15.09.2022 36. Etappe von Salceda nach Monte de Gozo

Die Nacht in der Herberge war ruhig und schon früh am Morgen begannen alle ihre Sachen zu packen. Die nassen Sachen waren über Nacht leider nicht getrocknet und man musste alles so einpacken. Es war noch etwas dunkel als wir losgingen. Lelia und ihre Mutter waren nach kurzer Zeit nicht mehr zu sehen, da beide recht schnell unterwegs waren. Aber aufgrund der überschaubaren Strecke konnte man sich etwas Zeit nehmen und dem Ziel Monte de Gozo entgegen gehen. Über St. Irene ging es Richtung Pedrouzo und bald sah man schon den Flughafen von Santiago. Um diesen musste man eine ganze Weile herum laufen. Hier am Wegesrand hatten sich auch schon fliegende Händler platziert. Einer bot einen besonderen handgemachten Stempel an. Gerne gab man ihm dafür eine kleine Spende. Nach einer Weile kam man dann nach Labacollo wo der Weg über einen kleinen Steg zum Fluß führt. Hier stoppte ich. Im Wasser saßen einige Pilger auf Steinen und kühlten ihre Füße. Werner fragte auch warum wir hier eine kleine Rast einlegen. Hier im Fluß wuschen sich die Pilger des Mittelalters bevor sie nach Santiago gingen um dort sauber und gewaschen an zu kommen. Sie hatten ja nicht die Annehmlichkeiten der heutigen Pilger. Als heutiger Pilger wäscht man sich an dieser Stelle symbolisch. Aber anscheinend ist dieses Ritual nicht mehr vielen bekannt, fragten mich doch die Pilger die auf den Steinen im Fluß saßen, warum ich mir hier mein Gesicht und die Arme und Hände waschen würde. Ich erklärte ihnen dieses alte Pilgerritual von dem sie noch nicht gehört hatten. Manches geht aufgrund des Massenpilgerns halt verloren. Nach einigen Kilometern kommt man dann an der großen Rundfunkstation an, von der es nicht mehr weit zum Monte de Gozo ist. Dort trifft man als erstes auf die kleine Kapelle und man muss unweigerlich dort einfach inne halten. Es stand auch ein kleines Schild an der Kapelle, das heute abend um 18.00 Uhr Pilgermesse sei. Neben der Kapelle war einstens das große Pilgerdenkmal zu ehren von Papst Johannes Paul II. Es wurde aber aufgrund von Bauschäden in den vergangenen Jahren abgerissen und die Tafeln wurden auf dem Boden nebenan angeordnet. Heute war recht klares Wetter und man konnte von hier oben die Türme der Kathedrale erkenne. Monte de Goz – Der Berg der Freude, weil man von hier schon das Ziel erkennen kann. Nach ein paar Fotos ging es von dort hinunter zur polnischen Pilgerherberge in der Edgar und ich 2017 übernachteten. Leider war diese geschlossen und wir mussten uns einen Schlafplatz in der großen anonymen Pilgerherberge suchen. Dies gestaltete sich etwas schwierig. Ich kannte zwar dieses Pilgerzentrum noch von 2007. Damals übernachteten wir auch dort. Schade, denn damals war es sehr spirituell in der nebenan gelegenen Kirche. Aber heute ist alles anders organisiert. Es gibt eine zentrale Gaststätte mit kleinen Geschäften nebenan. Dort fragten wir auch nach einem Schlafplatz und man schickte uns hinunter ans Ende des Gebäudekomplexes. Dort gab es eine Anmeldung. Hier sagte man uns, das die ganzen Gebäude privat wären und nur der Gebäudekomplex ganz oben die öffentliche Herberge sei. Man hätte sich auch in der privaten Herberge einmieten können, aber das wollte ich nicht. Mir sind richtige Herbergen lieber und besonders heute wollte ich in die Herberge oben. Also wieder den Berg hoch nach ganz oben. Es war schon etwas beschwerlich dieses ganze hin und her. Oben angekommen waren kaum Pilger da und es gab noch genügend Platz in der Herberge. Wir bekamen unsere Betten in einem der vielen Zimmer zugewiesen. Mit uns kamen gleichzeitig Jennifer und ihre Freundin Su aus Neuseeland dort an. Sie erzählte mir, das sie eine Zeit lang mit einem Deutschen namens Werner unterwegs war. Ich sagte nur, das ich ihn kenne. Wir machten ein Bild und schickten es Werner. Werner hatte ja seinen Weg leider abgebrochen. Da das Wetter heute wieder sonnig war nutzte ich die Gelegenheit die noch klammen Sachen zu trocknen. Unten im zentralen Gebäude gab es ja eine größere Bar die auch etwas zu Essen anbot. Nach und nach trafen hier Pilger ein, die teilweise heute noch nach Santiago wollten. Auch Dominik kam zusammen mit Jana vorbei. Die beiden aßen etwas und hatten in Santiago schon eine Unterkunft, gebucht. Wir verabschiedeten die beiden mit Worten, sie sollten den Apostel von uns grüßen. Wir würden morgen zu ihm kommen. Plötzlich stand Magdalena aus Polen vor mir. Sie blieb auch heute hier oben am Monte de Gozo. Wir umarmten uns und freuten uns einander wieder zu sehen. Sie weinte vor Glück. Sie hatte mir ja erzählt, das sie als junges Mädchen am Weltjugendtag mit dem polnischen Papst Johannes Paul II damals teilnahm. Und heute kehrt sie als Pilgerin zurück an diesen besonderen Ort. Eine der schönsten Geschichten die der Camino in diesem Jahr schrieb. Wir freuten uns zusammen auf den morgigen Tag und das ankommen am Ziel. Mittlerweile war auch Lelia und ihre Mutter gekommen und alle bestellten etwas zum Essen. Ich schaute auf die Uhr und es war kurz vor 18.00 Uhr. Oben an der Kapelle sollte ja die Pilgermesse sein und ich dachte mir das es schon etwas besonderes wäre am Vorabend des ankommens eine Pilgermesse hier am Berg der Freude mit zu feiern. Ich verabschiedete mich und sagte ich komme später wieder. Ich merkte sie waren alle etwas irritiert. Mit schnellen Schritten ging ich hoch auf den Berg zur Kapelle. Ich ging hinein, aber keiner war da. Der Pfarrer kam gerade und schaute sich um. Ich dachte bei mir, die fällt bestimmt jetzt aus, da kein einziger Pilger außer mir da war. Aber weit gefehlt. Der spanische Pfarrer bat mich das Evangelium in meiner Sprache zu lesen. Auf dem Smartphone hatte ich ja die Seite „Evangelium Tag für Tag“ gleich parat. Er freute sich darüber und wir feierten zusammen diese Messe. So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Er gab mir am Ende noch den Pilgersegen – Gänsehaut pur. Ein wundervoller Moment der sich unter der Rubrik „Nicht ist Zufall“ einordnen lässt. Anschließend ging ich wieder zurück zum Pilgerzentrum um etwas zu Essen. Alle anderen hatten schon gegessen, aber es war nebensächlich nach diesem Erlebnis an der Kapelle. Auf dem Rückweg genehmigte ich mir noch ein Eis und ging voller Vorfreude auf den morgigen Tag zurück zur Herberge.