Vortrag über den Jakobsweg begeistert die Besucher in Hesselbach

In den vergangenen Jahren waren die beiden Jakobspilger Edgar Renk und Gerhard Beitzinger auf dem Camino de Santiago zum Grab des Apostels Jakobus unterwegs. Nachdem von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert wurde, Bilder von diesem Weg zu zeigen, fand am vergangenen Sonntag auf Einladung der Dorfgemeinschaft Hesselbach im Gemeindehaus Hesselbach ein Lichtbildervortrag der beiden Jakobspilger statt. Im restlos überfüllten Gemeindehaus begrüßte Edgar Renk neben vielen Gästen aus nah und fern seinen Mitpilger Gerhard Beitzinger. Mit einer eindrucksvollen Powerpointpräsentation berichteten die beiden Jakobspilger von ihrem Fußweg. 2009 begannen sie ihren Weg in Tschirn an der dortigen Jakobskirche. Der Weg führte sie über 9 Jahre und 112 Etappen durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich und Spanien nach Santiago de Compostela und weiter bis nach Finisterre ans „Ende der Welt“. Dabei berichteten sie von ihren Erlebnissen auf dem Weg und den Begegnungen mit Pilgern aus aller Welt . Dabei beeindruckte vor allem, das die Pilger hautnah und sehr authentisch von ihren Erlebnissen und Begegnungen, zum Teil in nachdenklicher, aber auch in lustiger Form, berichteten. Sie erzählten dabei von ihrer Vorbereitung und dem Rucksack der beim Fußmarsch einem die Last des Materiellen spüren lässt. Schon das Packen erfordert Disziplin, denn mehr als 10 kg sollte man nicht bei sich haben. Sie erzählten auch von Herbergen, in denen die Pilger übernachten, und in denen man sich manchmal mit mehr als 50 Mitpilgern eine Dusche und ein WC teilen muss. Aber auch die Nächte in einem Schlafsaal mit 50 Pilgern gehören zur Rubrik „Pilgererfahrung“. „Das musst du aushalten“, sagten sie. Ein tieferes Erlebnis war sicherlich am „Cruz de Ferro“, wo auf einem riesigen Holzpfahl ein Eisenkreuz errichtet ist, und an dessen Fuß die Pilger einen Stein aus der Heimat niederlegen. Das Eindrucksvollste auf diesem Weg aber waren die Begegnungen und Erlebnisse mit anderen Pilgern aus aller Welt. Sowohl die menschlichen Begegnungen, als auch die eindrucksvollen Landschaften und Bauwerke auf dem Weg wurden den Zuhörern eindrucksvoll geschildert. Die Pilgerreise endete schließlich mit der Ankunft in Santiago de Compostela wo jeden Tag um 12:00 Uhr in der Kathedrale eine Pilgermesse gefeiert wird. Zu einem Höhepunkt wurde aber auch der Weg nach Cap Finisterre ans „Ende der Welt“, wo die Pilger der Tradition nach ihre Pilgerkleidung verbrennen. An diesem Ort am Atlantik endete schließlich der Weg der beiden Pilger und damit auch ihre Erzählungen. Für das leibliche Wohl bei Kaffee und Kuchen während der Pause war bestens gesorgt. Am Ende des Vortrages bedankte sich Edgar Renk bei allen für die Aufmerksamkeit und für ihren Besuch. Ein besonderer Dank galt dabei Gerhard Beitzinger, der die Powerpointpräsentation vorbereitet hatte, Im Anschluß an den Vortrag konnten sich die Besucher noch vertieft informieren, dabei war herauszuhören, das der ein oder andere sich ebenfalls auf den Jakobsweg begeben will. Die freiwilligen Spenden dieses Nachmittags spenden die beiden Pilger für einen caritativen Zweck. Mit einem „Buen Camino“, dem Gruß der Jakobspilger, endete ein wunderbarer Nachmittag in Hesselbach.

 

 

 

