Heute mussten wir uns nicht aus dem Schlafraum schleichen, denn Giselle und Stefan standen ebenso früh auf wie wir. Es ist doch deutlich entspannter wenn man nicht draußen auf dem Flur seine Sachen zusammenpacken muss. Die Gefahr etwas zu vergessen ist zudem auch geringer. Und auch die Morgentoilette kann ruhiger gemacht werden. Edgar war wie immer recht früh im Waschraum und war über mehrere Kolumbianer, die gerade dort ihre Sachen ausgebreitet hatten, nicht sehr erfreut und wies sie zurecht. Zum Glück konnten sie ihn nicht verstehen. Für heute hatten wir uns keine allzu lange Strecke vorgenommen. Die Kultherberge Ave Fenix in Villafranca del Bierzo war unser heutiges Ziel. Wir waren schon gespannt ob es noch genauso orginell ist wie 2007. Damals waren wir vor der Herberge gestanden und von unseren damaligen Mitpilgern wollte eigentlich keiner aufgrund des äußerlichen Eindruckes rein. Wir fragten damals einen Pilger der herauskam, wie es da sei. Er sagte nur: Ich weis nicht wie ich es beschreiben soll, es ist halt orginell. Auf diese Aussage hin gingen wir damals hinein und es war eine der Herbergen, von der man heute noch erzählt. Deshalb wollten wir auch diesmal da hin. Gleich in Ponferrada traf ich Denise wieder und wir gingen eine ziemlich lange Zeit miteinander. Zwei mal haben wir uns beinahe aufgrund unseres Gespräches verlaufen. Zum Glück war Edgar vor uns und sah uns, das wir auf dem falschen Weg waren. Nach dem verlassen der Stadt ging es an diesem herrlichen Sommertag durch die wunderbare Gegend mit den Weinbergen des Bierzo. Es gab zwei Wegalternativen, wir entschieden uns für den klassischen Weg den es schon früher gab. Dabei trafen wir in einer kleinen Ortschaft wieder auf Waltraud und Heinz. Zusammen beschlossen wir in einer urigen Bar einen Cafe zu trinken. Da wir heute nur eine kurze Strecke hatten dehnten wir die Pause etwas aus und unterhielten uns über die Faszination des Camino und die vielen Pilger die man dort trifft. Am frühen Nachmittag kamen wir in Villafranca del Bierzo an, das man auch das kleine Santiago nennt. Früher als das Pilgern noch viel gefährlicher und anstrengender war als Heute, schafften es viele Pilger nicht bis Santiago sondern nur bis Villafranca del Bierzo. Davon zeugt noch ein Friedhof neben der Kirche. Gleich am Ortseingang ist die Kultherberge die von Jesus, einem Spanier gegründet wurde. Leider ist der Gründer der Herberge schon länger verstorben, die Herberge wird aber in seinem Sinne weitergeführt. Waltraud und Heinz gingen weiter, sie hatten ihre Herberge schon vorgebucht. Meist buchten sie ein 2 Bettzimmer in einem Hostel. Viele Pilger brauchen halt die Gewissheit abends einen Schlafplatz zu haben. Zum Glück brauchten wir in diesem Jahr bisher nicht vorbuchen, was einem schon eine gewisse Freiheit bringt. Man kann einfach spontan entscheiden wie weit man gehen will. Zu unserer Überraschung war Marianne schon in der Herberge. Sie hatte sich bereits einquardiert und war geduscht. Sie war wie immer in diesen Tagen schneller als wir unterwegs. Als wir uns gerade anmelden wollten kam sie zu den Hospitaleros und sagte sie wolle die Herberge wieder verlassen. Sie sagte nur in ihrem hanseatischen Hochdeutsch: „Das hier geht gar nicht“. Da wussten wir, das sich hier gegenüber vor 10 Jahren nicht viel verändert haben kann. Diese Kultherbergen werden leider immer weniger am Camino, da die Pilger vermehrt einen gewissen Standart vor allem im sanitären Bereich voraussetzen. Allerdings, so habe ich festgestellt, geht mit einem größeren Komfort auch immer etwas vom Spirit, der in diesen Kultherbergen zweifelsohne herrscht, mit verloren. Pilgern heisst auch, sich wieder auf das nötigste zu reduzieren, mit widrigkeiten zu recht zu kommen und mit einfachen Dingen zufrieden zu sein. Das heisst aber nicht, das ich Pilgern, die den Weg mit einem größeren Luxus gehen, den Sinn des Pilgerns absprechen will. Jeder soll seinen Weg gehen, so wie er es für richtig und sinnvoll hält. Diese Toleranz gegenüber allen Pilgern ist mir sehr wichtig auf dem Camino. Den Nachmittag verbrachten wir bei herrlichen Wetter im Garten der Herberge. Dort trafen wir auf Cecil und Niko, ein Ehepaar aus den Niederlanden. Sie waren schon sehr lange unterwegs und sich mit ihnen zu unterhalten war eine Freude. Die Herzlichkeit mit der sie jeden Pilger begegneten war einfach ansteckend. Für den Abend beschlossen wir Essen zu gehen. Dazu mussten wir runter in die Stadt laufen. Der Weg runter und auch wieder hinauf zur Herberge war schon ziemlich beschwerlich. Man musste zusätzlich zum Berg auch noch eine Baustelle umgehen. Am Marktplatz trafen wir dann auf viele bekannte Gesichter. Mit Waltraud, Heinz und Marianne saßen wir nach dem Essen noch einige Zeit zusammen und tranken zur Feier des Tages, wir hatten heute unsere 100. te Etappe seit 2009 hinter uns gebracht, unseren obligatorischen Rotwein. Gegen 21.00 Uhr traten wir den Rückweg zur Herberge an und gingen schlafen.
Buen Camino