
Trotz der negativen Stimmung in der Herberge war die Nacht ruhig. Das Frühstück musste man sich selbst machen. Es waren neben Werner noch der Franzose und Martin mit am Frühstückstisch. Irgendwie wollten wir alle so früh wie möglich weg und das erlebte vergessen. Kurz vor dem Gehen tauchte dann auch noch Andrea auf, aber keiner wollte sich so recht mit ihm unterhalten. Kurz nach dem Ortsausgang war eine junge Frau die ein kleines Problem zu haben schien. Ich fragte nach und sie hatte kein Wasser mehr um ihre Medizin zu nehmen. Ich gab ihr selbstverständlich Wasser und nach einem kurzen Gespräch stellte sich heraus, das sie aus Bamberg kam. Sandra war ihr Name. Irgendwie verstanden wir uns gleich, halt Franken unter sich. Wir gingen die Strecke bis Rabanal zusammen und erzählten uns viele Geschichten aus unserem Leben. Sandra war eine besondere Pilgerin mit einer besonderen Geschichte die mir imponierte. Sie erzählte mir, das sie mit ihren Schuhen unheimlich viele Blasen hatte. Ein Pilger aus Spanien erzählte ihr, das es eine Tauschbörse für Schuhe der Pilger geben würde. Ich hatte davon noch nie gehört. Sie erzählte, das sie ein paar Sandalen fand die ihr passten und sie darin nie mehr Blasen hatte. Ihre eigenen Schuhe lies sie dort zurück. Ich meinte nur, das es was besonderes wäre in den Schuhen eines anderen Pilgers nach Santiago zu gehen. Darüber könnte sie glatt ein Buch schreiben. Die Zeit mit ihr verging wie im Fluge und schon waren wir in Rabanal. Kurz vorher kam auch noch Yannick aus Berlin dazu. Sandra und er kannten sich schon. In eine Bar tranken wir zusammen einen Kaffee und aßen noch ein Gepäck dazu. Sandra wollte mit Yannick und noch einigen jungen Leuten die dazu gekommen waren weitergehen, was ich verstehen konnte. Viele die sich auf dem Weg finden laufen auch dann meist zusammen gen Santiago. Auch ich war ja schon einige Zeit mit Werner unterwegs. Aber in Rabanal trennten wir uns. Werner ging schon mal voraus nach Foncebadon. Ich wollte noch einige Zeit hier in Rabanal verbringen. Zeit in der Kirche verbringen und auch in der Kapelle der Benediktiner die hier auch eine Herberge betreiben. Ich war hin und her gerissen und musste mich langsam entscheiden. Hier in Rabanal bleiben oder hoch nach Foncebadon. Auf der einen Seite hatte ich viel vom Spirit in dieser Herberge gelesen, die ja von deutschen betreut wird. Auf der anderen Seite hatte Lelia geschrieben. Sie war gestern oben in Foncebadon und hatte ein Bild vom Sonnenaufgang am Cruz de Ferro geschickt. Und eigentlich wollte ich nochmal einen Sonnenaufgang am Cruz de Ferro erleben. Von diesem besonderen Erlebnis hatte ich ja vielen Pilgern erzählt und viele folgten meinen Erzählungen. Um früh am Cruz de Ferro zu sein musste man in Foncebadon übernachten, das ungefähr eine Stunde vom Cruz entfernt war. Lelia berichtete das die kirchliche Herberge in Foncebadon voll war und auch schon für den nächsten Tag fast voll. Sie hatte anscheinend einen guten Draht zum Hospitalero und fragte ob sie reservieren soll. Eigentlich lassen sich kirchliche Herbergen nicht reservieren. Aber Lelia reservierte für Werner und mich. Also musste ich trotzdem hoch nach Foncebadon, Ich wollte das nicht, reservieren und nicht kommen, was für einige sogenannte Pilger normal zu scheinen schien. Es hatte sich, je näher es nach Santiago ging, bei einigen Pilger eingeschlichen einfach mal zu reservieren und dann ohne Absage nicht zu kommen wenn man die Pläne kurzfristig geändert hatte. Eine unschöne Praxis und auch eine der negativen Auswirkungen des Weges. Nach einiger Zeit in der Kirche und der Kapelle von Rabanal machte ich mich bei hohen Temperaturen auf den Anstieg in