Persönliches Schlusswort von Pilgerhard

D20170624_180831er Weg ist das Ziel – aber ohne Ziel kein Weg.
Ich habe mein Ziel, den Jakobsweg zu Fuß von zu Hause bis nach Santiago de Compostela und weiter bis Finisterre ans Ende der Welt zu pilgern erreicht. Danken möchte ich an dieser Stelle meiner Familie, vor allem meiner Frau Heike, meinen Töchtern Lisa und Theresa, meiner Mutter, und auch meinem Arbeitgeber, Rita und Andreas. Sie alle haben es mir über die 8 Jahre immer wieder ermöglicht eine Auszeit zu nehmen, damit ich mich auf den Pilgerweg machen, um mir diesen Traum erfüllen zu können. Im Herzen und im Gebet hatte ich sie alle auf dem Weg immer bei mir. Danke auch den beiden Pfarrern Michael Dotzauer und Sven Raube die uns jedes Jahr den Pilgersegen spendeten. Danke natürlich auch an meinen Mitpilger Edgar, der mich 8 Jahre auf dem Weg ertragen wollte und ertragen musste. Nicht immer waren wir einer Meinung, was ja eigentlich normal ist wenn man so lange zusammen unterwegs ist. Aber letztlich haben wir unser gemeinsames Ziel auch gemeinsam erreicht. Es war immer wieder spannend jedes Jahr sich neu auf den Weg zu machen und unterwegs auch manchmal an seine körperlichen Grenzen zu gehen. Wenn du einmal mit dem Caminovirus infiziert bist, lässt dieser einem auch nicht mehr los. Als ich nach so langer Zeit des Pilgerns die mächtige Kuppel der Kathedrale erblickte, wurde es zur Gewissheit, dass dies ein ganz besonderer Ort für mich ist. Das Gefühl, das Ziel erreicht zu haben war grandios, man muss es erlebt haben, beschreiben lässt es sich jedenfalls nicht. Dieser Weg lässt einen die Verbundenheit mit einem größeren Ganzen fühlbar werden. Er ist die Suche nach Sinn und Wert in unserer modernen hektischen Welt. In Gesprächen mit anderen Pilgern ging es oft um die Frage: Hat dich der Weg verändert? Dabei gab es oft den einen oder anderen Pilger, der dann anfing, von der unglaublichen Kraft dieses Weges zu schwärmen. Von den wunderbaren, herrlichen Tagen, die man nur hier erleben könnte. Und von den Fragen, die – richtig gestellt – der Weg beantworten kann. Wenn man läuft, ohne von den Dingen des Alltages abgelenkt zu werden, dann fängt man an, über Dinge nachzudenken, von denen man vielleicht gar nicht wusste, dass sie in einem schlummern. Was jedoch einmalig an ihm ist, ist die Pilgergemeinschaft. Jeder läuft mit demselben Ziel. Das schweißt zusammen. Schon nach wenigen Augenblicken erzählt man sich sehr persönliche Dinge und man lernt sich sehr schnell, sehr gut kennen. Man lernt Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Schichten kennen und stellt irgendwann verblüfft fest: Im Grunde sind wir alle gleich. Egal von woher wir kommen und was unser gesellschaftlicher Status ist, wir wünschen uns alle das selbe. Hier auf dem Jakobsweg kommen Menschen in Dialog, deren Nationen sich bekämpfen. Und überrascht stellen wir alle fest: es macht keinen Unterschied, woher wir kommen. Dankbar kann ich auf eine wunderbare Zeit, reich an Eindrücken, Emotionen, Erfahrungen und Erlebnissen zurückblicken. Was mich aber am meisten beeindruckte, waren die Begegnungen mit den Pilgern aus aller Welt. Ich habe tolle Menschen getroffen, viele bereichernde und tiefgründige Gespräche geführt. Wir haben gemeinsam gelacht, geweint und geschwiegen. Es wurden Freundschaften geschlossen, man aß, trank und teilte miteinander. Noch heute habe ich mit vielen Pilgern Kontakt, obwohl man sich manchmal nur wenige Stunden im Leben begegnet war. Der Weg geht aber weiter und ist nicht an der Kathedrale von Santiago oder in Finisterre am Null Kilometer Stein zu Ende. Vieles habe ich auf dem Weg gelernt. Ich weiß, dass alles einem Plan folgt, Gottes Plan, und nichts was geschieht ist Zufall. Nie hätte ich gedacht, dass der Weg einen so tiefen Eindruck in mir hinterläßt. Jeder Schritt und jede Begegnung hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt und ich bin dankbar das ich dies erleben durfte. Ich freue mich über jedes Foto, dass ich auf dem Weg gemacht habe, aber die Bilder und Begegnungen sind alle in meinem Kopf und in meinem Herzen. Nie werde ich die grünen Felder, die Sonne, den Regen, die Farben und die Menschen die man in den Orten getroffen hat, vergessen. Das Pilgern auf dem Jakobsweg kann man micht wie eine Pauschalreise planen. Der Pilgerweg ist so individuell, wie jeder einzelne Pilger selbst. Wer ihn durchzuplanen versucht, bringt sich um die wahren, tiefen Erfahrungen und verpasst dieses Rendezvous mit der Seele des Camino. Ich habe erlebt, dass mein persönliches Umfeld sehr interessiert ist an den Erzählungen und Geschichten, aber verstehen was in einem vorgeht, können nur die, die den Weg selbst gegangen sind. Nach meiner Rückkehr in den Alltag habe ich ganze 10 Wochen lang geglaubt, dass ich genug für den Rest meines Lebens gelaufen und gepilgert bin und war der Überzeugung das ich keinen Jakobsweg mehr laufen werde. 10 Wochen lang!? Diesen Weg würde ich als Therapie jedem Politiker, den Wirtschaftsbossen, allen Bankern und Börsengurus und so manchem meiner Landsleute mit ihrem übertriebenen Perfektionismus wie es nur Deutsche an sich haben, verschreiben. Es würde ihre Köpfe frei machen und den Fokus wieder auf das Wesentliche richten. Auf menschliche Werte, die immer mehr verkommen im Sumpf unserer heutigen Welt. Miteinander, Herzlichkeit, menschliche Wärme, Freundlichkeit, Ehrlichkeit, Achtung, Toleranz und Akzeptanz. Dankbarkeit, Gerechtigkeit, einfach mal zuhören oder einfach nur für den anderen da sein. Alles Dinge, die jeder Pilger auf dem Camino sucht. Unsere heutige unpersönliche digitale Welt frißt oft die Seele und die Liebe der Menschen auf. Religiöse Gründe haben heute die wenigsten, die sich auf diesen Weg machen, was man auch oft am Besuch der Pilgermessen sieht, in denen manchmal kaum noch Pilger anzutreffen sind. Es sind Menschen aus aller Herren Länder, die das Gleiche suchen nämlich Gemeinschaft. Und auf dem Weg findet man diese Gemeinschaft. Man hilft sich gegenseitig und kommuniziert miteinander. Man verliert sich und man findet sich wieder um sich dann vor Freude herzlich zu umarmen. Es gibt viele Gründe den Weg zu gehen und jeder hat seine eigenen Gründe warum er den Weg geht und man muss dafür auch keiner Glaubensrichtung angehören. Eigentlich hat das ja Jesus unser Herr schon gepredigt. Wenn wir diese Welt nicht an die Wand fahren wollen, müssten wir uns nur an seine Sache halten. Doch wir sind einfach zu gierig, zu neidisch, zu geizig und nicht ehrlich zu uns selbst. Was wir daraus gemacht haben, ist beschämend. Er würde sich heutzutage die Haare raufen, was hier so in seinem Namen abgeht. Ich habe vor allem Frankreich und Spanien in mein Herz geschlossen. Dort interessiert es meist keinen, was du für ein Auto fährst, wie groß dein Anwesen ist oder wieviel Geld du hast. Dort wird nicht wie in Deutschland jeder Grashalm in Euro umgerechnet. Das zu erfahren tat unterwegs sehr gut. Man hat den Eindruck das sie einfach mehr Freude am Leben und ein völlig anderes Lebensgefühl haben, das wir uns auch aneignen sollten. Ich kann nur jedem empfehlen, einmal diesen Pilgerweg zu machen. Die Erfahrungen, die man dort sammelt, den Menschen denen du dort begegnest und das Kennenlernen deiner selbst wird dich dein Leben lang begleiten und auch verändern oder zumindest beeinflussen. In diesem Sinne:

„Nichts ist Zufall“

Segenswünsche:
Wenn Segen Nähe ist, wenn Nähe Wärme ist, wenn Wärme Leben ist, Wenn Leben Gottes Geschenk ist, wenn Gottes Geschenk die Liebe ist, dann wünsche ich Dir viel von Gottes Segen.
Wenn Segen Leben ist, wenn Leben Freude ist, wenn Freude Tanz ist, wenn Tanzen Spielen ist, Wenn Spielen Gottes Geschenk ist, dann wünsche ich Dir viel von Gottes Segen.
Wenn Segen Freude ist, wenn Freude auch Leid ist, wenn Leid Tod ist, wenn das Ende Tod ist, wenn das Ende der Anfang ist, wenn der Anfang Gottes Geschenk ist, dann wünsche ich Dir viel von Gottes Segen.

