10.09.2022 31. Etappe von Triacastella nach Sarria

Da wir gestern recht früh schlafen gingen hatten wir auch recht früh ausgeschlafen. Es begann gerade hell zu werden und nach einigen hundert Metern machten wir zunächst ein umfangreiches Frühstück. Die Bars in den Ortschaften hatten sich schon darauf eingestellt das viele Pilger früh losgehen und dementsprechend geöffnet. Das Frühstück heute lies keine Wünsche offen, Eier, Speck, Marmelade, Kaffee und Brot. Dazu frisch gepressten Orangensaft. Fast zu viel, denn man musste ja wieder laufen. Am Ortsende von Triacastella musste man sich entscheiden, den Weg direkt nach Sarria oder den Umweg über das Kloster Samos. Dieser Weg über Samos war mittlerweile der offizielle Pilgerweg und nicht wie früher die Alternative. Diesmal entschied ich mich nicht nach Samos zu laufen. Ich weis nicht warum es mich diesmal nicht dorthin zog. Ich hörte wie meist auf mein Gefühl. Bergauf und Bergab ging es Sarria entgegen. Schon gegen Mittag kamen wir in Sarria an. Gleich am Ortseingang ist eine Pilgerinfo. Dort konnten die Pilger die die letzten 100 km pilgern die notwendigen Infos bekommen. Viele gehen ja nur von hier die 100 km um auch die Compostela zu bekommen. Aber auch viel Verunsicherung wird hier in der Info verbreitet. Uns sagte man, das man ab hier auf jeden fall jeden Tag sein Bett reservieren soll, will man nicht abends auf der Straße stehen. So ein Unsinn sagte ich zu Werner. Der war aber schon irgendwie verunsichert. Er brauchte die Gewissheit abends ein Bett zu haben. Mittlerweile hatte Lelia wieder mal geschrieben. Sie hatte hier eine Unterkunft und wollte ja ihre Mutter dort treffen um mit ihr die letzten Etappen zu pilgern. Wir verabredeten uns für den Abend zur Pilgermesse. Werner und ich beschlossen uns hier in Sarria eine Unterkunft zu suchen Die kleine Herberge kurz nach Sarria, die ich im Blick hatte, war geschlossen. Corona lässt grüßen. Es war die kleine Mühle in der ich zusammen mit Edgar 2017 war. Schade. Auf den Stufen hoch zur Kirche war links eine kleine unscheinbare Herberge. Hier waren noch viele Betten frei. Wir waren die ersten dort. Schön gelegen unterhalb der Kirche. So viel zum Thema „alle Betten belegt“. Dadurch, das noch keine Pilger da waren, hatten wir die Duschen für uns. Der Garten war schön gelegen und man konnte dort relaxen. Plötzlich bekam ich eine Whatts App von Martina Zwosta aus Neufang. Sie ist immer bei uns auf der Wallfahrt nach Marienweiher dabei. Was konnte sie wollen? Sie hatte ein Bild gepostet und fragte ob ich den Mann darauf erkenne. Ich konnte es kaum glauben. Auf dem Bild war Hans. Hans aus Nürnberg. Healing Hans. Wir kannten uns vom Camino in Frankreich, hatten aber schon eine ganze Weile keinen Kontakt. Wie aber kam Martina zu ihm. Martina war mit den Minis aus Neufang in Nürnberg und sie sollten Menschen in der Fußgängerzone ansprechen. Einer von ihnen war Hans. Und im Gespräch kam eines zum anderen. Nachdem ich zurück geschrieben hatte rief Martina mich an. Sie wusste nicht, das ich auf dem Camino war. Ich sagte nur, ich bin in Sarria auf dem Camino und „Nichts ist Zufall“. Mittlerweile habe ich wieder Kontakt mit Hans. Solche Verbindungen über Jahre und Grenzen´schafft nur de Camino. Nach diesem schönen Telefonat dachte ich es geht heute nicht zu toppen. Doch es ging. Ein paar Tage vorher telefonierte ich mit meiner Frau Heike und wir sprachen davon, wo ich in Santiago übernachten wollte. Ich meinte, sie solle mal ihre Freundin Gudrun fragen, ob sie mal für mich in Santiago im Seminaro San Martin Pinario nach einem Pilgerzimmer fragen würde. Dazu muss man sagen, Gudrun spricht perfekt spanisch. Sie versprach das zu tun. San Martin Pinario liegt gleich neben dem Seiteneingang der Kathedrale. Dort gibt es ein gutes Restaurant und das zu einem für Santiago erschwinglichen Preis. Ein Glücksfall wenn man dort ein Pilgerzimmer bekommt. Ich kenne viele die es dort schon probiert haben, aber es nie geschafft haben. Ich war gerade auf dem Weg zum Essen als Gudrun mich anrief und mir mitteilte, das es ihr gelingen ist dort für mich ein Zimmer zu bekommen. Das war eine super Nachricht, wenn man unbeschwert in Santiago einlaufen kann und weis seine Unterkunft gleich neben der Kathedrale. Ein durchwegs guter Tag. Aber jetzt wurde auch einem bewusst das die letzten Tage auf dem Camino vor einem lagen. Wahnsinn, von hier sind es nur noch 100 km nach Santiago. 700 km lagen hinter uns. Wo war die Zeit geblieben. Wir saßen in einer kleinen Bar neben den Stufen hoch zur Kirche. Ich sagte nur zu Werner. Genieße die Zeit, denn die letzten 100 km sind nichts, sie werden wie im fluge vergehen. Sauge alles nochmal auf. Was wir aber auch sahen war die negative Seite des Camino. Unzählige Touristen mit kleinen und großen Koffern zogen auf der Straße an unserer kleinen Bar vorbei. Eine Invasion. Wo wollten die alle hin? Ich befürchtete das sie alle morgen auf dem Camino wären, und so war es auch. Ab hier werden die meisten organisierten Touren für die Pilger angeboten. Vorgebuchte Hotels, unterwegs Stationen mit Getränken und Snacks, Abends Top Restaurants, Gepäcktransport und Abholung vom Weg bei Regen. Ist das der Camino? Für Pilger wie mich schwer zu akzeptieren. Nicht mein Weg. Die Pilgermesse in der kleinen Kirche in Sarria war sehr gut besucht und auch sehr emotional. Hier sah man viele bekannte Gesichter, die man tagelang nicht mehr gesehen hatte. Lelia war mit ihrer Mutter da. Eine sehr nette Frau. Auch Terri und Scott waren da. Nach der Messe gingen wir auf dem Weg zur Herberge noch etwas trinken, bevor wir zur Herberge zurück gingen. Das Bett über meinem war noch frei. Mitten in der Nacht wachte ich auf als 2 Männer den Schlafsaal betraten. Einer legte seine Sachen oben auf das Bett und legte sich dort schlafen. Der andere machte das gleiche beim Bett nebenan. Am Morgen als ich aufstand war das Bett wieder leer. Mir kam es so vor, wie wenn diese hier nicht registriert und bezahlt hatten und sich einfach mitten in der Nacht in die offenen Herbergen schlichen. So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt.