
Die Nacht war etwas unruhig, waren doch einige Schnarcher mit im Raum gewesen. Auch waren heute früh schon viele Pilger auf den Beinen. Draußen war es noch dunkel und im Schein der Straßenlaternen ging es durch die Stadt Richtung der Templerburg. Irgendwie waren dort die gelben Pfleile nicht so ausgeprägt zu sehen und so kam es, das wir in die falsche Richtung gingen. Trotz der falschen Richtung waren aber hier auch Pilger unterwegs, so das man davon ausgehen konnte, das dieser Weg wieder zurück auf den offiziellen Camino führen würde. So war es dann auch. Obwohl ich doch schon das dritte mal hier war verlief ich mich. Auch das gehört zu den Erfahrungen auf dem Weg. Irgendwann waren wieder die gelben Pfeile zu sehen und man war zurück auf den vorgegebenen Weg. Nach einiger Zeit kam man an eine Wegekreuzung. Ein Weg führte entlang der Streaße und der andere Weg führte in die Weinberge des Bierzo. Natürlich war die Entscheidung leicht. Den Weg durch die Weinberge zu gehen war einfach herrlich. Es waren kaum Pilger unterwegs. Die meisten hatten sich für den anderen kürzeren Weg entschieden. So konnte man wieder einmal seine Gedanken freien Lauf lassen. Auch kam man am Lieblingsmotiv von meinem Freund Edgar vorbei. Es war eine kleine Kapelle mitten in den Weinbergen. Nach einger Zeit trafen wir Peter. Ihn hatten wir zuletzt in Foncebadon in der Bar getroffen. Er hatte dort gesundheitliche Probleme und konnte nicht weiterlaufen. Zusammen mit Werner aus dem Hunsrück fuhren die beiden am nächsten Tag mit dem Taxi ins Krankenhaus. Peter schien sich schnell erholt zu haben und im Gegensatz zu Werner konnte er seinen Camino fortsetzen. Es war schön sich mit ihm zu unterhalten. Er erzählte, das er hier vom Camino aus seinen Job gekündigt, und sich online gleich wieder für eine andere Stelle beworben hat. Von dort bekam er auch eine Zusage. Wahnsinn, wie die jungen Leute heute alles mit dem Smartphone regeln. Peter erzählte auch, das seine Mutter auch auf dem Camino war. Aber sie war viel schneller als er und war bereits kurz vor Santiago. Peters Eltern stammten aus Russland. Er erzählte auch, das seine Tante, die einen russischen Akzent hatte, seit dem Ukraine Krieg angefeindet würde. Peter hingegen sprach astreines Hochdeutsch. Peter hatte sich anscheinend so gut erholt, das er wieder schnell unterwegs sein konnte. Sein Tempo mitzuhalten war für mich unmöglich, und so trennten sich unsere Wege. Während einer Rast trafen wir auf Sophie, eine junge Frau vom Ammersee. Sie studierte Medizin und war gerade dabei ihre Sandalen auszuziehen, Sie hatte unheimlich viele Blasen an den Füßen und zwischen den Zehen. Die vorderen Schnallen ihrer Sandalen hatte sie offen und ging fast nur auf den Fersen. Aber sie gab nicht auf, was mir sehr imponierte. Kurz vor Villafranco del Bierzo trafen wir wieder auf sie. Sie ging sehr schwer und schleppte sich nur so vor sich hin. Ich bot ihr an, das ich ihren Rucksack bis zur Herberge tragen würde, es war ja nicht mehr weit. Aber sie lehnte ab, was mir noch mehr imponierte. Die heutige Herberge betrat ich heute nun zum dritten mal. Die Kultherberge Ave Fenix, eine der wenigen Herbergen die es gefühlt schon immer am Camino gab. Ich musste mich zurückerinnern und erzählte Werner die Geschichte von 2007, als ich das erste mal dort war. Beim betreten sah alles aus wie immer. Es hatte sich aber einiges geändert, so konnte man seit neuesten hier Abendessen und Frühstücken. Auch waren die Sanitärräume mittlerweile renoviert. Ein Foto davon musste ich natürlich gleich Edgar schicken. Peter war bereits geduscht und saß mit Susann aus Dänemark vor der Herberge. Nach dem üblichen Pilgerritual Duschen und Waschen gesellten wir uns dazu. Sophie kam auch mit dazu und verarztete ihre Wunden. Sie tat mir sehr leid. Es muss schrecklich sein mit solchen Schmerzen zu laufen. Sie hatte aber immer noch gute Laune und Lust auf den Camino. Es war Zeit etwas zu Essen, ich hatte richtig Hunger. In der Nähe der Herberge befand sich eine kleine Bar. Dort gab es Pizza und Basta. Auch kamen in unregelmäßigen Abständen immer mal Pilger vorbei. Die Bar lag ja genau am Weg. Den ganzen Nachmittag und Abend verbrachten wir dort bei guten Unterhaltungen. Es war immer wieder schön neue Pilger zu treffen und ihre Geschichten zu hören. Zurück in der Herberge ging ich heute recht bald schlafen.