 

Rückreise nach Grümpel/Hesselbach

Die Nacht war kurz und irgendwie konnte man auch nicht richtig einschlafen obwohl es ruhig im Schlafsaal war. Wir standen um halb fünf Uhr auf und schlichen aus dem Schlafsaal um uns anzuziehen und um die restlichen Sachen im Rucksack zu verstauen. Draußen auf den Fluren war schon reger Betrieb. Anscheinend waren heute jede Menge Pilger auf der Heimreise. Um 5 Uhr sollte unser Taxi zum Flughafen kommen. Frank und Denise hatten den gleichen Flieger wie wir bis Madrid und so teilten wir uns ein Taxi zum Flughafen. Die Taxifahrt zum Flughafen war recht kurz. Dort angekommen wickelten wir unsere Rucksäcke mit Folie ein und checkten ein. Nachdem wir durch die Sicherheitskontrolle durch waren hatten wir noch genügend Zeit für einen letzten spanischen Cafe con Letche. Auf einmal stand Marianne vor uns. Eigentlich ging ihr Flieger nach Barcelona viel später. Sie hatte Bedenken bekommen das sie ihren Wecker nicht hören würde und entschloss sich auch zu so früher Stunde an den Flughafen zu kommen. Nach erneuten Abschied ging es mit dem Flieger Richtung Madrid. Hier mussten wir uns dann auch von Frank und Denise verabschieden, die beide nach Düsseldorf flogen. Unser Flieger ging dann planmäßig nach München und wir landeten dort pünktlich. Beim warten am Gepäckband traute ich meinen Ohren nicht als die Durchsage auf englisch kam, Mr. Beitzinger und Mr. Renk sollten an den Gepäckschalter kommen. Edgar hatte es gar nicht gehört und so ging ich mich erkundigen. Die Frau am Schalter sagte, das unser Gepäck noch in Madrid wäre und wir es in den nächsten Tagen mit der Post bekommen. Ja, so dachte ich, der Weg hat jetzt auch noch Überraschungen für uns. Die Frau nahm unsere Daten auf und fragte wieviele Gepäckstücke denn wir hätten. Jeder von uns hatte 2 Gepäckstücke, Rucksack und Stöcke. Da aber nur 2 Gepäckstücke betroffen waren, hofften wir, das es die Stöcke wären die fehlen. Und siehe da, das erste Gepäckstück das vom Band kam war mein Rucksack. Einige Minuten später kam dann auch noch der Rucksack von Edgar, obwohl er überzeugt war das ausgerechnet seiner fehlen würde. Mit dem Busshuttle ging es dann zum Bahnhof. An der Haltestelle trafen wir sogar eine Pilgerin, die ebenfalls auf der Heimreise war. Im Zug merkte Edgar das er seine Tasche mit den Souvenirs und den Tartas de Santiago für zu Hause nicht mehr hatte. Er wusste aber nicht wo er sie vergessen hatte. Vermutlich war es schon am Flughafen im WC, aber es könnte auch an der Bushaltestelle, im Bus oder am Bahnhof gewesen sein. Er hatte ja des öfteren was vergessen, den Pilgerführer und seinen Hut und alles immer wieder bekommen. Das war aber schon richtig ärgerlich mit den Souvenirs. Eigentlich war ich mir sicher er würde auch dieses wieder bekommen. Wir telefonierten im Zug mit dem Bahnhof und der MVV, aber keiner konnte uns entscheidend weiterhelfen. Am frühen Abend kamen wir dann am Bahnhof in Kronach an, wo wir uns vor fast 5 Wochen auf den Weg machten. Unsere Frauen warteten schon am Bahnsteig auf uns und wir fielen uns in die Arme. Es war schon eine lange Zeit in der wir weg waren und sie alles daheim alleine managen mussten, während wir uns unseren Traum erfüllten. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar, das sie uns dies ermöglichten. Die Umgebung zu Hause kam einem irgendwie fremd vor und es dauerte nach der Rückkehr schon eine gewisse Zeit bis man wieder zurück im „heimischen Leben“ war. Man hatte unendlich viel zu erzählen und wusste gar nicht womit man anfangen sollte. Dankbar und mit vielen Erinnerungen und Begegnungen im Herzen endete unser Camino.

Letzter Tag und Aufenthalt in Santiago de Compostela

Heute konnten wir richtig lange ausschlafen was auch viele andere Pilger ausnutzten. Anschließend gingen wir gemütlich von unserer Herberge aus zusammen mit Frank zur Kathedrale um die Deutsche Pilgermesse zu besuchen. Sie war an diesem Tag gut gefüllt, was zum einen daran lag, das anscheinend viele deutsche Pilger an diesem Tag ankamen und zum anderen das der Pfarrer mit seinen beiden Helfern verabschiedet wurde. Ihre 2 Wochen als Freiwillige in Santiago waren zu Ende und sie wurden durch einen anderen Pfarrer und andere Helfer abgelöst. Der deutsche Gottesdienst war an diesem Tag bedingt durch den Abschied feierlich und auch stellenweise sehr emotional. Am Ende bekam jeder vom Pfarrer den Einzel Pilgersegen zum Abschied aus Santiago. Jetzt hatten wir aber richtig Hunger bekommen und machten in einer Bar ausgiebig ein spanisches Frühstück zusammen mit Frank. Beim gehen aus der Bar vergaß Edgar wieder mal seinen Hut. Ein anderer Pilger hatte es bemerkt und trug ihn hinterher. So oft wie er ihn jetzt schon vergessen hatte konnte man denken das er ihn nicht wirklich brauchte. Eigentlich hätte er ihn wegwerfen sollen. Wir gingen anschließend recht früh in die Kathedrale zur Mittagspilgermesse um einen guten Platz zu bekommen. Marianne war auch schon aus Finisterre zurückgekommen und hatte für uns einen Platz in einer Bank frei gehalten. Es waren auch heute wieder viele Pilger da, allerdings waren nicht mehr viele bekannte Gesichter dabei. Der Höhepunkt für alle Pilger war dann am Ende das Weihrauchfass, das heute im Gegensatz zu gestern wieder geschwenkt wurde. Anscheinend gab es für diesen Tag mal wieder einen Sponsor. Man munkelt ja, das mindestens 600 Euro fällig werden, wenn es geschwenkt werden soll und meist findet sich ja auch einer. Nachdem die Messe zu Ende war stand plötzlich Anette vor uns. Wir freuten uns alle unbändig und umarmten uns und hatten einander viel zu erzählen. Anette nochmals zu treffen hatten wir nicht erwartet. Hier schloß sich irgendwie ein Kreis. Anette hatten wir ja bereits an unserem ersten Tag auf dem Camino in Logrono getroffen und jetzt nun auch an unserem letzten Tag hier in Santiago. „Nichts ist Zufall“. Wir verabredeten uns alle für den späten Nachmittag zum Kaffeetrinken und später zum Abendessen. Den Nachmittag verbrachte Edgar in der Herberge und ich zog es vor in der Stadt zu bleiben. In der Kathedrale waren nicht all zu viele Pilger und man konnte hier an den verschiedenen Orten wie am Grab des Apostels in Ruhe verweilen, was ansonsten nicht immer möglich ist bei der Masse an Pilgern die jeden Tag Santiago erreichen. Um in der Kathedrale ruhig verweilen zu können muss man schon Glück haben. Schließlich trafen wir uns dann alle zusammen, Marianne, Anette, Edgar und ich, um gemeinsam den restlichen Nachmittag und Abend miteinander zu verbringen. In einem der vielen Restaurants fanden wir dann schließlich auch einen Platz. Zum Abschied waren spanische Spezialitäten angesagt, angefangen bei Orellas (Schweinsohren), Pulpo und natürlich Rioja. Herz was willst du mehr. Es war ein richtig schöner Sommerabend. Auf dem Heimweg zur Herberge beschlossen wir noch einen letzten Absacker gegenüber der Herberge von Marianne zu nehmen. Dort gab es leckeren Sangria und irgendwie verging die Zeit immer schneller. Eigentlich wollte man am liebsten die Zeit anhalten um nicht auseinander zu gehen. So blieb es am Ende nicht bei einem Sangria. Aber irgendwann kommt die Stunde des Abschiedes. Es hies jetzt nicht nur Abschied von Marianne und Anette zu nehmen, sondern auch von Santiago. Es war schon komisch, man denkt unweigerlich daran, ob man jemals wieder zurück kommt. So richtig realisiert hatte man diesen gigantischen Weg, der uns über 8 Jahre beschäftigt hatte, immer noch nicht. Alles war irgendwie noch so unwirklich. Vielleicht hätte man an diesem Abend noch einige Sangrias trinken sollen. Nach dem emotionalen Abschied gingen wir in der Dunkelheit, meist schweigend, zurück zu unserer Herberge, dem Seminario Menor. Dort verabschiedeten wir uns von Frank (aus Wittenberg), er musste in der Nacht noch zum Bahnhof um nach Hause zu Reisen. Müde und auch etwas aufgeregt gingen wir schließlich gegen Mitternacht schlafen.

