
Nach einer ruhigen Nacht stand ich um 5.00 Uhr auf und packte in der Dunkelheit meine Sachen zusammen um mich draußen im Flur anzuziehen, denn die anderen Pilger schliefen noch. Werner wollte sich eigentlich nicht in der Dunkelheit auf den Weg machen, da er Santiago bei Tageslicht sehen wollte. Aber er stand dann trotzdem mit mir auf um mit mir zusammen nach Santiago zu gehen. Wir waren ja einen großen Teil des Weges zusammen unterwegs. Mit der Taschenlampe suchten wir nach den Pfeilen. Wir waren nicht die einzigen die zu dieser Uhrzeit unterwegs waren. Von weiten sah man schon die Lichter der Stadt. Es waren ja nur wenige Kilometer von Monte de Gozo nach Santiago. Nach kurzer Zeit erreichten wir bereits den Stadtrand wo dieser berühmte Schriftzug steht. Nach einer Weile kommt dann ein weiteres Pilgerdenkmal. Dort trafen wir auf Lelia und ihre Mutter. Wir freuten uns einander zu sehen und schon waren die beiden weg. Sie waren wie immer schnell unterwegs. Teilweise fielen einem die Schritte schon schwer auf den unebenen Gehwegen der Stadt. Schritt für Schritt ging es dem Ziel entgegen. Kurz vor der Ankunft an der Kathedrale trafen wir auf eine Frau der deutschen Pilgerbetreuung die gerade auf dem Weg nach San Fiz zur deutschen Pilgermesse war. Sie wollte uns gleich mitnehmen aber unser Weg sollte uns erst zur Kathedrale führen. Unten am Obreidero, dem großen Platz vor der Kathedrale, angekommen erlebten wir eine große Überraschung. Terri und Scott, Dominik und Jana waren gekommen um uns an diesem Morgen hier zu empfangen. Auch Lelia, ihre Mutter und Magdalena die vor uns angekommen waren wurden von ihnen empfangen. Wahnsinn, sie wussten das wir ganz früh am Morgen ankommen würden und waren extra früh aufgestanden um uns hier zu empfangen. Mit Tränen in den Augen lagen wir uns alle in den Armen. Eine Pilgergemeinschaft die sich bereits in Orisson kennengelernt hatte kam gemeinsam am Ziel an. Mehr Emotionen geht nicht. Diesen Zusammenhalt nach so kurzer Zeit des Kennenlernens erlebt man nirgens so wie auf dem Camino. Ich war ja nun bereits zum vierten Mal hier auf dem Obreidero angekommen und jedes mal früh am Morgen. Es ist immer wieder eine emotionales Ereignis , wenn auch immer etwas verschieden, hier an diesem Platz nach einem langen Pilgerweg anzukommen. Eigentlich sollte der nächste Weg in die Kathedrale führen zum Grab des Apostels, aber leider darf man mit Rucksack nicht in die Kathedrale. Zum Glück hatte ich ja das Zimmer im benachbarten Seminario San Martin Pinario gebucht. Dort konnte man seinen Rucksack abgeben und auf schnellsten Weg zurück. Viele Pilger stellten sich bereits am hinteren Eingang der Kathedrale an was in diesem Jahr komplett falsch war. Denn die Heilige Pforte war in diesem Jahr geöffnet, da das Heilige Jahr, das immer gefeiert wird wenn der Gedenktag des Heiligen Jakobus auf einen Sonntag fällt. Das Heilige Jahr das eigentlich 2021 stattfinden sollte wurde aufgrund von Corona um ein Jahr verlängert. Und immer wenn diese Pforte geöffnet ist sollte man die Kathedrale durch diesn Eingang betreten. Offensichtlich wussten das viele nicht, denn an der Heiligen Pforte die um die Ecke lag waren nur sehr wenige Pilger. Zum Glück war es noch früh am Morgen und es waren noch kaum Touristen da. So konnte man fast alleine sein am Grab des Apostels das unter der Krypta liegt. Hier konnte man seinen Gefühlen freien Lauf lassen, Beten und Dankbar sein für sein Leben und für diesen Weg den man gehen durfte. Es wird immer etwas besonderes sein hier nach einer langen Pilgerreise anzukommen. Nach und nach füllte sich nun die Kathedrale mit Pilgern und noch mehr Touristen. Dann gibt es kaum noch die Möglichkeit in Ruhe am Grab des Apostels zu sein. Im Seminario San Martin Pinario konnten Werner und ich nun einchecken. Unser Pilgerzimmer war sehr einfach, ohne Luxus und unter dem Dach. Aber es reicht für einen Pilger, denn die Lage ist einfach genial. Anschließend machten wir uns auf den Weg um irgendwo etwas zu frühstücken. Es trafen immer mehr bekannte Pilger ein und man umarmte sich wenn man einander in der Stadt traf. Mit Dominik gingen wir dann frühstücken. Die Zeit verging wirklich schnell und um 12 Uhr sollte ja wie jeden Tag die Pilgermesse sein. Dazu musste man wenigstens eine Stunde vorher dort sein um einen Sitzplatz zu haben. Man sah viele bekannte Gesichter und man grüßte einander mit einem Nicken oder einen Winken. Die Messe war wie immer beeindruckend. Viele warteten auf das Weihrauchfass was auch an diesem Tag geschwenkt wurde. Nach der Messe traf ich auch auf wieder auf Martin. Ihn hatte ich einige Tage schon nicht mehr gesehen und wir freuten uns einander wieder zu sehen. In der Unterkunft gab es ein großes Restaurant, wo man zu annehmbaren Preisen lecker speisen konnte. Dazu gab es jedes mal eine Flasche Rotwein. Hier saßen Werner und ich lange zusammen und erinnerten uns zusammen an viele Momente auf dem Weg. Am späten Nachmittag gingen wir dann in Richtung Pilgerbüro. Werner war schon ganz scharf auf die Compostela im Gegensatz zu mir. Ich hatte ja schon 3 Stück und für mich ist sie immer noch ein Stück Papier. Werner hatte ja noch keine und für ihn war sie sehr wichtig. Wir suchten uns eine Bar in der Nähe des Pilgerbüros von der man aus die ankommenden Pilger beobachten konnte. Für mich war es irgendwie komisch, das der erste Weg der Pilger nach dem ankommen auf dem Obreidero, erst ins Pilgerbüro führt um ein Stück Papier abzuholen auf dem bestätigt wurde, das man den Weg gepilgert ist, anstatt in die Kathedrale zum Grab des Apostels, dem Ziel des Jakobsweges. Lelia zeigte uns wie wir an den Barcode für die Registrierung kommen, den man braucht um die Compostela zu bekommen. Werner stellte sich derweil an für die Urkunde und ich setzte mich in die Sonne auf eine Mauer neben dem Obreidero. Hier konnte man das ankommen der Pilger beobachten und ab und zu traf man wieder auf bekannte Gesichter. Auch konnte man die letzten 37 Tage nochmal an einem vorbeiziehen lassen. Anschließend ging ich ins Pilgerzentrum um an der Gesprächsrunde dort teilzunehmen. Leider waren nicht viele Pilger gekommen um sich auszutauschen. Abends hatte ich mir vorgenommen zum internationalen Friedensgebet ins Franziskanerkloster zu gehen, aber leider gab es dies nicht mehr. Schade, die einzigartige Atmosphäre hatte mich 2019 nach dem Camino Portugues beeindruckt. Ein langer Tag ging so langsam zu Ende. Man war schon etwas müde geworden und war froh im Bett zu liegen.