den ehemals verlassen Ort. Unterwegs traf ich dann auf Verena und ging eine ganze Weile mit ihr. Es war eine schöne Unterhaltung. Ihr Freund Julian war vorausgegangen. An einer Wegbiegung wartete er auf uns und wir gingen zusammen weiter. Unterwegs trafen wir dann Terri und Scott. Wir freuten uns einander wieder zu sehen und gingen zusammen bis zum Ortseingang von Foncebadon. Dort machten wir noch einige Erinnerungsfotos. Foncebadon hatte sich seit meinem ersten Besuch 2007 enorm verändert. Damals gab es eine Herberge mit Betten im Keller, eine Bar und ein Haus in dem einige Hippies lebten. Heute ist aus diesem ehemals ruhigen Ort eine pulsierende Ortschaft mit vielen Bars, Einkaufsläden, Herbergen und sogar einem Hotel geworden. Die wilden Hunde von Foncebadon, von denen Hape Kerkeling in seinem Buch schrieb gab es auch nicht mehr. Verena, Julian, Terri und Scott gingen in die erste Herberge und fanden dort einen Platz. Mittlerweile hatte Werner angerufen, er wartete in einer Bar auf mich und zusammen gingen wir zur alten Kirche in der sich die Herberge befand. Wir waren neben einer Kolumbianerin und ihre Tochter die ersten. Nachdem der Hospitalero gekommen war und wir unsere Betten zugeteilt bekamen war Duschen und Waschen angesagt. Werner zog es gleich in einige der vielen Bars. Ich verbrachte einige Zeit in der einfach gestalteten Kapelle der Kirche. Hier hatte sich seit 2017 nichts verändert. Das Wetter wurde zunehmend schlechter und der Himmel war voller Wolken. Es begann auch etwas zu regnen. Das verhieß für morgen nichts gutes. Ob ich nochmal einen Sonnenaufgang am Cruz de Ferro sehen würde? Leider wurde in der Herberge kein Abendessen mehr angeboten. Das zusammen kochen und Essen in diesen Herbergen ist immer etwas besonderes. Also machte ich mich auf der Suche nach etwas zu trinken und zum Essen. In einer der vielen Bars fand ich Werner, er saß an einem Tisch mit vielen Pilgern und ich setzte mich dazu. Zu meiner Überraschung war auch Werner aus dem Hunsrück mit am Tisch. Ich freute mich ihn wieder zu sehen. Er hatte große gesundheitliche Probleme und erzählte das es für ihn der letzte Abend auf dem Camino wäre. Er war beim Arzt und der hat ihm geraten abzubrechen. Ich sagte zu ihm, das ich das nicht machen würde so kurz vor dem Ziel. Mach doch ein paar Tage Pause, du hast doch Zeit und sehe dann weiter, so mein Rat an ihm. Aber Werner war nicht um zustimmen, er hatte seine Entscheidung gefällt. Schade so kurz vor dem Ziel. Es ist doch nicht so selbstverständlich in Santiago anzukommen. Ich war in diesem Augenblick so dankbar, das ich trotz meines körperlichen Handicaps einer Polyneuropathie diesen Weg gehen konnte. Am Tisch waren auch noch Dirk und Magdalena. Sie erzählten auch eine ungewöhnliche Geschichte. Wir alle glaubten sie wären ein Paar. Aber sie waren Arbeitskollegen und ihr Arbeitgeber sah es nicht gerne wenn Kollegen zusammen ihren Urlaub verbringen. So war Magdalena offiziell auf dem Camino und Dirk in Italien. Was für verrückte Geschichten es gab. Am Tisch saß auch noch Karsten, ein Däne. Er war einige Zeit mit Werner aus dem Hunsrück unterwegs gewesen. Er zeigte einen kleinen Film auf dem er einen Pilger auf dem Weg nach Foncebadon von hinten filmte. Der Pilger hatte einen ziemlich schlechtes Gangbild. Als ich den Film sah, sagte ich nur, das der Pilger ich war. So hatte ich mich noch nie laufen gesehen. Es sah wirklich nicht gut aus und alle wunderten sich, das ich so weit auf dem Camino gehen konnte. Auf dem Weg zurück zur Herberge begann es schon zu regnen. Viele Pilger waren schon in ihren Betten. Die Nacht war recht kühl, so das man heute froh war einen warmen Schlafsack zu haben.