogenannte Halbzeiturkunde. Das hatte ich beim letzten Camino nicht gewusst. Werner wollte die Urkunde unbedingt haben und so machten wir uns auf die Suche nach der Infostelle an der es die Urkunde gab.Die wenigsten Pilger wissen, das es diese Urkunde gibt. Ein schönes Andenken, mehr aber nicht. Für mich ein Stück Papier, wie auch die Compostela die man am Ende in Santiago bekommt. Nach einer kleinen Kaffeepause ging es weiter nach Reliegos. Die Hitze wurde am frühen Nachmittag ziemlich heftig und ich war froh endlich den heutigen Zielort Bercianos Real de Camino zu erreichen. Dort sollte es eine kirchliche Herberge geben, und immer wenn eine am Weg lag und es sich einrichten lies ging ich diese kirchlichen Herbergen bevorzugt. Am Ortseingang war eine kleine Kirche und sie lud zum verweilen ein. Dort war es kühl und man konnte zur Ruhe kommen. Die Herberge war am Ortsausgang und nach einigen nachfragen fand ich sie schließlich. Hier wurde man freundlich empfangen und bekam zunächst mal etwas zu trinken, was man bei der Hitze gebrauchen konnte. Eine der Hospitaleros sprach Deutsch und erzählte mir, nachdem ich ihr erzählt hatte, das ich einst den Weg von Kronach aus nach Santiago machte, das vor ein paar Tagen ein Pilger aus Kronach hier in der Herberge gewesen ist. Nichts ist Zufall. Vielleicht treffe ich ihn ja noch. Nach der üblichen Pilgerroutine war erst mal Siesta angesagt. Der Tag in der Hitze war recht anstrengend. Wenn man sich so in der Mitte des Camino befindet reflektiert man so manches. Wenn man losgeht zu Beginn des Camino herrscht meist Euphorie, dann kommt der Alltag des Camino, ein Tag ähnelt den anderen. Laufen, Essen Schlafen und das ganze wieder von vorne. Diese Routine hat irgendwie auch etwas beruhigendes. Du musst dich ja um nicht weiter sorgen, als das deine Füße funktionieren, das du etwas zu Essen findest und du einen Schlafplatz hast. In der Herberge gab es eine kleine Kapelle, auch hier konnte man einige Zeit in Ruhe verbringen und im Gebet ganz bei sich sein. Neben der Herberge gab es eine kleine Bar und der Hunger und Durst trieb uns dahin. Die Routine von Werner bestand darin, nach der üblichen Pilgerroutine duschen und waschen Bilder nach Hause zu schicken und zu berichten, wo er sich gerade befindet. Danach brauchte er meist eine Bar um dort, wie für einen Belgier üblich, Bier zu trinken. Ich bevorzugte meist Radler, das hatte weniger Alkohol. Zum Glück gab es dort etwas zu Essen, denn wir waren ziemlich hungrig und bis zum Abend war es noch lange hin. Um 18.00 Uhr waren alle zur Pilgermesse in der kleinen Kirche am anderen Ende des Dorfes eingeladen. Alle Pilger der Herberge waren gekommen und auch viel Einheimische waren da, so das die kleine Kirche im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen heute gut gefüllt war. Das liebe ich an den kirchlichen Herbergen, das dort ein besonderer Geist herrscht. Leider versteht man in den spanischen Messen nicht viel, aber das Evangelium des Tages konnte ich auf dem Smartphone immer auf Deutsch mit lesen. Am Ende der Pilgermesse wurden alle Pilger nach vorne gebeten für den Einzelpilgersegen. Immer wieder ergreifend, auch wenn man wie ich schon so viele Einzelpilgersegen empfangen hat. Danach ging es zurück zur Herberge und die Hospitaleros brachten das Essen. Im Garten war ein großer Tisch aufgebaut für das gemeinsame Abendessen. Neben mir saß Sarah aus den USA. Mit ihr hatte ich heute eine schöne Unterhaltung und mein Englisch reichte aus für eine ausführliche Unterhaltung. Rion, die Belgierin war auch da und sang am Ende des Abendessens ein Lied. Ein heimischer Landwirt kam vorbei und brachte für die Pilger Melonen zum Nachtisch und als Erfrischung. Eine schöne Geste. Die Spanier tun wirklich alles für die Pilger. Aber ich glaube solche Gesten wirst du nicht in den großen anonymen Herbergen finden, sondern nur an diesen besonderen Orten des Camino. Nachdem alle geholfen hatten abzuräumen und abzuspülen wurden wir von den Hospitaleros auf einen Hügel neben der Herberge eingeladen. Dort wollten wir gemeinsam den Sonnenuntergang genießen und das Licht feiern. Wir saßen dabei im Kreis um ein Feuer, das wir entzündet hatten. Wir sangen und beteten gemeinsam. Am Ende durfte jeder Pilger einen Brief in seiner Sprache ziehen, den ein Pilger des Vortages für die Pilger von Heute geschrieben hatte. Wir wurden gebeten für die Pilger des nächsten Tages einen Brief zu schreiben. Man muss schon etwas überlegen was man schreibt und dem Pilger des nächsten Tages mitteilen will. Ein wunderbares Ritual. Mit einem wunderbaren Gefühl gingen wir alle zurück zur Herberge um im Anschluss schlafen zu gehen.