Buen Camino

Rückfahrt Finisterre – Santiago de Compostela

Die Nacht war ruhig und heute früh mussten anscheinend keine Pilger eher aufstehen um los zu laufen. So konnte auch wir heute etwas länger schlafen. Wir packten unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Marianne blieb in der Herberge, den sie wollte einen Tag länger in Finisterre bleiben. An der Bar gegenüber der Bushaltestelle machten wir Frühstück. Frank und Denise kamen ebenfalls dazu und wir genossen es dort in der Sonne zu sitzen, Kaffe zu trinken und uns zu unterhalten. Nach und nach füllte sich die Bushaltestelle mit Pilgern die zurück nach Santiago wollten. Jeder der an die Bushaltestelle kam stellte brav seinen Rucksack in die Reihe, wie es die Pilger auch bei den Herbergen gewohnt waren. Einfach genial wie diszipliniert es hier auch ablief. Der Bus war komplett voll. Viele Gesichter kannte man, aber manche hatte man noch nie gesehen. Nach knapp 1,5 Stunden Fahrt kamen wir dann wieder in Santiago an. Irgendwie auch ein komisches Gefühl dort mit dem Bus anzukommen. Unser erster Weg führte uns zum Seminario Menor, denn dort wollten wir wieder übernachten. Da wir schon vormittags dort waren mussten wir unsere Rucksäcke in den Schließfächern verstauen, denn man konnte nicht vor nachmittag in den Schlafsaal. Frank und ich machten uns auf den Weg zur Kathedrale um dort die tägliche Pilgermesse mit zu feiern. Wir waren spät dran und fanden keinen Sitzplatz mehr, zumal auch noch Sonntag war. Da ist das Pilgeraufkommen noch etwas höher als an Werktagen. Heute wurde Seltsamerweise das Weihrauchfass nicht geschwenkt. Die Entäuschung in den Gesichtern vieler Pilger, die heute in Santiago ankamen, konnte man richtig sehen. Schon ärgerlich, wenn du ankommst und morgen wieder weiter gehen willst, ausgerechnet dann wird das Weihrauchfass nicht geschwenkt. Nach dem Gottesdienst warteten wir am Ausgang um zu sehen ob noch ein paar Bekannte Gesichter zu sehen waren. Aber es waren nicht mehr sehr viele, denn wir waren ja auch schon vor 4 Tagen in Santiago  angekommen. Die meisten waren schon abgereist oder noch auf den Weg nach Finisterre. Im Anschluss hatte ich mir vorgenommen die Erinnerungsgeschenke für die daheimgebliebenen zu kaufen. Es war fast anstrengender in den verschiedenen Läden zu shoppen als jeden Tag an die 30 km zu laufen. Unterwegs traf ich dann trotzdem noch 2 bekannte Gesichter. Es waren Beatrix und Heike. Die beiden hatte ich das letzte mal vor fast 3 Wochen getroffen. Wahnsinn sie hier nochmal zu treffen. Wir umarmten uns bei der Begrüßung herzlich und tranken etwas zusammen. Wir hatten natürlich einander viel zu erzählen und so verging der Tag recht schnell. Edgar kam mittlerweile auch wieder ins Stadtzentrum und wir machten um 18.00 Uhr die Führung um die Kathedrale mit, die von der deutschen Pilgergesellschaft angeboten wurde. Auch Beatrix und Heike waren gekommen nachdem ich ihnen nachmittags erzählt hatte, das es eine auf deutsch geführte Führung gibt. Man erfuhr dabei allerhand Geschichten rund um das imposante Gebäude und den Heiligen Jakobus. Später gingen wir dann mit Frank noch zum Abendessen in einem kleinen Restaurant und ließen diesen warmen Sommerabend ausklingen.

