92. Etappe von Fromista nach Carrion de los Condes

Auch heute war die Nacht recht ruhig verlaufen. Manchmal hat man einen leichteren Schlaf und manchmal schläft man recht tief und träumt. Man sagt ja auch wer träumt befindet sich im Tiefschlaf. Oft hatte ich den Eindruck, das ich in einem Schlafsaal mit 20 oder 30 Pilgern besser geschlafen habe als zu Hause. Das lag vermutlich daran, das man sich auf dem Weg um nichts weiter sorgen musste als um etwas zu Essen und einen Schlafplatz zu finden. Zu Hause in unserer verrückten Welt mit ihren oftmals unnötigen und künstlich herbeigeführten Problemen kann man gar nicht so entspannen und in eine andere Welt abtauchen wie auf dem Camino. Heute ging es wieder mal ohne Frühstück auf den Weg, aber die nächste Bar war nicht weit. Irgendwie war es auch immer wieder schön in den Bars Frühstück zu machen. Man lernt neue Pilger kennen und auch die Tortillas oder Croissants schmeckten immer zu einem Cafe con Letche recht lecker. Heute hatte man den Eindruck das wieder mehr Pilger unterwegs sind als in den vergangenen Tagen. In diesem Jahr hatten wir jedenfalls keine Probleme eine Unterkunft zu bekommen. Man musste nicht vorbuchen wie im  letzten Jahr, was deutlich entspannter war und man spontaner sein konnte. Es lag vermutlich daran, das wir dieses Jahr im Juni anstatt im Mai pilgerten. Diesen Hinweis gab man uns ja bereits im vergangen Jahr. Edgar war aber trotz der Erfahrungen der letzten Tage immer in Sorge, das wir für den Abend keinen Schlafplatz bekommen würden. Die Situation etwas entspannter zu sehen hätte oftmals gut getan. Die Temperaturen waren immer noch bei ca 8 Grad. Zum Glück gab es heute keinen Regen. Unterwegs trafen wir auf Dieter aus Freiburg. Er hatte seinen Weg in St. Jean pied de Port begonnen und machte den Weg mehr aus sportlichen als aus spirituellen Gründen. Auffallend war bei ihm in den ersten Gesprächen, das er mehr fragte als erzählte. Bei Fragen an ihn gab es oftmals keine Antworten von ihm. Aber so ist halt jeder Pilger anders, auch das muss man tolerieren. An die Meseta hatte man sich nun schon gewöhnt. Irgendwie war es eine schöne Wegerfahrung. Wir waren gegen 11.30 Uhr in Fromista und beschlossen in die dortige kirchliche Herberge zu gehen, obwohl es noch recht früh am Tag war. Sie war aber noch geschlossen aber es standen bereits viele Pilger in der Warteschlange. Bei den Herbergen zählt das sogenannte Windhundprinzip. Wer zuerst da ist stellt seinen Rucksack in die Reihe bis die Herberge aufmacht. Die kirchliche Herberge wird von Augustinerschwestern mit betreut. Nach und nach kamen immer mehr bekannte Gesichter an. Renata und Markus, Fernando aus Spanien, Gabriela aus Polen die wir gestern in Fromista kennengelernt hatte, Lee und Choo die beiden Koreaner, auch sie hatten wir schon vor einigen Tagen getroffen und später auch noch Sivia aus Frankreich. Man war nach einigen Tagen eine richtige Pilgerfamilie. Wir hatten heute viel Zeit zum relaxen und unterhalten, was wir auch ausgiebig genutzt haben. Für den Abend gab es in der nebenan gelegenen Kirche eine Pilgermesse mit anschließenden Pilgersegen den der Pfarrer jeden einzelnen spendete. Nach der Messe hatten wir uns noch mit Renata, Markus und Dieter zum Essen verabredet. Es sollte auch noch Jonny dazukommen. Er war Belgier und auch ihn hatten wir schon in Santo Domingo de Calzada in der Herberge getroffen. Er war krankheitsbedingt einen Tag hinter uns und kam heute relativ spät in Contes an. Im nebenan gelegenen Restaurant ließen wir uns das Pilgermenü zusammen mit einem Rotwein schmecken. Aber die Unterhaltungen an so einem Abend sind mit nichts zu vergleichen. Man erzählt sich oft die verücktesten Geschichten die man nur auf dem Camino erlebt. Schnell ging eine schöner Abend zu Ende und wir machten uns zusammen auf den Weg in die Unterkunft. Im Aufenthaltsraum tranken wir noch eine Flasche Rotwein die wir heute im Supermarkt gekauft hatten. Schließlich wollten wir diese nicht am nächsten Tag im Rucksack herumtragen. Am Tisch saß auch noch ein Spanier. Wir luden ihn auf ein Glas ein. Sein Name war Nano und er war Baske aus San Sebastian. Leider sprach er nur ein paar Worte englisch, aber die Unterhaltung funktionierte trotzdem. Zum Schluss zeigte er uns ein Foto seines Vaters, er war früher Fußballprofi in Bilbao und das Foto zeigte ihn zusammen mit Alfredo di Stefano im Estadio Bernabeu in Madrid. Darauf war er unheimlich stolz. Wir leerten unsere Gläser und dann ging man zufrieden ins Bett.
Buen Camino