4. Etappe Navio nach Labruja

Die Nacht war sehr ruhig im Schlafsaal, keine lästige Fliege, kein Schnarchen, nur draußen das zirben der Grillen. Ich habe so gut wie schon lange nicht mehr geschlafen. Da wir alle gemeinsam bei Fernanda um 7.30 Uhr Frühstück machen wollten, konnte man heute richtig Zeit lassen. Frühstück machte Fernanadas Mann und leider war Fernanda nicht zu sehen. Ich hatte schon Bedenken, das wir sie heute nicht mehr sehen. Wir alle hofften das sie noch kommen würde, damit wir uns von ihr verabschieden konnten. Die Herberge war auf Spendenbasis und man gab gerne großzügig, denn jeder wusste ja selbst was er gegessen und vor allem an Wein getrunken hatte. Als wir unsere Stempel abgeholt und auch das Donativo gezahlt hatten kam Fernanada zum Abschied nehmen. Heute ging ich wieder alleine los. Ich war der erste, der die Herberge verließ und so hatte ich alle hinter mir. Da es bereits 8.30 Uhr war wollte ich heute nicht ganz so lange gehen und hatte mir als Ziel Labruje ausgesucht. Meine Etappenziele suchte ich meist antizyklisch zu den Zielen in den Pilgerführern. Wenn man zwischen den großen Etappenzielen übernachtet muss man wenigstens nicht vorbuchen. Das wollte ich auf keinen Fall machen. Dadurch musste ich aber auch mal länger Strecken in Kauf nehmen. Die Temeperaturen waren auch heute sehr hoch und ständig ging es über Kopfsteinpflaster, was ganz schön auf die Knochen ging. Über Vittori de Piaes kam ich gegen Mittag in Ponte de Lima an, einen der ältesten und schönsten Orte von Portugal. Hier herrschte ein reges Stadtleben. Auf dem Weg durch die Stadt sprach mich ein österreichisches Paar, das mit einem Kind unterwegs war, an. Die beiden kamen aus der Steiermark und ihre Tochter war erst 13 Jahre alt. Sie war total vom Weg begeistert und sammelte am liebsten Stempel. Man merkte ihr an, das sie bereits den Caminovirus hatte und das mit 13 Jahren. Nach der Brücke gab es eine kleine Kapelle, in der man etwas in Ruhe sitzen und seine Gedanken wieder ordnen konnte. Vor der Kapelle traf ich dann Katharina wieder und wir beschlossen zusammen einen Kaffee zu trinken. Als wir gerade losgingen, trafen wir auf einen Amerikaner, der mit seinem Sohn unterwegs war. Es stellte sich heraus, das sie erst morgen ihren Camino beginnen wollten und suchten schon heute mal nach dem Beginn des Weges in Ponte de Lima. Zusammen gingen wir mit den beiden ein kurzes Stück bis an den Stadtrand. Unterwegs machten wir noch kurz Rast an einer kleinen Bar. Katharina bestellte Nudeln und da die Betreiberin der Bar Italienerin war konnte sie diese ganz besonders gut zu bereiten. Ich bekam zum probieren auch etwas ab und freute mich darüber. Die Betreiberin der Bar schlug uns vor, das wir bei ihr in kleinen Zelten übernachten könnten, was wir aber ablehnten, obwohl es sicherlich eine ganz neue Erfahrung gewesen wäre. Ich ging vor Katharina los und relativ ereignislos ging es dann dem heutigen Etappenziel entgegen. Kurz vorher kam mir noch ein Pilger entgegen, was ja relativ seltsam ist oder wiederum auch nicht. Ist doch der umgekehrte Weg des Camino, der Pilgerweg von Santiago nach Fatima. Der Camino ist mit gelben Pfeilen gekennzeichnet, der Weg nach Fatima mit blauen Pfeilen. Der Pilger der mir entgegen kam war Antonio und er hatte auf seinem Rucksack eine brasilianische Fahne. Wahnsinn, aus Brasilien anzureisen um den Pilgerweg von Santiago nach Fatima zu pilgern. Wir unterhielten uns eine Weile und ich erzählte ihm das mein Enkel auch Anton heißt. Das freute ihm ganz besonders und wir wünschten einander alles Gute, und Buen Camino für unsere Wege. Nach einem kleinen Anstieg kam dann schon die Herberge von Labruja die ich nach ca. 26 km erreichte. Sie war relativ neu und hatte 2 Schlafräume mit je 4 Betten und saubere neue Sanitärräume. Kurz nach mir kam dann auch Katharina an und wir bezogen unsere Betten. Da ausser uns noch keiner da war konnte jeder ein Zimmer für sich in Beschlag nehmen. Später kamen dann noch Oleg, Luba und ihr 10 jähriger Sohn Demit aus Kasan in Russland dazu. Sie hatten aber ein seperates 3 Bettzimmer für sich gebucht. Russische Pilger hatte ich bisher auf den vielen Jakobswegen noch nicht getroffen. Beim gemeinsamen Abendessen konnten wir uns dann näher kennenlernen. Sie waren sehr nett und auch als Pilger im christlichen Sinn unterwegs. Sie waren auch Fußballfans und schenkten mir das Maskottchen der WM 2018 in Russland. Die WM dort ging ja bekanntlich nicht so gut für uns deutsche aus. Im Gegenzug durften sie sich einen Segensspruch ziehen. Natürlich musste Google Translate übersetzen. Katharina und ich genehmigten uns an diesem Abend eine Flasche Weißwein und gingen gegen 21.00 Uhr schlafen. Es war eine sternenklare Nacht und aus der Ferne hörten wir Musik und Gesang. Es stellte sich heraus, das am Vorabend zu Maria Himmelfahrt in vielen Kirchen mit Gebeten und Gesang dieser Feiertag begangen wurde. Es hörte sich einfach mystisch an den Gesang in die Nacht hinaus zu hören. So saß ich noch über eine Stunde auf dem Balkon und lauschte in die Nacht bis ich schließlich zu Bett ging.

Obrigado und Bom Caminho