Buen Camino

112. Etappe von Muxia nach Finisterre

In der Herberge gab es heute früh die Möglichkeit ein kleines Frühstück zu machen. Bereits um 6.00 Uhr machten wir uns in der Dunkelheit auf den Weg nach Finisterre. Die letzte Etappe auf unserem langen Pilgerweg von zu Hause bis ans Ende der Welt. Wahnsinn, wie lange hatten wir auf diesen Tag gewartet und uns bei den Unterhaltingen ausgemalt. Das Tempo das Marianne und Edgar dabei an den Tag legten war schon etwas verrückt. Man hatte das Gefühl man wäre auf der Flucht so schnell liefen sie los. Mir war dies entschieden zu schnell und so hing ich den ganzen Tag immer hinter ihnen. Es hatte auch seinen Vorteil lange alleine zu laufen, so konnte man alles erlebte der vergangenen Wochen nochmal reflektieren. Unterwegs hatte Marianne noch ein etwas unschönes unappetittliches Erlebnis. An einer Bushaltestelle machten wir kurz Rast und stellten unsere Rucksäcke dort ab. In einem unbeobachteten Augenblick schlich ein ziemlich großer Hund um den Rucksack von Marianne und hob dabei das Bein. Anschließend setzte er sich mit einem treuherzigen Blick neben den Rucksack. Wir hatten eine ganze weile zu tun um ihren Rucksack einigermaßen zu säubern und in Folie einzupacken, damit sie damit weitergehen konnte. Gegen Mittag legten wir nochmals eine größere Rast ein. In die kleine Bar kam dann zu meiner Überraschung Engelbert und setzte sich zu uns an den Tresen. Eigentlich wollte er doch den Wintercamino gehen. Er musste aber aufgrund des Busstreiks umdisponieren und er entschloss sich nach Finisterre zu laufen. Mittlerweile war es wieder richtig warm geworden und das laufen fiel gegen Nachmittag schon richtig schwer, denn man hatte dann doch am Ende 30 km in den Beinen. Am frühen Nachmittag erreichten wir dann das Ortsschild von Finisterre. Hier umarmten wir uns, hatten wir doch auf diesen Augenblick lange gewartet. Wir liefen noch ein Stück Richtung Ortszentrum um uns dann eine Herberge zu suchen. Hier gab es jede Menge Herbergen und viele davon waren neu. Wir quardierten uns ein und machten uns auf den Weg zum Kap. Unterwegs machten wir noch mal Rast an einer Bar. Frank kam auch dazu, er war direkt ohne Umweg über Muxia nach Finisterre gelaufen. Wir tranken zusammen ein eisgekühltes Radler als Stärkung für den restlichen Weg ans Ende der Welt. Der Weg dorthin fiel uns allen ziemlich schwer obwohl wir keinen Rucksack bei uns hatten. Man musste ja noch fast 3 Km laufen um an den 0 Km Stein zu kommen. Dort am Stein angekommen schrie ich ein lautes „Ja“ heraus und spielte so laut wie möglich auf dem Smartphone das Lied von den Toten Hosen „An Tagen wie diesen“ ab. Alle die aussen herumstanden schauten etwas verdutzt, aber es musste einfach herausgeschreien werden. Vor dem Stein machten wir natürlich unzählige Bilder und als wir unsere Pilgerpässe zum fotografieren herausholten fragten viele nach von wo aus wir den gepilgert sind. Ein Führer einer Busgruppe stand auch dort und sagte nur zu seinen Leuten – „These are real Pilgrims“ – das sind richtige Pilger, was einem sichtlich stolz machte. Den Tag am Meer hätte man sich wettertechnisch nicht besser ausdenken können. Am Nachmittag waren noch nicht all zu viele Pilger am Kap und man konnte sich in Ruhe auf einen der Felsen setzen und aufs Meer schauen. Das Ende der Pilgerreise am Ende der Welt war gekommen. Wahnsinn welche Gedanken einem durch den Kopf gingen. Emotional ein richtig krasser Moment hier am Meer. Wir stellten am Felsen die gleichen Bilder nach wie 2007 beim erstenmal am Ende der Welt. Edgar und Marianne machten sich etwas eher auf den Rückweg. Frank und ich blieben noch länger an diesem magischen Ort. Auf dem Rückweg gingen wir an der Kirche von Finisterre vorbei um nach zu sehen, ob sie offen war. Leider hatten wir es knapp verpasst. Sie war schon wieder verschlossen. Vor uns lief eine Frau die gerade aus der Kirche kam. Ich sprach sie an, leider konnte sie kein englisch, aber irgendwie konnte sie uns verständlich machen, das heute Abend in der Kirche in der Ortsmitte Gottesdienst ist. In Finisterre konnte man ebenfalls eine Urkunde für den Weg dorthin bekommen, die Fisterra. Auch dieses „Stück Papier“ holten wir uns. Die bekam eigentlich jeder, der sich dort in der Gemeindeherberge meldete, ob er dorthin gelaufen oder gefahren ist. Den Gottesdienst feierten wir dann am Ende unserer Pilgerreise, am Ende der Welt selbstverständlich mit. Die Kirche war komplett voll, absolut ungewöhnlich, waren doch bei den meisten Gottesdiensten die Besucherzahlen überschaubar. Wahrscheinlich lag es daran, das heute der Gottesdienst zu Ehren von San Juan – des Heiligen Johannes des Täufers gefeiert wurde. Am längsten Tag des Jahres kamen wir also in Finisterre an. Für den Abend konnten wir uns irgendwie nicht auf etwas gemeinsames einigen. So trennten wir uns. Edgar ging mit Marianne Abendessen und ich machte mich auf den Weg zum Strand um dort den Sonnenuntergang zu sehen. Auf dem Heimweg setzte ich mich noch in eine Bar und trank diesmal Weißwein anstatt Rotwein, was irgendwie auch seltsam war, hatte ich doch 8 Jahre Rotwein bevorzugt. So endete für jeden von uns der Pilgertag auf unterschiedliche Art und Weise. Als ich zurück zur Herberge kam waren meine Pilgerkollegen alle schon in den Betten und schliefen.

Buen Camino

111. Etappe von Hospital nach Muxia

20170623_201402In der Dunkelheit machten wir uns auf den Weg, aber nur für 10 Minuten, denn so lange war der Fußweg zur Bar. Dort machten wir gemütlich ein richtiges Frühstück mit Cafe con Letche und Croissants. Hunger hatte man eigentlich nicht, denn das Abendessen vom gestrigen Abend war mehr als reichlich gewesen. Kurz nach der Bar kam man dann ein Wegweiser. Der eine Pfleil zeigte nach Finisterre, der andere Pfeil nach Muxia. Wir hatten ja beschlossen noch heute nach Muxia zu gehen. Das Wetter war zwar bewölkt, aber es war warm und trocken, eigentlich ideal zum laufen. Wir gingen fast die gesamte Strecke Gemeinsam im Gegensatz zu den vergangen Tagen. Unterwegs trafen wir Schwester Gisela Maria. Sie hatte ja vor 2 Tagen noch gesundheitliche Probleme und musste in Negreiro sogar zum Arzt. Trotzdem war sie jetzt auch hier auf dem Weg nach Muxia. Der Weg ging immer noch bergauf und bergab. Eigentlich dachte man, zum Meer hin wäre es chön flach dahin, aber das täuschte. Aus dem Nichts tauchte dann Denise auf, sie sagte nur sie wolle so schnell wie möglich ans Meer. Am späten vormittag sah man dann schon von weitem durch die Bäume das Meer. Und je näher man kam desto mehr konnte man die salzhaltige Luft schon riechen.  Es war wunderschön am Meer entlang zu laufen. In Hospital hatte man uns die Herberge Muxia Mare empfohlen. Sie lag ungefähr in der Ortsmitte und etwas zurückgesetzt von der Promenade in zweiter Reihe. Es gab dort einen großen Schlafsaal mit einigen Trennwänden. Alles war sauber und von unseren Betten aus konnte man hinaus aufs Meer schauen. Einfach genial. In der Herberge bekam man dann auch die Muxiana – die Pilgerurkunde, das man nach Muxia gepilgert ist. Die dortige Wallfahrtskirche A Virxe da Barca (Unsere Liebe Frau vom Boot) zählt zu den bedeutendsten Pilgerzielen in Galicien. Also waren wir doch nicht auf einem Wanderweg sondern auf einem Pilgerweg. Ich hatte auch zwischenzeitlich meine Muschel wieder am Rucksack befestigt, das Zeichen für die Jakobspilger. Am späten Nachmittag gingen wir im Supermarkt einkaufen, hauptsächlich Wein um anstoßen zu können. Anschließend machten wir uns auf den Weg zur Kirche A Virxe de Barca und den dortigen Leuchtturm. Dort setzten wir uns auf die Felsen, aßen und tranken und ließen es uns gut gehen. Es war einfach herrlich hier zu sitzen und aufs Meer zu schauen. Der Rotwein tat sein übriges zur melanchonischen Stimmung. Auf dem Rückweg zur Herberge setzten wir uns in eine der unzähligen Bars die es in den Gassen von Muxia gab. An diesem Abend musste es natürlich Fisch geben, wenn man schon am Meer war. Hier schmeckt der Fisch einfach besser als zu Hause. In der Ortsmitte tanzten die Jugendlichen an diesem Abend und man hatte am Meer ein Feuer aufgebaut. Man feierte San Juan – den Heiligen Johannes den Täufer, in diesen Tagen. Dies wird in Spanien im Gegensatz zu Deutschland, gleich mehrere Tage lang gefeiert, Als wir den Jugendlichen beim Tanzen zuschauten kam ein Pilger und brachte Edgar seine Mütze. Er hatte sie in der Bar schon wieder vergessen. So langsam wurde es mit dem Vergessen der Mütze schon unheimlich. Er selbst konnte darüber gar nicht mehr lachen, obwohl es schon spaßig war. Etwas mürrisch und reserviert ging er heute ins Bett. Der krönende Abschluss des Tages sollte neben dem Sonnenuntergang am Meer aber das Feuerwerk sein, das man vor dem Fenster unserer Herberge zu Ehren von San Juan in den Abendhimmel schoß.

