
Die Nacht war wieder ruhig, man war wieder im Caminorythmus. Für heute hatte ich mir den Weg nach Burgos vorgenommen, knappe 21 km. Da es in der Herberge kein Frühstück gab machte ich in der nächsten Ortschaft zusammen mit Werner ein ausgiebiges Frühstück. Es gab alles was man sich zum Frühstück wünschte. Eier in allen Variationen. Viele Bars haben sich mittlerweile darauf eingestellt das die Pilger unterwegs des öfteren Pause machen. Jana, eine Pilgerin aus Berlin drückte es mal recht lustig aus. Sie meinte das es heute ihr 5. Frühstück war. Es war wieder richtig heiß geworden und der Weg nach Burgos zog sich ziemlich hin. Es ging Stundenlang auf Straßen Richtung Burgos. Gefühlt musste man den Flughafen von Burgos umrunden und irgendwann kam man im Industriegebiet von Burgos an. Kaum waren gelbe Pfeile zu sehen und man musste schon schauen, das man sich nicht verläuft. Nach einiger Zeit kam man an einer Kirche an und dort konnte ich mich etwas ausruhen und zur Ruhe kommen. Ein sehr spiritueller Ort. Luca, der italienische Tierarzt kam ebenfalls in die Kirche und wir freuten uns einander wieder zu sehen. Gemeinsam mit Werner und Luca machten wir uns auf den Weg in die Innenstadt. Es war alles immer noch sehr schlecht beschildert. Luca nahm kurzerhand sein Handy und suchte den Weg per Google Maps. An einer der vielen Wegkreuzungen viel plötzlich einer meiner Walkingstöcke in seine Bestandteile. So musste ich mit nur einen Stock weiter gehen, was sehr mühsam war. Dadurch bin ich des öfteren beinahe gestolpert und konnte mich mit großer Mühe noch fangen. In der Nähe der Kathedrale machten wir eine Rast in einer der vielen Bars. Eine eiskalte Cola brachte den Zuckerspiegel wieder ins Gleichgewicht. Zum Glück konnte ich meinen Walkingstock wieder reparieren. Luca war zwischenzeitlich weitergegangen. Als Herberge hatte ich mir wie 2017 die Casa Emaus, eine kirchliche Herberge ausgesucht. Sie lag etwas abseits des Zentrums. Aber der Aufenthalt 2017 hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Dort angekommen war diese noch nicht geöffnet. Vor der Herberge war eine Grasfläche mit Bäumen die Schatten boten. Eine Frau mit 4 Kindern und ein anderer Pilger waren schon da. Eine Hospitalera verteilte Zettel in verschiedenen Sprachen auf denen die Spielregeln der Herberge standen. Danach fragte sie, ob man damit einverstanden ist. Selbstverständlich war ich es. Werner und der andere Pilger lasen die Zettel recht ausführlich. Darin stand, das der abendliche Gottesdienst und das Abendessen mehr oder weniger verpflichtend sind. Ich wusste das ja schon und ging genau deswegen in diese Herberge. Nach dem die Zimmer bezogen waren, ich war mit Werner und einem Holländer namens Rudolf im Zimmer, kam die Leiterin der Herberge. Zu meiner Überraschung war es die gleiche wie 2017. Marie Noel, eine sehr engagierte Hospitalera die mich nach diesen 5 Jahren wieder erkannte. Wahnsinn, welches Gedächtnis. Marie Noel erklärte ihren Namen. Sie war an Weihnachten geboren, deshalb der zweite Name Noel – Weihnachten. Werner hatte sich unterwegs entschlossen einiges von seinen 19 kg zurück zu schicken. Da es hier in Burgos eine größere Post gab, war die Gelegenheit günstig. Das Paket kostete ihm satte 40 Euro. Aber er war erleichtert, brauchte er doch dies alles nicht. Er hatte aber immer noch zu viel Gewicht. Der Weg führte uns natürlich zur Kathedrale, eine der mächtigsten Bauwerke entlang des Camino. Ich hatte diese Bauwerk ja bereits vor 5 Jharen besichtigt und verzichtet diesmal darauf, zumal mich dies alles geistig erschlagen hätte. Werner, der ja das erstmal hier war besichtigte natürlich das Bauwerk. Vor dem Eingang kam ein Pilger auf mich zu und zu meiner Überraschung war es Joel, der Spanier aus Frankfurt aus der Herberge in Bayonne. Er wollte doch den Camino de Norte machen. Was machte er hier? Er erklärte mir, das auf dem Camino de Norte ständig alle Herbergen vorgebucht wären und man