Heute mussten wir uns wieder mal aus dem Schlafsaal schleichen um die anderen Pilger nicht zu wecken. Min und ihre Freundin aus Argentinien waren ebenfalls schon wach und gingen mit aus dem Schlafsaal. Ihre Angst gestern Abend zu verschlafen war unbegründet. Wir hatten uns als Ziel Monte de Gozo, den Berg der Freude vorgenommen. Von dort sind es nur noch 5 Km nach Santiago und wir wollten es wie vor 10 Jahren machen und am Tag darauf früh in Santiago ankommen. Aber zunächst musste die Strecke von 27 Km bewältigt werden. Heute war es bereits am frühen Morgen warm und es war zu erwarten, das es gegen Mittag richtig heiß werden würde. Ein besonderer Ort am heutigen Weg an dem die meisten Pilger achtlos vorbeigehen war für uns Labacolla. Dort wuschen sich die Pilger des Mittelalters um gereinigt nach Santiago zu kommen. Wir vollzogen dieses Ritual mehr symbolisch in dem wir unser Gesicht und unsere Hände im Fluß wuschen. Der Weg um den Flughafen von Santiago zog sich etwas lang hin. Danach kam schon der große Pilgerstein von Santiago, ein beliebtes Fotomotiv, das viele Pilger nutzen um ein Erinnerungsfoto zu machen. Ansonsten war ein ziemlich ereignisloser Tag, man begegnete nicht sehr vielen Pilgern und so kamen wir schon gegen Mittag oben am „Berg der Freude“ an. Der erste Weg führte uns zur dortigen Kapelle. Dort blieben wir eine Weile um inne zu halten und um zur Ruhe zu kommen. Am großen Pilgerdenkmal das neben der Kapelle steht und zu Ehren des Besuches von Papst Johannes Paul II errichtet wurde, machten wir ebenfalls wieder einige Erinnerungsfotos. Hinter dem Pilgerdenkmal ging es über eine Wiese und nach dem überqueren der Straße stand man am großen überdimensionierten Pilgerzentrum des Monte de Gozo. Die dortige Pilgerherberge wurde von der polnischen Pilgergesellschaft betrieben. Beim einquartieren mussten wir aber zunächst etwas warten, denn ein Filmteam machte Aufnahmen mit Schauspielern. Sie spielten gerade die Ankunft von Pilgern in der Herberge. Anschließend machten sie noch Aufnahmen im Garten der Herberge. Es sah spannend aus. Einige andere Pilger hatten sie schon in den vergangenen Tagen am O Cebreiro gesehen. Heute waren wir in einem großen Schlafsaal untergebracht. Er war bereits gut belegt und wie sich später herausstellen sollte, waren sehr viele polnische Pilger in der Unterkunft. Die meisten waren schon einge Tage dort untergebracht. Sie gingen meist tagsüber runter nach Santiago und am Abend zum schlafen wieder hoch in die Herberge. Zugegeben ein sehr beschwerlicher Weg jeden Abend den Berg hoch. Im Schlafsaal traf ich nach dem duschen auf einen Holländer namens Engelbert. Er hatte schon ziemlich alle bekannten Caminos gepilgert und erzählte vom Wintercamino den er jetzt gehen wollte. Von solchen Caminos hatten wir bisher noch nie gehört. Aber zur Zeit streikten die Busfahrer in Spanien und so wusste er noch nicht wie er an den Startpunkt kommen würde. Er meinte nur, wenn es nicht klappen sollte, laufe er halt einen anderen Weg. Er hatte sein Zelt dabei und war dadurch sehr flexibel. Beneidenswert wenn man einfach kurzfristig entscheiden kann und so frei ist. Zum Pilgerzentrum gehörte auch eine größere Bar in der man Essen und Trinken konnte. Dort hielten sich die meisten Pilger auf, den es gab hier nichts anderes. Edgar überredete die Kellnerin das Confed Cup Fußballspiel am Fernseher einzuschalten. Nebenan war auch noch eine größere Kirche die sehr schön gestaltet war. Leider fand am Abend kein Gottesdienst statt, es wäre etwas besonderes am Vorabend vor der Ankunft in Santiago gewesen. In der Kirche hing ein großes Porträt von Johannes Paul II. Vermutlich wurde die Kirche und das Pilgerzentrum wie auch das große Pilgerdenkmal oben am Berg anläßlich des Besuches von Johannes Paul II gebaut. In der Kirche war es ruhig, nur eine Klosterschwester malte Bilder bei etwas zu lauter Musik. Dadurch konnte man leider nicht ganz so in Ruhe nur einfach „da sein“. Trotzdem fand man hier inneren Frieden für sich. Das Abendessen, ein Pilgermenü war sehr gut und reichlich wie eigentlich alle Pilgermenüs es waren. Obwohl viele Pilger in der Bar waren, hatte man heute irgendwie nicht den Drang nach Kommunikation mit anderen Pilger. Vielleicht lag es daran, das wir am nächsten Tag nach Santiago kommen würden und man hatte schon den ganzen Tag ein komisches Gefühl an sich. Irgendwie war das Befinden nicht zu beschreiben, mal war es Vorfreude, mal Traurigkeit, mal irgendwie depressiv. Die letzten Tage waren auch schnell vergangen und so gingen wir mit vielen Gedanken im Kopf zu Bett. Ob man die letzte Nacht vor Santiago auch gut schläft?
Buen Camino