Buen Camino

110. Etappe von Alto de Pena nach Hospital

DSC03432Die Nacht war ruhig, aber man schlief nicht ganz so gut, da wir gestern abend viel zu viel gegessen hatten. Das viele Essen lag einem einfach schwer im Magen. Heute war es wieder etwas mehr bewölkt aber trotzdem warm und trocken. Dan und Michael gingen kurz vor uns schon los. Für heute hatten wir als Ziel Hospital ausgewählt. Wir hatten uns bereits schon gestern per Whatsapp mit Marianne und Frank verabredet. Die beiden liefen seit Santiago zusammen und waren einige Kilometer vor uns. Edgar hatte wieder mal Bedenken das alle Herbergen überfüllt sind und er bestand darauf das Marianne für uns alle in Hospital reserviert. Eigentlich musste man sich bezüglich der Herbergen auf diesem Weg überhaupt keine Gedanken machen, waren doch relativ wenige Pilger zu sehen. Unterwegs trafen wir heute nur auf 2 Berlinerinnen und auf Imaculada, eine junge Italienerin aus der Nähe von Neapel. Mit ihr ging ich eine ganze Weile und es war schön sich mit ihr zu unterhalten. In den Bars am Weg trafen wir dann wieder auf Dan und Michael. In Dumbria machten wir am Nachmittag an einer Bar am Ortsende kurz Rast. Imaculada kam auch dazu, trank mit uns Kaffee und entschloss sich dort zu bleiben. Uns wollte die dortige Besitzerin der Herberge auch dazu bewegen hier zu bleiben. In Hospital wäre die Herberge überteuert, nicht sauber und das Essen wäre auch nichts besonders. Es wären schon viele Pilger von dort wegen der dortigen Umstände wieder zurückgekommen. Die pure Verunsicherung für wankelmütige Pilger. Marianne hatte ja gebucht und so ließen wir uns nicht überreden zu bleiben. Stefano kam auch noch dazu, trank einen Cafe con Letche, und auch er entschloss sich weiter bis Hospital zu gehen. In Hospital gab es am Ortseingang eine Pilgerinformation, ein großes imposantes Gebäude mitten in der Landschaft und kurz vor einem kleinen Kuhdorf. Uns erschloss sich nicht warum so ein Gebäude an so einem einsamen Ort steht. Der Bär steppte nicht gerade dort. Stefano fragte nach dem Weg zur Herberge und ohne die Auskunft dort hätten wir sicherlich etwas länger gebraucht um diese zu finden, so versteckt lag diese im Ort. Marianne und Frank waren schon einquartiert und warteten bereits auf uns. Die Einrichtung der Herberge war neu und alles war sauber. Zum Essen konnte man in eine Bar die der Besitzerin der Herberge gehörte. Sie lag allerdings etwa 10 Gehminuten von der Herberge entfernt. Als besonderen Service wurde man mit dem Auto dorthin gebracht. Wir nahmen erstmals auf dem Weg dieses Angebot an um gefahren zu werden, wenn auch nur von der Herberge zum Restaurant. Schon ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig, denn wir saßen schon 4 Wochen in keinem Auto mehr. Das Essen im Restaurant war genauso hervorragend wie die Unterkunft. Alles war genau das Gegenteil von dem was man in Dumbria behauptete. Das einzig negative dort waren die vielen Mücken aufgrund des angrenzenden Bauernhofes. Aber das gehört halt auch manchmal dazu. Man darf nicht immer alles glauben, was einem am Weg erzählt wird, sondern muss seine eigenen Erfahrungen machen. Wir saßen noch lange an diesem Abend zusammen und machten uns schließlich zu Fuß auf den Rückweg zur Herberge.

Buen Camino

109. Etappe von Santiago de Compostela nach Alto de Pena

DSC03431Nach einer ruhigen Nacht, kein wunder nach diesem gestrigen intensiven Tag in Santiago schlief man wie ein Stein, standen wir heute wieder recht früh auf. Es war noch dunkel draußen als wir uns auf den Weg Richtung Kathedrale machten. Wir waren noch nicht lange unterwegs da hörte ich hinter mir etwas auf den Gehsteig fallen. Ich drehte mich um und sah das meine Muschel die seit Beginn des Pilgerweges zu Hause an meinem Rucksack hing, auf den Gehsteig gefallen war. Sollte das ein Zeichen sein? Ich jedenfalls deutete es so. Der Pilgerweg ging von Zuhause bis Santiago und das abfallen der Muschel sollte wohl das Ende des Pilgerweges anzeigen. Der Weg nach Muxia und Finisterre war vermutlich also kein Pilgerweg sondern ein Wanderweg. Ich war mir auch frühmorgens noch nicht sicher ob ich die Muschel wieder an den Rucksack machen sollte. Der Weg aus der Stadt zog sich lange hin. Viele Pilger waren nicht gerade unterwegs im Gegensatz zu den vergangenen Tagen. Unterwegs trafen wir Bärbel, sie kam aus Köln und hatte viel zu erzählen. So verging die Zeit sehr schnell und wir waren schon am späten Vormittag in Negreiro. Dies war ein beliebter Etappenort auf den Weg nach Finisterre. Wir machten hier eine Rast, kauften noch etwas ein und entschlossen uns weiter zu gehen, da es ja noch recht früh am Tag war. Auf dem Weg nach Finisterre gibt es nicht sehr viele Auswahlmöglichkeiten zum Übernachten. Die nächsten Herbergen waren ungefähr noch ca. 10 km weit entfernt und so mussten wir heute an die 30 km gehen. Das laufen fiel heute relativ schwer, vielleicht lag es daran das wir gestern nur 5 km gegangen waren oder das einem der Kopf sagte: Was läuft du weiter, das Ziel ist doch erreicht! Am Nachmittag kamen wir Alto de Pena an. Dort in diesem kleinen Ort war die Herberge in einer sehr einsamen Gegend. Es gab noch genügend Platz dort. In unserem Zimmer war ein Italiener namens Stefano der aus Bari kam, mit untergebracht. Ein sehr netter Pilger mit dem man sich gut unterhalten konnte. Im Garten der Herberge konnte man wunderbar relaxen und in Ruhe sein Radler trinken. Später kamen dann noch 2 amerikanische Pilger dazu. Wir hatten sie schon mal unterwegs in den vergangenen Tagen getroffen, waren aber mit ihnen noch nicht ins Gespräch gekommen. Es waren Michael und Dan aus Michigan. Michael war etwas jünger und begleitete seinen Freund auf diesem Pilgerweg. Dan hatte vor im August zu heiraten und vorher wollten die Beiden den Jakobsweg von St. Jean pied de Port nach Finisterre gehen. Die Wirtsleute hatten für den Abend ein Pilgermenü vorbereitet. Sie hatten ein große überdachte Terasse wo das Essen serviert wurde. Das Essen wurde diesmal nicht in Portionen serviert sondern jeder konnte so viel Essen und Trinken wie er wollte. Heute aßen wir jedenfalls mehr Kalorien als wir heruntergelaufen hatten. Die Unterhaltung mit Michael, Dan und Stefano war dabei sehr anregend. Jeder von ihnen hatte schon viele Pilgerkilometer in den Beinen und alle wussten allerhand über den Camino zu erzählen. So saßen wir noch lange zusammen und gingen gegen 22.00 Uhr zu Bett.