so gut wie nie einen Schlafplatz bekam. Deshalb wechselte er auf den Camino Frances. Im letzten Jahr hatte er genau das umgekehrte Problem. Wir machten noch ein Wiedersehens Foto und verabschiedeten uns. Nicht ist Zufall. Ihn hätte ich hier nicht mehr erwartet. Nach einiger Zeit in der Stadt bei der ich mir ein Eis genehmigte machte ich mich auf den Rückweg zur Herberge. An einer Bar saßen Terri und Scott und riefen mich zu sich. Wir freuten uns einander wieder zu sehen und unterhielten uns eine Weile. Für mich natürlich wieder aufgrund der Sprache sehr anstrengend. Zurück in der Herberge setzte ich mich in der Küche an den Tisch mit Rudolf dem Holländer. Es war eine sehr angenehme Unterhaltung. Er erzählte mir, das er im Decathlon war und Stöcke gekauft hätte, da er morgen eine längere Strecke laufen will. Nach einiger Zeit kam auch Werner zurück und ging ins Zimmer. Auch Rudolf ging ins Zimmer und kam laut sprechend und aufgeregt zurück in die Küche. „Mein Geld ist weg, es wurde aus meinem Rucksack gestohlen, hier in der Herberge.“ Er hätte 400 Euro im oberen Fach seines Rucksackes gehabt und jetzt wären sie weg. Ein ziemlicher heftiger Vorwurf, und das in einer kirchlichen Herberge. Wir waren alle ziemlich geschockt, hatte er uns doch indirekt verdächtigt. Marie-Noel sagte nur, das so etwas in dieser Herberge noch nie vorgekommen ist und glaubte auch nicht, das dies der Fall wäre. Sie fragte ihn wo er denn überall vorher gewesen wäre. Dabei erzählte er, das er mit einem jungen deutschen Mädchen in einer Bar gewesen sei. Marie-Noel kannte die Bar und machte sich auf den Weg dorthin. Nach ihrer Rückkehr erzählte sie, das der Barmann wohl gesehen hätte, das dieses Mädchen wohl an seinem Rucksack war. Plötzlich sagte der Holländer, das muss dann sie gewesen sein, obwohl er dafür keinerlei Beweise hatte. Er wusste, das die deutsche Mona hieß. Da sich die Hospitaleros untereinander kennen, rief Marie-Noel alle Herbergen an und fragte nach Mona. Tatsächlich machte sie diese ausfindig in der Gemeindeherberge. Zur Überraschung aller hatte Rudolf sogar ihre Telefonnummer und rief sie an. Am Telefon wurde er laut und sagte zu ihr, das sie sein Geld gestohlen hätte. Sie verneinte das. Marie-Noel riet ihm es an zu zeigen. Das wollte er aber nicht. Er sagte, er müsste morgen mit dem Bus fahren. Was dies damit zu tun hatte erschloss sich uns nicht, zumal er ja mir erzählt hatte, das er morgen eine längere Strecke gehen wollte. Irgendwie war durch diesen Vorfall die Stimmung in der Herberge am Tiefpunkt. So etwas hatte ich auf all den Caminos, und das sind ja einige, noch nie erlebt. Bei einer Unterhaltung mit Werner eröffnete dieser mir, das er mit 6000 Euro Bargeld auf dem Camino unterwegs war. Mir fiel die Kinnlade runter und ich sagte nur, „Was um Himmelswillen machst du mit soviel Bargeld auf dem Camino?“. Bei einer Durchsuchung durch die Polizei hätte so etwas sicherlich zu einigen Irritationen geführt. Werner wollte auf alles vorbereitet sein. Auch so etwas hatte ich noch nicht erlebt. Um 18.00 Uhr sollte Messe sein. Kurz vorher kam dann Martin in die Herberge. Er hatten auf meinem Rat gehört und kam in die Casa Emaus. Ich freute mich ihn wieder zu sehen. Der Gottesdienst war sehr schön. Leider waren wir nur wenige Pilger an diesem Tag. Am Schluß des Gottesdienstes spendete der Pfarrer jeden den Einzelpilgersegen. Danach gab es das berühmte Emausmahl. Besonders beeindruckend war die Begegnung und Unterhaltung mit der französischen Familie. Eine Frau mit ihren 3 Töchtern und einem Sohn. Sie haben in Frankreich den Camino in Etappen begonnen und hatten heute ihren letzten Tag für dieses Jahr. Das diese jungen Menschen zusammen mit ihrer Mutter pilgern ist schon außergewöhnlich. Im Anschluss an das Essen wurde noch zusammen gebetet und gesungen. Hier spürte man trotz aller Wirrungen des Tages die Seele des Camino. Glücklich wieder an diesem Ort zu sein gingen wir alle zu Bett.