101. Etappe von Villafranca del Bierzo nach La Faba

Die Nacht in der Herberge war ruhig. Mittlerweile schlief ich in den Herbergen besser als daheim, was vor allem daran lag, das man schon einen großen Abstand zum Arbeitsalltag hatte. Hier merkt man doch das einem die Arbeit belasten kann. Unten in der Stadt angekommen ging es über eine Brücke und hier musste man sich entscheiden. Den Weg entlang der Straße gehen, der flach dahin geht oder den Berg hoch und den Camino Duro, den schweren Weg gehen. Wir entschieden uns für den landschaftlich schöneren Weg, den Camino Duro. Mit dieser Entscheidung waren wir an diesem Tag ziemlich alleine. Die meisten Pilger nahmen die einfache und leichtere Strecke an der Straße entlang. Der Weg war dadurch ziemlich einsam. Hinter uns waren nur zwei Dänen, die wir in den vergangenen Tagen schon des öfteren getroffen hatten. Der Weg war schweißtreibend, nicht nur alleine wegen des Berges, sondern auch weil es am frühen Morgen schwül und gewittrig war. Unterwegs trafen wir dann zu unserer Überraschung auf Marianne. Sie war noch früher als wir losgelaufen und machte gerade eine Rast. Plötzlich standen auch noch Waltraud und Heinz vor uns, und so waren wir wieder wie gestern Abend vereint. Hier oben hatte man einen herrlichen Blick hinunter ins Tal. Der Abstieg hinunter nach Trabadelo, wo man wieder auf den Hauptweg trifft war extrem beschwerlich und hart. Es ging schon ziemlich auf die Knochen und verlangte einem einiges ab, zumal der Aufstieg auch nicht gerade ein Spaziergang war. Edgar war nach dem Abstieg nicht gerade gut gelaunt und sprach von einer falschen Entscheidung die wir heute mit dem Camino Duro getroffen hatten. Alle anderen Pilger wären schlauer als wir gewesen in dem sie den Weg entlang der Straße genommen hatten. Aber manchmal muss man auch Leiden und Schmerzen ertragen können. Ich sah es jedenfalls nicht als falsche Entscheidung an, den Camino Duro zu gehen. Letztlich muss jeder selbst entscheiden wie er den Weg gehen will. Man kann sicherlich immer leichter und bequemer ans Ziel kommen. Aber ich denke es ist auf dem Camino wie im richtigen Leben, manchmal ist es beschwerlicher und manchmal geht alles ganz leicht. Man kann es sich meist nicht aussuchen und muss mit allen Widrigkeiten leben können. Wer das nicht kann und den Weg möglichst ohne Anstrengungen und mit möglichst maximalen Luxus gehen will ist meines erachtens hier am falschen Ort. Es war immer noch drückend heiß und von weitem sah man schon Blitze und auch das Donnern kam näher. Es begann leicht zu regnen, so das wir uns entschlossen den Regenponcho anzulegen. Kaum hatten wir das erledigt stand das Gewitter direkt über uns. Zum Glück waren wir nicht auf freien Feld sondern standen direkt vor einer Bar. Dies nutzen wir zu einem Cafe con Letche. Auch Marianne kam in die Bar um Schutz vor dem Gewitter zu suchen wie viele andere Pilger auch, die gerade an der Bar vorbei kamen. Nach einer halben Stunde hatte sich das gröbste vom Gewitter verzogen und wir konnten weitergehen. Nach einer längeren flachen Strecke kam noch der steile Anstieg hinauf nach La Faba. Es sollte noch richtig schweißtreibend sein diesen steilen Anstieg mit den felsigen Hohlwegen hoch zu gehen. Da es immer wieder mal regnete hatten wir auch noch die Ponchos an, was seinen zusätzlichen Effekt hatte. So Nassgeschwitz waren wir schon lange nicht mehr. Oben in La Faba angekommen war es irgendwie wie nach Hause zu kommen. Diese von Deutschen betreute Herberge hatte bereits vor 10 Jahren einen bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen. Nach und nach trafen immer mehr bekannte Gesichter ein so unter anderem Dieter, Eddy und Renate und Choo der Koreaner. Marianne war schon da, wie immer war sie auch heute schneller als wir. Waltraud und Heinz kamen auch noch, wollten aber nicht bleiben, denn sie hatten oben am Cebreireo ein Zimmer gebucht. Wir wurden herzlich begrüßt von Schwester Gisela Maria und Uwe, der die Pilger zu ihren Betten begleitete und die Herberge erklärte. Die Formalitäten wurden durch Christian erledigt. Da er schon alle anderen abgewickelt hatte konnten wir uns etwas ausführlicher unterhalten. Mit Christian konnte man sich gut unterhalten. Er war schon ein erfahrener Hospitalero und kannte viele Geschichten vom Camino. Nach seiner Aussage hat sich das Pilgern in den letzten Jahren schon extrem verändert. Es wären sehr viele „Hapegrinos“, vor allem Deutsche, unterwegs. Diesen Begriff hatte ich bis heute noch nicht gehört, fand ihn aber lustig und irgendwie auch treffend. Von dieser Art Pilger hatten wir ja auch schon einige kennengelernt. Und je näher man an Santiago kam desto mehr nahm diese Spezies zu. Es war kühl geworden und man musste aufpassen, das man sich nicht erkältete. Da es hier eine Waschmaschine gab nutzen wir die Gelegneheit zusammen mit Marianne und Dieter unsere Wäsche zu waschen. Da der große Teil der Kleidung Nass oder Nassgeschwitzt war, war man froh noch etwas trockenes im Rucksack zu haben. Am späten Nachmittag wurde es wieder sonniger und wir machten einen Rundgang durch das Dorf. An einer Bar lud uns Marianne zu einem Bier ein und der restliche Nachmittag verging wie im Fluge. Wir beschlossen im Laden nebenan etwas zu kaufen und unser Abendessen in der Herberge zu kochen. Edgar kochte Nudeln und Tomatensoße. Wir hatten so viel übrig, das Christian noch von unseren Resten satt wurde. In der Kirche neben der Herberge war dann am Abend eine Pilgerandacht. Uwe erzählte zunächst von seinem Camino und wie er dazu kam Hospitalero in La Faba zu werden. Schwester Gisela Maria trug dann einige Texte vor, auch durften wieder einige Pilger etwas vortragen. Der Höhepunkt der Andacht war dann eine Fußwaschung. Dabei durfte jeder Pilger der dies wollte, einem anderen Pilger symbolisch die Füße waschen wie am Gründonnerstag Jesus seinen Aposten die Füße wusch. Dieser Abend mit der Fußwaschung hier in La Faba wird uns sicherlich für immer im Gedächtnis bleiben, zumal auch die Andacht vor 10 Jahren uns noch immer in Erinnerung ist. Mit einem guten Gefühl gingen wir in den Schlafsaal.

Buen Camino