Buen Camino

108. Etappe von Monte de Gozo nach Santiago de Compostela

davWir waren heute die ersten Pilger die sich aus dem Schlafsaal schlichen. Beim Packen des Rucksackes im Freien stand plötzlich in der Dunkelheit ein Pilger vor mir, der mich auf deutsch ansprach. Es war Karl-Heinz ein Deutsch-Israeli der seine Muschel auf der Stirn trug, was ungewöhnlich aussah. Es entwickelte sich schon zu so früher Stunde ein gutes und intesives Gespräch. Er war einer der Pilger die sehr viel wussten und auch schon viel erlebt hatten. Man hörte ihm gerne zu und er erzählte, das er sich eine kleine Gitarre gekauft hatte und heute für die Pilger in Santiago spielen werde. Es war interessant sich mit ihm zu unterhalten. Edgar drängte schon, wir sollten endlich losgehen, aber manchmal muss man den Augenblick auch nutzen. Am Ausgang stand Karl-Heinz und sah das Edgar etwas zu trinken aus dem Automaten holen wollte. Daraufhin schenkte er ihm seine Cola und meinte nur – ich schenke sie dir jetzt, dann bekomme ich heute sicherlich das doppelte zurück. Ein schöner Beginn unserer letzten Kilometer bis Santiago. Auch das Filmteam ging mit uns in der Dunkelheit los um sich ebenfalls auf den Weg nach Santiago zu machen. Wir sahen sie lange Zeit vor uns laufen. Von weiten sah man schon die Lichter der Stadt und die Vorfreude auf das Ereichen des Zieles kam langsam auf. Man wurde sich jetzt bewusst wie lange man unterwegs war, um nun ans Ziel zu kommen. Genauer gesagt waren es 8 Jahre, 108 Etappen und immer wieder neu planen, immer wieder sich neu motivieren, um den Caminovirus nicht zu verlieren. Auf diesen letzten Kilometern durfte natürlich auch unser Lied nicht fehlen das uns in all den Jahren immer begleitete und Kraft für den Weg gab, der Angelus „Reinste Jungfrau“. Marianne hatte uns gestern abend geschrieben. Sie war bereits in Santiago und fragte ob wir in die deutsche Pilgermesse um 8.00 Uhr kommen würden. Wir wollten dies versuchen. Nach dem erreichen der Stadtgrenze zieht sich der Weg schon noch eine ganze Weile hin. Es waren noch nicht sehr viele Pilger unterwegs, was uns sehr entgegen kam, wollten wir doch möglichst in Ruhe dort ankommen und nicht mit Menschenmassen. Als wir durch die letzte Gasse vor der Kathedrale gingen rief ganz aufgeregt eine Stimme aus einem der oberen Stockwerksfenster eines Hauses. Es war Marianne, sie schaute „zufällig“ aus ihrem Fenster, und wen sah sie – uns. Es bestätigte sich wieder mal „Nichts ist Zufall“. Sogar Marianne musste darüber lachen – hatte sie doch unterwegs nicht gerade den Eindruck erweckt sie würde an dieses „Nichts ist Zufall“ glauben. Mit schnellen Schritten und unbändiger Freunde im Herzen ging es Richtung Kathedrale. Hier mussten natürlich Erinnerungsbilder in allen Posen gemacht werden. Wir hatten noch Zeit bis zum Beginn der Pilgermesse und wollten zunächst unsere Rucksäcke in der Gepäckaufbewahrung deponieren. Die Rucksäcke darf man ja aufgrund der Terrorgefahr nicht mehr mit in die Kathedrale nehmen. Zu dieser frühen Morgenstunde war aber das Depot und die Post noch nicht offen, was uns einige Zeit kostete. Schließlich waren wir wieder am Hauptplatz dem Obreidero nachdem wir einmal im Kreis gelaufen waren. Gerade war auch das Filmteam auf dem Platz und filmte. Als wir über den Obreidero liefen applaudierten sie uns zu. Welch ein Empfang, wir reckten unsere Arme in die Höhe und ließen uns feiern. Man fühlte sich wahnsinnig gut, es war wie nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft und die Gefühle spielten Achterbahn. So einen Empfang hatten wir wirklich nicht erwartet. Wir waren die einzigen Pilger neben dem Filmteam auf dem Platz. Wir umarmten uns vor Freude, was wir fast vergessen hatten in der ganzen Aufregung. Die Zeit drängte zur Pilgermesse und wir hatten unser Rucksäcke immer noch. Wir beschlossen zum Hotel Seminario Mayor zu gehen um an der Rezeption zu fragen ob wir dort unser Gepäck deponieren dürfen. Sie gestatten es uns ohne große Nachfragen. Zu allem Glück konnten wir die Kathedrale durch den Seiteneingang betreten, was ja normalerweise jetzt der Ausgang war. Der Eingang war auf der anderen Seite. Alles war geordnet und bewacht. Außer zu dieser frühen Stunde der Seiteneingang. Der Pilger soll von Alters her zum Zeichen der Demut die Kathedrale nicht durchs Hauptportal sondern durch den Seiteneingang betreten. Die deutsche Pilgermesse findet immer in einer kleinen Kapelle der Kathedrale statt. Marianne und Dieter waren schon da. Auch Frank der Pastoralreferent und Frank aus Wittenberg waren gekommen sowie noch viele andere bekannte Gesichter. Es war schön sie alle wieder zu sehen. Als letzter kam dann auch noch Karl-Heinz den wir heute Morgen am Monte de Gozo kennengelernt hatten. Irgendwie passte es einfach mit dem Ankommen in Santiago und der Pilgermesse. Es hatte sich alles gefügt, es sollte so sein. Es war tiefe Dankbarkeit die man erlebte. Dankbar das man diesen Weg gehen durfte, dankbar das uns unsere Frauen und Familien und mein Arbeitgeber dies ermöglichten. Dankbar für die vielen Erlebnisse und Begegnungen. Wir hatten sie alle jetzt und in den vergangenen Wochen in unser Gebet mit eingeschlossen. Nach der Pilgermesse bemerkte Edgar das er seine T – Shirt verkehrt herum anhatte und wechselte es zur Erheiterung der anderen Pilger noch in der Kapelle. Ich sagte nur zu den anderen Pilgern, das er sich heute mal alleine angezogen hätte und schon gings schief. Alle fanden es lustig – nur Edgar nicht. Da um diese Zeit kaum Pilger in der Kathedrale waren konnte man sich in Ruhe ans Grab des Apostels begeben und dort einfach nur „da sein“, zu Beten und seine Gedanken zu ordnen. Eine Umarmung der goldenen Jakobus Statue oberhalb des