
Die Nacht war relativ ruhig, man ist ja mittlerweile an alle möglichen Schlafsäle gewöhnt. Ich stand realtiv früh auf, die meisten Pilger schliefen noch. Ein Blick aus der Haustür verhieß nicht gutes. Es regnete in Strömen. Also diesmal kein ankommen am Cruz de Ferro bei Sonnenaufgang. Nicht alle Erwartungen werden auf dem Camino erfüllt. Hier oben hatte ich nun schon alles, 2007 war Schneefall im Mai, 2027 herrliches Sommerwetter und diesmal als Regen. Nach einem kleinen Frühstück hies es also Regenkleidung anziehen. Draußen war es noch Stockfinster. Man musste mit Stirnlampe gehen um den Weg zu finden. Werner war meine Begleitung. Es waren ja noch keine weiteren Pilger unterwegs. Heute fragte ich mich in der Tat, warum ich nicht doch in Rabanal geblieben bin. Aber das Cruz de Ferro hat eben eine besondere Anziehungskraft. Die gilt nicht für alle Pilger, aber für mich einer der besonderen Orte am Weg. Nach fast einer Stunde Gehzeit kamen wir am Kreuz an. Ich stieg auf den von Pilgern angehäuften Steinen an den Fuß des Kreuzes. Es war noch dunkel. Werner machte von unten die Fotos. Dafür bin ich ihm, dankbar, hätte ich doch ohne ihn kaum Fotos. Im Knien und mit Stirnlampe holte ich die von zu Hause mitgebrachten Steine aus dem Rucksack und legte sie ab. Auch hatte ich ein Sterbebild von meinem Freund und Chef Andreas dabe, das ich ihm zum Gedenken am Holzstamm des Kreuzes befestigte. Der Moment an diesem Ort nahm mich ganz schön mit. Mir gingen tausende Gedanken durch den Kopf, irgendwie waren sie alle nicht geordnet, dazu der andauernte Regen. Nachdem Werner auch am Kreuz war kamen so nach und nach immer mehr Pilger. Darunter auch Terri und Scott. Wir begrüßten uns und verließen dann diesen für mich magischen Ort am Camino. Mittlerweile ließ der Regen etwas nach und man konnte wenigstens den Poncho ausziehen. Nach einiger Zeit kamen wir nach Manjarin. Dort lebt immer noch Tomas, der selbsternannte Tempelritter. Ihn hatte ich schon 2007 und 2027 kennengelernt. Es sah immer noch so chaotisch aus wie damals. Tomas war ziemlich gealtert, aber immer noch eine Legende am Camino. Die Wolken rissen immer mehr auf und es wurde zunehmend wärmer. Der anschließende Abstieg nach El Acebo war ziemlich hart für die Knochen. Aber ich ging lieber bergab als bergauf. Werner ging es umgekehrt, so das er etwas zurückblieb. In El Acebo machte ich eine längere Pause mit einem ausgiebigen Frühstück. Nach und nach trafen dort viele Pilger ein, die in Foncebadon übernachtet hatten. Bis hinunter nach Molineseca war es richtig steinig und man war heilfroh im Tal zu sein. In Molineseca gab es eine schöne kleine Kirche die zum Verweilen einlud. Von Molineseca nach Ponferrada waren es noch 7 km. Nach einer etwas längeren Rast entschieden wir diese Strecke noch auf uns zu nehmen, obwohl es heute nach diesem Abstieg an die Grenze der körperlichen Belastung ging. Der Weg nach Ponferrada zog sich unendlich hin. Man sah die Stadt vor einem, aber irgendwie führte uns der Weg um die Stadt herum. Karsten der Däne stand plötzlich an einer Wegkreuzung vor uns und erzählte, das er Probleme mit seinen Füßen hätte. Auf Google Maps würde der gerade Weg direkt in die Stadt führen. Wir beschlossen auf dem gekennzeichneten Jakobsweg zu bleiben. Wahrscheinlich wären wir etwas schneller in der Stadt gewesen wenn wir mit Karsten gegangen wären. Irgendwie war mir dieser Weg aus 2027 noch in Ewrinnerung. Man hatte offensichtlich die Wegführung geändert. Ziemlich am Ende der Kräfte kamen wir schließlich in der Herberge St. Nicolas an. Vor dem Check in hatte sich schon eine etwas längere Schlange Pilger gebildet. Irgendwie kamen uns die beiden Hospitaleros bekannt vor. Es waren die beiden, die bereits in Logrono tätig waren. Martin kam auch wie aus dem nichts in die Herberge. Nach dem üblichen Pilgerritus musste ich erstmal zur Ruhe kommen. Es gab ja dort diese kleine Kapelle in der eine Skapuliermadonna steht, was eine besondere Verbindung für mich darstellte, haben wir doch bei uns in der Pfarrei Lahm auch eine besondere Verbindung zum Skapulier. Mit Martin unterhielt ich mich intensiv darüber. Anschließend ging ich zunächst in die Stadt um dort etwas zu Essen. Auf dem Marktplatz war ein großes Zelt aufgebaut in dem verschiedene Aufführungen stattfanden. Auch gab es einen Mittelaltermarkt. Gleich in der Nähe gab es einen kleine Bar in der man etwas essen und trinken konnte. Die Kathedrale war auch in der Nähe und es fand gerade ein Gottesdienst statt. Dort traf ich auch auf Verena und Julian. Auch Magdalena war da. Die Messe dauerte für spanische Verhältnisse recht lange. Auch war in den Gassen der Stadt viel los. Man sagte uns, das an diesem Wochenden ein Mittelalterfestival stattfinden würde. In Ponferrada stand ja diese imposante Templerburg die über der Stadt thronte. Die Zeit war schnell vergangen und der Weg zurück zur Herberge war ziemlich lang. Auf dem Rückweg traf ich Werner in einer Bar. Wir tranken noch etwas zusammen und machten uns zurück auf den Weg in die Herberge. Dort war auch ein Deutscher, der mir bereits bei der Ankunft aufgefallen war. Er schien in der Herberge mit zu helfen. Er hatte gerade etwas Zeit und ich kam mit ihm ins Gespräch. Wilfried, so sein Name, erzählte mir, das er nach vielen Wirrungen hier gelandet wäre. Er hatte in Deutschland keinen Wohnsitz mehr und war eine Art Aussteiger. Er hatte kein Geld mehr und wollte nun auf dem Camino einige Zeit bleiben. Irgendwie war er mir symphatisch auch wenn seine Geschichte etwas ungewöhnlich klang. Sein Glaube an Gott trug ihn. Das Gespräch mit ihm hatte mich ziemlich aufgewühlt und konnte eine Zeitlang nicht einschlafen.