Heute waren wir, wie fast schon jeden Tag, recht früh auf den Beinen. Da Marie und Gerhard, die Betreiber der Pilgerherberge, uns ein Frühstück mit frischen Weißbrot und selbstgemachter Konfitüre versprochen hatten, mussten wir noch etwas warten, denn die Bäckerei im Ort hatte noch nicht geöffnet. „Bleibts doch ruhig Buam, ihr hoabt doch Zeit“ sagte Gerhard in seinem unverwechselbaren Münchner Akzent und machte uns klar, das wir auf dem Jakobsweg sind und nicht auf der Arbeit. Halt wieder typisch „deutsch“. Ich glaube man braucht einfach länger Zeit auf dem Weg um sich die Langsamkeit anzugewöhnen. Zum Glück gibt’s immer wieder Menschen wie Gerhard, die einen vor Augen führen, das man die Zeit außer Acht lassen sollte beim Gehen des Weges. Marie war mittlerweile auch schon gekommen und bat uns in einem Raum mit gemauerten Gewölbe, der zur Küche ausgebaut war, Platz zu nehmen. Auch kamen noch zwei junge Frauen aus Frankreich mit an den Tisch. Sie waren auch gestern Abend recht spät noch angekommen. Die größere Gruppe saß auch schon im Nebenraum am Tisch. Nachdem Gerhard das Weißbrot verteilt hatte präsentierte uns Marie all ihre verschiedenen Sorten selbstgemachte Marmelade, darunter ihre Spezialität Orangenmarmelade. Wir probierten alle Sorten durch und schlugen uns den Bauch voll, richtig lecker. Auch entwickelte sich ein interessantes Gespräch mit den beiden jungen Frauen. Leider haben wir nicht mal nach den Namen gefragt. Schade manchmal. Der Abschied bei Marie und Gerhard war richtig herzlich. Man merkte ihnen an, das das Wohl der Pilger ihnen am Herzen lag. Mit einem „Pfiat euch Gott“ schickte uns Gerhard auf den Weg, der uns heute über 33 km nach Lectoure führen sollte. In Lectoure war es recht schwierig ein Bett zu bekommen, denn es war Feiertag – Himmelfahrtstag, und viele Franzosen nutzten die langen Wochenenden mit einem Brückentag für einen Kurzurlaub. So schön die Zeit im Mai zum Gehen ist, so schwierig gestaltet es sich manchmal mit den Herbergen aufgrund der vielen Feiertage. Aber trotz aller Widrigkeiten haben wir immer einen Platz zum Schlafen gefunden. Man muss nur Geduld haben. Das Wetter war an diesem frühen Morgen schon schwül-warm und man konnte darauf warten, das es irgendwann Regen geben wird. Der weg war an diesem Tag recht flach und so kamen wir zügig voran. Über St. Antoine und Miradoux kamen wir am späten Nachmittag in Lectoure an. Der Weg führte uns geradewegs zur Kirche im Zentrum des Ortes, der wir einen Besuch abstatteten. Es hatte wie bereits am Morgen vermutet, zu regnen begonnen. Im Ort war es recht ruhig, die Geschäfte hatten aufgrund des Feiertages geschlossen. Der Regen wurde nun immer stärker. Die Herberge befand sich außerhalb des Ortes, und so mussten wir zunächst einen steilen Berg hinab um zu unserer Unterkunft zu gelangen. Es war eine komplette Ferienwohnung mit Küche. Wir beschlossen nach dem Duschen uns im Ort etwas zum Essen zu kaufen und verbrachten den Abend des Vatertages mit einer guten Flasche Wein in der Herberge. Mit dem Rotwein hatten wir die nötige Bettschwere. Bonjour und Buen Camino