Seitenaltars durfte im Anschluß natürlich auch nicht fehlen und gehört in die Rubrik Pilgerritual. Als wir dann auf dem Weg hinaus waren bemerkte Edgar das er seine Mütze in der Kapelle vergessen hatte. Diese war aber bereits verschlossen. Wir sprachen einen Ordner an der freundlicherweise die Kapelle aufsperrte, leider war die Mütze aber weg. Ein Pilger sagte uns mal, was man verliert hat man auch nie gebraucht. Mittlerweile wimmelte es draußen vor Pilgern, die nach und nach in Santiago ankamen. Die meisten von ihnen kannten wir und die Begrüßung war immer unvergleichlich herzlich. Man umarmte sich, redete miteinander und gratulierte sich gegenseitig. Das dazugehörige Erinnerungsfoto durfte natürlich nicht fehlen. Wir holten zunächst unsere Rucksäcke aus dem Semenario Mayor und bedankten uns an der Rezeption und machten uns auf den Weg zum Pilgerbüro um dort die Compostela abzuholen. Am Eingang saß Karl Heinz und spielte Gitarre für die Pilger, wie er es heute morgen am Monte de Gozo gesagt hatte. Einige tanzten zu seinen Liedern. Und welch eine Überraschung, er hatte die Mütze von Edgar in der Kapelle liegen sehen und mitgenommen. Beim übergeben der Mütze spielte er „Mein Hut der hat drei Ecken“. Einfach lustig wie sich alles wieder gefügt hatte. Wir stellten uns in die Reihe, waren doch schon jede Menge Pilger gekommen um die Compostela abzuholen. Irgendwie komisch, man stand  hier nach 3200 km Pilgerweg, vielen unvergesslichen Erlebnissen und Begegnungen um sich dies auf einem Stück Papier bestätigen zu lassen. Sicher will man diese Compostela haben, wenn man schon den Weg gemacht hat, aber wirklich wichtig war sie am Ende dann doch nicht. Sicher war es auch ein schönes Gefühl wenn die anderen Pilger den Pilgerpaß mit seinen endlosen Stempeln bestaunten. Aber für mich blieb es hier am Ende des Weges ein Stück Papier. Das wichtige trägt man einfach im Herzen. Da wir noch nicht gefrühstückt hatten entschlossen wir uns in eine Bar zu gehen. Dort schaute ich nach langer Zeit wieder mal auf das Smartphone. Heike, meine Frau hatte heute früh um 7.00 Uhr geschrieben und mir ein Bild vom heutigen Kalenderspruch auf ihrem Schreibtisch geschickt. Man muss noch dazu sagen, sie wusste nicht, das wir heute Santiago erreichen würden. Der Kalenderspruch war verrückt. Da stand „Der Weg ist das Ziel“. Besser hätte man es an diesem Tag gar nicht erfinden können. Man war in einem richtigen Flow und es dauerte nicht lange da kamen schon die nächsten Pilger an. Es waren Eddy und Renate. Auch Florian kam und zeigte uns ganz stolz seine Compostela. Eine noch freudigere Begrüßung erwartete uns als uns die Kolumbianer entgegen kamen. Man lag sich einfach glücklich in den Armen, auch wenn man sich doch nur wenige Stunden kannte. Die Zeit verging wie im Fluge und um 12.00 Uhr war dann als nächster Höhepunkt des Tages die tägliche Pilgermesse. Die Kathedrale war komplett gefüllt an diesem Tag. Edgar war schon etwas vor mir in die Kathedrale gegangen. Nach dem Eingang sah ich im Seitenschiff Marianne und Dieter sitzen. Dort gab es noch einen Platz für mich und wenn man sich umschaute entdeckte man jede Menge bekannte Gesichter. Man winkte und lächelte sich zu und freute sich einander wieder zu sehen. Am Ende der Pilgermesse wurde dann auch das berühmte Weihrauchfass geschwenkt. Wir hatten es ja vor 10 Jahren nicht sehen können, denn damals war es defekt gewesen. Es war schon beeindruckend wenn es zum Gesang der Nonne über die Köpfe hinwegsauste. Am Ausgang warteten schon die nächsten bekannten Gesichter, es waren Denise und Shayenne und auch sie freuten sich uns wiederzusehen. Jens aus Mölln und George aus den USA kamen ebenfalls und wir gratulierten einander. Auch Frank hatte sein Ziel erreicht und umarmte alle. Anschließend machten wir uns auf dem Weg zur Herberge, das Seminario Menor. Eine riesige Herberge die ungefähr 15 Gehminuten vom Zentrum entfernt war. Nachdem wir uns eingerichtet und wieder frisch gemacht hatten machten wir uns wieder auf dem Weg zurück ins Zentrum. Schon auf dem Weg dorthin trafen wir in einer Bar auf Min. Mit ihr saßen wir eine Weile zusammen. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir dann im Zentrum und in der Kathedrale. Essen gingen wir mit Marianne und Dieter in einer Tapasbar. Richtig lecker diese Tapas die man dort bekam, dazu ein guter Rotwein. So konnte das Pilgerleben weiter gehen. Auf dem Obreidero saßen an diesem sonnigen Sommerabend sehr viele junge Pilger, unter ihnen auch einige Bekannte Gesichter wie Michael, Mario und Marius in einem großen Kreis beisammen. Als sie uns sahen wurden wir von allen begrüßt und den anderen Pilgern vorgestellt. Wir mussten uns zu ihnen auf das Kopfsteinpflaster setzen und sie luden uns zu Bier und Rotwein ein. Dort war es zwar nicht bequem zu sitzen, aber die Atmosphäre und die Gemeinschaft auf diesem Platz war an diesem lauen Sommerabend einfach genial. Man hätte es sich nicht besser ausdenken können. Den Abend ließen wir vor der Herberge von Marianne, Frank und Dieter bei einigen Gläsern Sangria ausklingen. Ihre Herberge befand sich ganz in der Nähe der Kathedrale. Von Dieter mussten wir uns verabschieden denn sein Flug ging schon am nächsten Tag zurück in die Heimat. Marianne und Frank wollten aber, wie wir auch, den Weg nach Muxia und Finisterre noch zu Fuß gehen. Nach einem gigantischen Tag mit vielen Erlebnissen in Santiago gingen wir unter einem sommerlichen Sternenhimmel zurück zur Herberge. Dort trafen wir dann auch noch Natascha und ihre Mutter. Sie hatten wir das letzte mal in Foncebadon getroffen. Wir gratulierten einander und gingen mit einem zufriedenen Gefühl ins Bett.

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